Echobox

Das britische Start-up hilft  Verlegern, Social-Media-Arbeit zu automatisieren.

„Mein Unternehmen ist eine Mischung aus zwei Leidenschaften: AI und Journalismus“, erzählt Antoine Amann, Gründer und CEO von Echobox Limited. „Ich habe mich immer schon für Technologie interessiert und programmiere, seit ich jung bin. Nach der Uni ging ich als Journalist zur Financial Times“, erzählt der 32-Jährige über die Anfänge seiner heutigen Unternehmerkarriere. Studiert hat Amann an der Universität St. Gallen, der London School of Economics und in Cambridge. Nach weniger als einem Jahr als Journalist gründete Amann 2013 Echobox. Das Start-up zur Automatisierung von Social-Media-Aktivitäten von Verlegern hat ein paar namhafte Kunden, etwa die Frankfurter Allgemeine Zeitung, den Guardian, den Standard oder die französische Tageszeitung Le Monde. „Begonnen hat interessanterweise alles in Frankreich. Le Monde war als Erster dabei, und dann folgten dort so gut wie alle Zeitungen.“ Von den Umsätzen leben kann Echobox trotzdem noch nicht und zehrt noch von einem anfänglichen Investment – dieses Jahr folgt eine weitere Runde und bis Ende 2018 soll auch die Bilanz ins Schwarze drehen. Der Cashflow wachse schnell, sagt der Unternehmer.

„Alles, was wir bauen, ist darauf ausgelegt, maximalen Traffic für Verleger zu generieren. Wir haben verschiedene Algorithmen. Einer ermittelt, welche Inhalte wann am besten gepostet werden. Ein anderer kann vorhersagen, welche Themen und Postings am ehesten virale Verbreitung finden werden, und ein weiterer kann Breaking News unmittelbar teilen.“ Die Frage danach, wie man denn vorhersagen könne, was viral wird und was nicht, offenbart viel von dem, wie Echobox insgesamt funktioniert: Vorhersagen und Automatisierung werden aus der Vergangenheit gewonnen. „Wir haben historische Daten der Verleger und verstehen dadurch die Vorlieben ihrer Leser sehr gut.“ Seine Vorhersage­fähigkeiten hat das Start-up bei der französischen Präsidentschaftswahl 2017 unter Beweis gestellt: Das Ergebnis wurde von Echobox am präzisesten prognostiziert. „Wir haben uns Echtzeitdaten angesehen – und zwar von Millionen von Menschen, den Lesern der Verlage, für die wir arbeiten (sie müssen Echobox Zugang zu den Nutzungsdaten ihrer Websites geben, damit sie die Services des Start-ups in Anspruch nehmen können, Anm.). Wir haben analysiert, wann Menschen auf welchen Seiten sind und was sie lesen.“ Anders als Umfrageinstitute, die ein beschränktes Sample an Testpersonen befragen, erschlossen sich Echobox so die Echtzeit-Internetdaten von Millionen von Nutzern. „Diese Informationen und Datensätze sind weniger gefärbt und werden jede Stunde aktualisiert“ – ein Experiment, das womöglich auch ein neues Geschäftsfeld darstellt. „Wir wollen das für Marken anwendbar machen, damit sie ein Tool haben, mit dem sie ihre Reputation tracken können. Das wäre ein guter Umsatzstrom.“ Aktuell liegt das Business noch bei den Algorithmen für die Verleger, und diese werden mittels „Software as a Service“-Verträgen gegen monatliche Gebühr vergeben. Es dauert in etwa eine Woche, bis ein Algorithmus auf ein Medium eingestellt ist.

Überhaupt sieht Amann die Automatisierung als chancenreiche Innovation, die aber weder als Allheilmittel noch ohne Vorbehalte einsetzbar ist. „Wir raten Verlegern davon ab, zu viel automatisiert zu posten. Sprachlich sind Algorithmen noch nicht so gut. Zwar ist es unser Ziel, dass eines Tages nicht mehr erkennbar ist, was von einem Menschen und was von einer Maschine gepostet wurde – momentan machen Algorithmen aber noch Fehler“, schränkt der Schweizer allzu überschwängliche Automatisierungsfantasien ein. „Wir sehen das Verlegen in drei Bereichen: Kreation von Inhalten, Verbreitung und Monetarisierung. Wir sind im mittleren Teil, der Verbreitung. Der erste Teil ist unheimlich schwer zu automatisieren. Man müsste einem Computer Kreativität beibringen, das hat bis jetzt allerdings noch niemand geschafft.“

Der Bedarf seitens der Medien, den Fuß in die digitale Tür zu bekommen, ist groß. Zum einen hat das damit zu tun, dass Google und Facebook mittlerweile das bessere Angebot für Werbetreibende haben – Targeted Advertising, also das gezielte Werben, auf ein diffiziles vorhandenes Interessensprofil eines Nutzers abgestimmt. Was sich in den Marktzahlen zeigt: In den USA vereinen Google und Facebook rund zwei Drittel aller digitalen Werbegelder auf sich. Zum anderen sind die zwei Riesen aufgrund ihrer hohen Marktanteile in Sachen Internetnutzer wichtige Gatekeeper zur digitalen Reichweite.

„Verleger sind von Werbung abhängig. Und für die Werbung ist wiederum die Click-Through-Rate (das Verhältnis zwischen jenen, die einen Inhalt sehen, und jenen, die dann daraufklicken, Anm.) eine wichtige Größe. Je höher sie ist, desto besser.“ Eine hohe Click-Through-Rate lässt darauf schließen, dass angezeigte Inhalte den Nutzer ansprechen. „Neben dem Fakt, dass Werbegelder an Google und Facebook gehen, sind die Verleger zudem von diesen Plattformen abhängig, um über sie Besucher auf die eigenen Web­sites zu führen“, so Amann. Und das ohne Geld: „Die meisten Verleger haben keine Budgets, um Beiträge auf Social Media zu bewerben, oder aber sie haben Budgets – dann laufen sie Gefahr, mehr zu investieren, als sie an Werbeerlösen zurückbekommen; der Arbitrage-Effekt“, sagt Amann. „Die richtigen Profis wissen aber, wie viel sie in welche Subseiten stecken müssen, um im Vergleich zu eingesetztem und generiertem Geld einen Return zu bekommen.“ Medien müssen zusehen, im digitalen Geschäft nicht völlig aufs Abstellgleis zu geraten. In Sachen datengetriebenes Geschäft und gezielte Werbung werden die Verleger Facebook und Google wohl nicht mehr einholen können. Zwei Milliarden Menschen weltweit nutzen Facebook, rund 90 Prozent der Suchanfragen werden gegoogelt – mächtige Partner also. „Facebook und Twitter (Echobox gibt es für Facebook für Twitter, Anm.) haben gute APIs (Application Programming Interfaces; Schnittstellen, an denen Programmierer Anwendungen für die betreffenden Plattformen entwickeln können, Anm.). Das ist definitiv ein Vorteil. Was die Arbeit erschwert, ist die Unvorhersehbarkeit, mit der sie ihre Algorithmen verändern. Das macht unsere Kunden nervös – im Großen und Ganzen ist die Zusammenarbeit aber okay.“

Damit spricht Amann die Organisation von Sichtbarkeit auf Facebook und Twitter an. Während Posts traditionell nach Chronologie ausgespielt wurden, bewegten sich Facebook (2009) und Twitter (2016) hin zu einem Modell, in dem nicht der Zeitpunkt, sondern die Gewichtung hinsichtlich der Nutzerinteressen bestimmt. Der Newsfeed wurde auf persönliche Vorlieben abgestimmt – der Hintergedanke war es, die Bindung an die Plattform sowie die dort verbrachte Zeit zu erhöhen. Das hat funktioniert. Unlängst hat Facebook seinen Algorithmus wieder umgestellt – und mit Mai 2018 steht die neue Datenschutzgrundverordnung ins Haus – strategische Chancen oder Risiken für Amann? „Die Verordnung berührt unser Geschäft nicht.“ Newsfeed-Änderungen lassen ihn ebenfalls kalt: „Facebook experimentiert sehr viel mit der Gewichtung von Beiträgen. Diese Änderung, die jetzt Posts von Medien gegenüber jenen von Facebook-Freunden nachrangig reiht, gab es auch im Juni 2016, nur, um sie dann im August wieder rückgängig zu machen. Seit 2016 hat Facebook auch Videos mehr gepusht – davon weicht man auch wieder ab. Es kann also leicht sein, dass diese für Verleger nachteilige Änderung auch wieder rückgängig gemacht wird. Was auch immer passiert, unser Angebot passt sich daran an.“

Die Zukunft der Automatisierung sieht der Experte übrigens in der künstlichen Intelligenz als Unterstützer von Journalisten. „Ich glaube, in Zukunft und mit der Massen an Daten, die wir haben werden, muss ein Journalist nicht mehr alleine einen ganzen Artikel schreiben. Ich glaube, hier werden Maschinen zum Einsatz kommen und Journalisten kontrollieren und korrigieren dann die Texte.“

Dieser Artikel ist in unserer Februar-Ausgabe 2018 „Künstliche Intelligenz“ erschienen.

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