10.000 KÜSSE IM BELVEDERE

Mit dem Verkauf von 10.000 „Kuss“-NFTs steigt das Wiener Belvedere in das digitale Kunstgeschäft ein. Bereits am Launch Day, passend auf den Valentinstag gelegt, konnte das Museum damit mehrere Millionen € erwirtschaften – doch der „Krypto-Winter“ erschwert auch dem Belvedere das NFT-Geschäft.

Beim Betreten des ­imposanten Marmorsaals im Oberen Belvedere erwartet Besucher ein atemberaubender Blick auf den Schlossgarten und das dahinter liegende Wien. Wendet man sich nach rechts, fällt der Blick auf eines der berühmtesten österreichischen Gemälde, in einem unverwechselbaren Stil gemalt und mit echtem Gold verziert; über seinen Wert kann nur spekuliert werden, er liegt jedoch bestimmt im ­dreistelligen Millionenbereich: ­Gustav Klimts „Der Kuss“ gilt als zeitloses Motiv der Liebe.

Seit 14. Februar kann man einen Ausschnitt davon kaufen – denn am Valentinstag ­startete das Belvedere mit dem Verkauf von 10.000 einzigartigen „Kuss“-NFTs. Klimts Meisterwerk wurde dafür in 10.000 Stücke geschnitten (natürlich nur digital), jedes davon ist nun ein einzigartiges NFT mit einer eigenen Nummer und Koordinaten, damit es auch im Original wiederzufinden ist. Ein solches Non-Fungible Token ­kostete am Launch Day satte 1.850 € (oder 0,65 Ethereum, wenn man lieber mit einer Kryptowährung bezahlt). Romantiker mit einem Hang zu Krypto können den erworbenen Ausschnitt – der Zufall entscheidet, welchen Teil des Gemäldes man bekommt – mit einer Liebeserklärung versehen und ihrer besseren ­Hälfte schenken. Das Ganze schien gut anzukommen: Bereits am 14. Februar erzielte das Museum damit 3,2 Mio. € ­Umsatz. 2019, vor der Corona­pandemie, ­betrugen die Umsatzerlöse des Hauses fast 22 Mio. €, vergangenes Jahr jedoch nur 5,362 Mio. €. Die NFT-Einnahmen dürften dem ­heurigen Budget also ­einen spürbaren Schub ­geben.

Das Belvedere ist nicht das erste Museum, das NFTs von traditionellen Kunstwerken verkauft: Ähnliche Projekte gab es bereits im State Hermitage Museum in St. Petersburg oder im Londoner British Museum. In Österreich ist das Projekt aber das erste seiner Art; das Belvedere gehört also zu den Vorreitern. (Das Leopold Museum startete im Mai 2022 ebenfalls eine NFT-Aktion.) Außerdem sei das Belvedere ein „Museum that matters“, sagt Wolfgang Bergmann, kaufmännischer Geschäftsführer des Hauses. „Und ein ‚Museum that matters‘ hat die Vergangenheit mit der Gegenwart und der Zukunft zu verbinden.“ Daher sei klar gewesen, dass das Wiener Kunsthaus in den NFT-Markt mit all seinen Möglichkeiten einsteigen würde.

Doch nach dem erfolgreichen Launch klang der Hype schnell ab, die Verkäufe enttäuschten. Bis dato konnte das Belvedere nur rund 2.400 der 10.000 NFTs an den Mann bringen, was dem Museum insgesamt immerhin 4,4 Mio. € brachte. Zum Teil stammen diese Einnahmen auch vom Sekundärmarkt, also dem Handel unter Käufern, da NFT-Künstlern (in diesem Fall das Belvedere) auch bei jedem Weiter­verkauf ein Anteil des Verkaufspreises zukommt. Dass dieser stetig sinkt, ist ­unter anderem auch auf den starken Preisverfall der Kryptowährungen in jüngster Vergangenheit ­zurückzuführen: Entsprach der Kaufpreis von 0,65 Ethereum Mitte Februar noch 1.850 €, ist die gleiche Menge an Krypto heute nur noch knapp 1.100 € wert. Zwischenzeitlich fiel der Wert sogar auf matte 680 €.

Dieser „Krypto-Winter“, wie der Kursabsturz von Investoren getauft wurde, bereitet so manchem Kunsthaus Kopfschmerzen. In Italien wurde Museen der Verkauf von Kunstwerken als NFTs sogar vorläufig verboten. Katharina Steinbrecher, Hauptabteilungs­leitung der Abteilung Kommunikation und Marketing für das Belvedere, lässt sich durch den Krypto-Winter jedoch nicht verunsichern: „Als Museum denken wir ohnehin nicht in so kurzen Zyklen. ‚Der Kuss‘ ist seit 114 Jahren in unserem Haus – die Welt und die Wirtschaft ­haben in dieser langen Zeit sowohl Höhenflüge erlebt als auch sehr schmerzvolle Entwicklungen durchgemacht. Die Bedeutung des Museums und seiner Sammlung ist aber konti­nuierlich gestiegen.“ Bergmann schätzt, dass das Museum trotz des Krypto-Preisverfalls drei Mio. € Gewinn aus dem Projekt erwirtschaften wird. Zum Vergleich: Die Aktion des russischen State Hermitage Museums, welches letzten September fünf NFT-Kopien bekannter ­Gemälde versteigerte, brachte dem Haus 444.000 US-$ Umsatz.

Ob die Käufer der Klimt-NFTs auch so optimistisch sind wie Bergmann, ist fraglich. Obwohl viele ihren persönlichen Klimt weiterverkaufen wollten, dürfte dieses Spekulationsgeschäft in den meisten Fällen nicht sonderlich gut laufen. Laut Opensea, einer Onlineplattform für den Handel von NFTs, liegt der „Floor Price“, also der niedrigste Preis, bei 0,3 Ethereum (aktuell 520 €). Der Durchschnittspreis für einen digitalen „Kuss“ ist mit 0,56 ­Ethereum (980 €) zwar etwas ­höher, aber dennoch deutlich unter dem ursprünglichen Wert.

Jedes der einzigartigen NFTs ist mit einer Nummer und Koordinaten versehen.

Kryptowährungen und NFTs sind eben ein riskantes Geschäft. Doch nicht nur Kryptospekulanten beißen sich zurzeit die Zähne aus; auch Umweltschützer sind frustriert. Nicht nur das Minting, also das Erstellen von NFTs, ist extrem energieaufwendig, auch die dahinter liegende Blockchain-Technologie stößt bei jedem Weiterverkauf eine Menge CO2 aus. Dadurch haben die Tokens einen beachtlichen ökologischen Fußabdruck. Einer Schätzung des US-amerikanischen Wirtschaftsmediums Quartz zufolge setzt ein NFT über seine gesamte Lebensdauer hinweg 211 Kilo CO2 frei. Das ist, als würde man im Benzinauto 825 Kilometer fahren, also etwa von Wien nach Basel. Bergmann versichert aber: „Wir werden 100 % (der Emissionen, Anm.) ­kompensieren.“ Dazu arbeite das Belvedere zurzeit mit dem Österreichischen Institut für Nachhaltige Entwicklung zusammen. Das Institut ermittle den ökologischen Fußabdruck der NFT-­Aktion und werde Kompensations­projekte vorschlagen, so Bergmann. Dennoch sieht Bergmann in ­Zukunft Platz für NFTs der Marke ­Belvedere. „NFTs sind gekommen, um zu bleiben“, sagt der Geschäftsführer, fügt jedoch hinzu, dass die Zeit noch nicht reif für das nächste Projekt sei: „Da muss man sicher den Krypto-Winter abwarten.“ Die nächsten Jahre werden zeigen, ob sich der Trend, berühmte Kunstwerke zu digitalisieren, trotz Kryptokrise und Klimakritik tatsächlich hält. Gustav Klimt selbst wäre vermutlich ein Fan von NFTs gewesen. Als er 1897 die Wiener Secession gründete, wollte er bewusst mit dem damaligen Mainstream brechen und alternativen Künstlern eine Plattform bieten – ­Ziele, die ihn mit vielen NFT-Schöpfern verbinden. Damals war Klimt einer der kontroversesten Maler seiner Zeit und wurde von der etablierten Kunstwelt heftig kritisiert. Heute sind seine Gemälde Millionen wert – und nun auch in der digitalen Kunstwelt vertreten.

Bislang wurden circa 2.400 „Kuss“-NFTs verkauft und damit ein Erlös von ungefähr 4,5 Millionen € erwirtschaftet. Wie hoch waren die Kosten des Projekts?
Wolfgang Bergmann (WB): Die technischen Kosten sind gering, da bewegen wir uns unter 100.000 €. Wir haben aber natürlich Marketingkosten, wir müssen Steuern zahlen et cetera. Aber es ist davon auszugehen, dass wir als ­Ergebnis über drei Millionen € aus dieser Aktion ziehen werden.

Wie werden die Erlöse dann eingesetzt?
(WB): Da gibt es keine Zweckbindung für ein bestimmtes Projekt. Wir sind als Museum ein Non-Profit-Unternehmen, das alle Erlöse, die es aus Tickets, Souvenirs et cetera hat, wieder in das Museum investiert; sei es, dass wir Kunst restaurieren, Gebäude renovieren oder in Bildungsprogramme investieren. Und in diesen Bereich – ­bewahren, sammeln, vermitteln – fällt auch die NFT-Aktion hiein.

Kryptowährungen sind sehr volatil, seit dem Launch ist der Preis vieler digitaler Währungen stark gefallen. Wie rechtfertigt es das ­Belvedere, während einer Pandemie – einer ohnehin sehr unsicheren Zeit – mit Krypto­währungen zu hantieren, die noch zusätzliche Unsicherheit ­verursachen? Schließlich hat das Museum während Corona sehr viele finanzielle Zuschüsse vom Staat bekommen, im Endeffekt von den Steuer­zahlern.
(WB): Hier muss man unterscheiden: Ein NFT selbst ist ja keine Kryptowährung. Ein NFT ist ein Produkt, das auf der Blockchain läuft, wie auch die Kryptowährung, die man vor allem für das Minting braucht. Wichtig ist erstens: Kein Käufer ist gezwungen, die Kryptowährung zu verwenden, weil wir auch ein Zahlungsangebot über Euro anbieten. Wir erledigen dann das Minting und stellen das NFT zu. Und das Zweite: Sollte jemand mit Krypto kaufen, konvertieren wir sofort in Euro und betreiben selbst keine Spekulation mit der Kryptowährung. Das Thema der Kursschwankungen bezieht sich dann eher auf den Bereich des Wiederverkaufs, sollte man über die diversen Plattformen weiterverkaufen wollen. Nur ist ­jeder im Wiederverkauf frei, auch in der Preissetzung. Niemand ist gezwungen, innerhalb einer ­gewissen Phase zu verkaufen – aus meiner Sicht muss man überhaupt nicht ­verkaufen, das ist ein Sammlerstück. Und jemand, der ein NFT gekauft und mit einer Liebeserklärung gewidmet hat – das ist ja ähnlich wie ein Verlobungsring –, wird diesen Liebesbeweis nicht gleich wieder verkaufen. Also ja, es gibt diese Kursschwankungen, der Kryptopreis ist gerade auch in einem Wellental, aber das Belvedere ­verleitet niemanden dazu, selbst Krypto­währungen zu besitzen. Das muss niemand. Und wir selbst spekulieren nicht mit Kryptowährungen, sondern konvertieren in Euro.

Beim Launch des Projekts waren 0,65 Ethereum, die ein „Kuss“-NFT kostet, die vollen 1.850 € wert. Zwischenzeitlich waren 0,65 Ethereum aber nur mehr 615 € wert …
(WB): Ja, das ist richtig. Wir überlegen auch, eine Preisbindung an den Euro zu machen, das aber ist technisch wieder aufwendiger. Uns selbst hat der Preisverfall kaum betroffen, weil sich die großen Verkaufszahlen im ersten Schwung nach dem Valentinstag abgespielt haben und der NFT-Verkauf mit Eintritt des Krypto-Winters jetzt stagniert – generell, nicht nur bei uns. Für uns stellt sich die Frage des Währungsunterschieds erst ab dem nächsten größeren Launch. Es kann sein, dass sich der Kryptopreis bis dahin wieder erholt hat. Richtig ist, dass seit dem Launch unseres Projekts zwischendurch günstigere Käufe möglich waren, wenn mit Ethereum bezahlt wurde. Das ist aber auch bei anderen Produkten so, wenn auch nicht in dieser Größenordnung. Ich kann auch bestimmte Produkte billiger kaufen, wenn ich etwa in einem Land mit einer anderen Währung auf Urlaub bin. Es ist also nichts Außergewöhnliches, dass es hier ­Unterschiede geben kann. Natürlich haben wir das mittelfristige Interesse, dass der Kryptopreis und der Europreis nahe beisammen sind.

„Der nächste größere Launch“, sagen Sie – ist also ein weiterer NFT-Verkauf geplant?
(WB): Wie auch andere, glauben wir an die Formel „NFTs sind gekommen, um zu bleiben“. Und wir denken über Nachfolgeprojekte nach, auch wenn jetzt noch keines startklar ist; zum Teil, weil wir natürlich die Erfahrungen aus diesem Projekt bestmöglich auswerten wollen, und weil jetzt nicht die Zeit für einen weiteren Launch ist. Da muss man ­sicher den Krypto-Winter abwarten.

Was ist überhaupt das Ziel dieser Projekte? Und wer ist die Zielgruppe?
(WB): Das erste Ziel ist – und wir merken auch, dass das gelingt –, dass wir plötzlich Menschen mit unserer Sammlung und mit Klimt ansprechen, die davor gar nicht so ein starkes Naheverhältnis zur Kunst hatten. Für uns ist es spannend, dass wir mit dieser Technologie eine ganz neue Gruppe ansprechen können, dass wir eine neue Form des Story­tellings haben. Es war auch die mediale Aufmerksamkeit für das Projekt sehr groß, was natürlich wiederum Aufmerksamkeit für das Belvedere bedeutet; und last, but not least die Möglichkeit einer zusätzlichen Einnahmequelle. Aber das ist nicht das alleinige Ziel. Wir wurden manchmal gefragt: „Dient das jetzt dazu, nach der Pandemie die Budgets in Ordnung zu bringen?“ Meine Antwort ist immer, dass wir dieses Projekt genauso gemacht hätten, wenn es keine Pandemie gegeben hätte; und wenn wir gerade Rekordergebnisse hätten, wie in 2019 – sowohl hinsichtlich Besucherzahl als auch bezüglich unserer Umsätze –, hätten wir das genauso umgesetzt, denn diese ­Ziele, neue Menschen anzusprechen, das ­Museum in die Zukunft zu tragen, ­die müssen wir immer erfüllen.

Besitzen Sie selbst ein „Kuss“-NFT oder andere NFTs?
(WB): Ich würde gerne. Wir ­haben aber aus Compliance-Gründen als Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht die Möglichkeit, selbst welche zu erwerben.

Wie sieht es mit anderen NFTs aus?
(WB): Andere NFTs auch nicht, zumindest noch nicht. Weil ich den, den ich am liebsten hätte, nicht haben kann, beglücke ich mich mit keinem zweitliebsten.

Was hat das Belvedere dazu bewegt, eigene NFTs zu verkaufen und in den digitalen Kunstmarkt einzusteigen?
(WB): Wir sind als Museum daran interessiert, auch eine Vorreiterrolle im digitalen Bereich zu haben. Wir sind auch in der Zeit der Lockdowns sofort auf Live-­Kunstführungen umgestiegen, online eben. Und daher schauen wir, was sich in diesem Markt tut, welche Möglichkeiten sich ­ergeben, und versuchen, die auch möglichst frühzeitig zu nutzen. Außerdem verstehen wir uns als ein „Museum that matters“ – und als solches müssen wir die Vergangenheit mit der Gegenwart und der Zukunft verbinden, also auch den Blick in die Zukunft richten. Und damit war für uns klar, dass wir diese neue Technologie, die ein ganz breites Spektrum an Möglichkeiten eröffnet, für ein Projekt nutzen und diese Edition der 10.000 Teile des „Kusses“ zum Valentinstag präsentieren wollten.

Wir sind als Museum daran interessiert, auch eine Vorreiterrolle im digitalen Bereich zu haben.

Wolfgang Bergmann

Warum haben Sie ausgerechnet mit dem „Kuss“ angefangen?
(WB): Weil er das weltweit bekannteste Werk eines österreichischen Künstlers ist, auch das bekannteste Werk unserer Sammlung. Damit war klar, dass wir auf einer Bekanntheit und einem weltweiten Wiedererkennungswert aufsetzen, was bei jedem anderen Werk wahrscheinlich schwieriger gewesen wäre.

Das Belvedere steht für klassische Kunst, imposante Barockbauten und eine jahrhundertelange Kunstgeschichte. NFTs hingegen stehen für viele Menschen für Memes und sind eher unter Krypto-Nerds beliebt. Wenn das Belvedere NFTs verkauft, verwässert das nicht ein bisschen die eigene Marke?
(WB): Nein, im Gegenteil. Ich glaube, da kann man eine Analogie aus der Vergangenheit ziehen: „Der Kuss“ von Klimt ist global auf so vielen Kaffeehäferln, Schals und T-Shirts zu sehen, und man könnte immer die ­Frage stellen: „Verwässert das den ‚Kuss‘?“ Das Gegenteil ist der Fall: Je mehr „Kuss“ in solchen Produkten im Umlauf ist, umso mehr wird bewiesen, wie attraktiv das Gemälde ist. Jedes dieser Produkte ist ein Werbemittel für den „Kuss“, und wir gehen davon aus, dass jemand, der ein NFT davon besitzt, ab diesem Moment auch einen sehnlichen Wunsch hat, das Meisterwerk im Original zu sehen. Es ist unwahrscheinlich, dass jemand sagt: „Ich habe den ‚Kuss‘ schon ­digital, den brauche ich mir nicht mehr anschauen“ – sondern das Digitale ist die Anbahnung schlechthin, um das Gemälde auch im Original zu sehen. Umgekehrt wird jemand, der von Klimts Werk im Original begeistert war, vielleicht nachher den Wunsch haben, auch dieses Sammlerstück und eine Erinnerung an den Besuch für sich zu haben.

Haben Sie den „Kuss“ deshalb in 10.000 Einzelteile geschnitten – damit die Leute kommen, um sich das Original anzuschauen?
(WB): Nein, nicht deshalb. Sie können sich ja auch das ganze Werk digital anschauen, deshalb muss man nicht kommen. Der Faktor 10.000 hat den Hintergrund, dass wir die NFT-­Aktion für eine breitere Gruppe zugänglich machen wollten, den „Kuss“ aber nur einmal haben. Es sind ja auch Museen schon dazu übergegangen, einzelne Werke nur mit einer NFT-­Kopie zu versteigern. Wir haben bewusst ­einen breiteren Ansatz gewählt, der mehr Menschen mitnehmen kann.

Es ist ja so, dass für das Minting, also das Erstellen von NFTs, extrem viel Strom benötigt wird, was natürlich auch enorme Umweltschäden verursacht. Finanziert das ­Belvedere klimafreundliche Projekte? Gibt es Pläne, um den Fußabdruck des „Kuss“-Projekts zu begleichen?
(WB): Ja, das jedenfalls. Aber das ist ja jetzt nicht die Zweckbindung der Erlöse, sondern ein separates Ziel. Wir haben gerade ein Projekt mit dem Österreichischen Institut für Nachhaltige Entwicklung laufen, das den ökologischen Fußabdruck der NFT-Aktion feststellt und uns Kompensationsmaßnahmen vorschlägt. Wir werden 100 % der Emissionen kompensieren. Aber unabhängig davon, was bisher angefallen ist, möchte ich auch dazusagen, dass die Ethereum-Plattform unmittelbar vor einem technologischen Sprung steht, um den Energieverbrauch um über 90 % zu reduzieren. Für den weiteren Verlauf des Projekts werden also deutlich weniger Energiekosten anfallen.

Wir durften vorhin gemeinsam den originalen „Kuss“ bewundern. Dort gab es keine Hinweise auf die NFTs und auf den NFT-Verkauf. Warum wird die Aktion nicht an Ort und Stelle stärker beworben?
(WB): Wenn Sie ein paar Räume weiter gehen, werden Sie an zwei Stellen Bildschirme sehen, die wir aufgestellt haben, welche Informationen zu den „Kuss“-NFTs liefern. Wir geben auch beim Ticketkauf Hinweise dazu aus. Dass wir das im „Kuss“-Raum nicht machen, ist eine ganz bewusste Entscheidung, wie mit unseren anderen Verkaufsprodukten auch: Der Museumsbereich und der Shop sind getrennte Bereiche. Die Zeit des Kunstgenusses findet im Museum statt, der Shop ist davon getrennt. Wir könnten ja auch „Kuss“-Poster gleich an Ort und Stelle verkaufen – aber wir finden, dass das eine getrennte ­Erlebniswelt sein soll.

Wäre Gustav Klimt selbst ein Fan des Projekts gewesen?
(WB): Glaube ich schon, ja. Er war schließlich überaus ­innovativ, und er war ja auch zu Lebzeiten ­kommerziell erfolgreich. Also ich ­glaube, dass ihn das Projekt freuen ­würde.

Gibt es einen ungefähren Schätzwert für den originalen „Kuss“?
(WB): Nein. Das kann, glaube ich, niemand sagen. Erstens wird er nie auf den Markt kommen – und was er bei ­einer Auktion erzielen würde, kann keiner vorhersagen, hier haben sich die Expertinnen und Experten auch schon bei anderen Auktionen verschätzt. Aus der Vergangenheit ist aber bekannt, dass Klimt-Werke über 130 Millionen US-$ erzielt haben – und ich gehe davon aus, dass „Der Kuss“ als die Ikone schlechthin noch weit darüber liegen würde. Jetzt kann man natürlich darüber diskutieren, ob er „Salvator Mundi“ (das teuerste Gemälde, das jemals versteigert wurde, Anm.) übertreffen würde oder nicht, aber seriöserweise kann das Resultat einer Auktion nicht prognostiziert werden.

Text: Erik Fleischmann
Foto: Ouriel Morgensztern/Belvedere Vienna, Gianmaria Gava, Museum Belvedere

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