Refugeeswork.at

„Refugeeswork.at“ hat sich nicht gerade leichte Ziele gesetzt: Das Wiener Start-up will Flüchtlingen Jobs vermitteln.

Trotz juristischer Hürden konnte man seit Jänner 2016 bereits mehr als 100 Arbeitssuchende vermitteln. Das Motto dahinter: soziale Integration durch Arbeitserfahrung:

"Reefuges sind derzeit einfach die größte soziale Herausforderung Europas. Wir wollen einen Impact schaffen, den es ohne uns nicht gäbe“, erzählt „Refugeeswork.at“-Mitgründer Dominik Beron. Diesen Impact will das junge Start-up durch Arbeitsmarktvermittlung von Flüchtlingen an Unternehmen leisten. Flöchtlinge können sich gratis auf der Plattform registrieren, Unternehmer zahlen je nach Mitarbeiteranzahl einen Kostenbeitrag. Mittlerweile zählt die Plattform über 6.000 registrierte Flüchtlinge und 300 Arbeitgeber – neben Start-ups auch internationale Konzerne und Unis.

Die Gründung folgt mit April 2016 nicht zufällig kurz auf die Flüchtlingswelle in Europa. In Österreich wurden im November 2015 mehr als 12.000 Asylanträge gestellt. Mehr als ein Jahr später, im Jänner 2017, ­haben sich diese auf 2.000 reduziert. Trotzdem bleibt die große Herausforderung der Integration. Arbeitsmarktverbote, sprachliche Barrieren und eine neue Kultur erschweren das.

Darüber ist man sich auch bei Refugeeswork.at bewusst. So steht besonders die soziale Integration durch Arbeitsmarkterfahrung im Mittelpunkt. Flüchtlinge werden auch auf Jobinterviews vorbereitet, online gibt es Beratungen zu allgemeinen Fragen. Mittlerweile hat man erfolgreich mehr als 100 Flüchtlinge in den ­Bereichen IT, Gastronomie sowie ­Design und Pharmazie vermittelt.

Der Großteil von ihnen waren bisher Asylberechtigte – sie dürfen legal in Österreich arbeiten. Schwieriger gestaltet sich hingegen die Jobvermittlung bei Asylwerbern, sie können rechtlich gesehen nur Volontariate von maximal drei Monaten absolvieren – und das ohne Bezahlung, wie die Gründer erzählen.

Hinter Refugeeswork.at stehen seit der ersten Stunde der studierte Jurist Beron und der IT-Experte Christoph Hauer. Fatima Almukhtar kümmert sich hauptsächlich um die Flüchtlinge – sie kam selbst erst mit 14 Jahren aus Bagdad nach Österreich und erlebte den ­Integrationsprozess am eigenen Leib. Hier eine Tante zu haben, die ihr etwa beim Schulbesuch half, kann man wohl als glücklichen Zufall bezeichnen. An Motivation fehlte es ihr bis heute nicht – so schloss sie an der WU Wien Internationale Betriebswirtschaftslehre ab. Danach dockte sie bei Refugeeswork.at an.

Die drei Gründer eint der Wille, einen Mehrwert durch ihre Arbeit schaffen zu wollen. Besonders wichtig ist ihnen, Vorurteile am Arbeitsmarkt abzubauen. Gleichzeitig sollen Unternehmen von Diversität profitieren. Neben Onlineformularen zu ­bürokratischen Fragen werden ihnen Förderungsberatungen zur Verfügung gestellt. Wissen doch viele Arbeitgeber nicht, in welchem Rahmen Flüchtlinge arbeiten dürfen. Refugeeswork.at finanziert sich einerseits über Umsätze von Unternehmenskunden, andererseits bekam man Investments und Innovationsförderungen von ­insgesamt 300.000 Euro. Zwar ist die Reise zu mehr Integration sehr lang, die Refugeeswork.at-Mitglieder sind aber davon überzeugt, sie anzutreten und durchzuziehen.

Wie kam die Idee zu Refugeeswork.at zustande?

DB: Wir hatten bereits Ende 2015 mit Christoph die Vermittlungsplattform für Skills-Based-Volunteering, genannt „Alltagshelden“. Auf einer Konferenz habe ich einen Flüchtling kennengelernt, der zwar super­smart ist, aber einfach keine Chance bekommt. Wir haben erst einmal im ­alten Team besprochen, ob wir da was machen wollen. Wir wollten die Idee anfangs auch an NGOs auslagern, aber es wollte keiner machen. Dann haben wir Fatima kennengelernt und es hat alles eine eigene Dynamik bekommen. Anfang 2016 haben wir dann ­richtig gestartet. Uns war von Anfang an wichtig, dass wir finanziell nachhaltig sind – „for profit for social business“.

Wie läuft die Vermittlung ab?

FA: Die Unternehmen inserieren Stellen, die wir über verschiedene Kanäle promoten. Flüchtlinge können sich auf der Plattform gratis registrieren und mit einem Klick bewerben. Dann gibt es eine Bewerbungsliste, wo wir screenen, wer wirklich zu der Stelle passt. Wir schicken eine Liste mit den besten Kandidaten an die Unternehmen. Sie können dann die Kandidaten persönlich auf der Plattform über den Chat kennenlernen und via unseren ­Onlinekalender ­Termine vereinbaren. Wenn es im Kalender eingetragen wird, können wir auch sehen, wann die Flüchtlinge Jobinterviews haben, damit wir sie mittels mehrsprachiger Coachings vorbereiten können.

Wie waren die ersten Feedbacks?

FA: Auf Arbeitgeberseite ­hatten wir bisher keine negativen Erfahrungen, die sind meistens positiv überrascht. Am Anfang sind sie zwar skeptisch, aber probieren das mal aus und schauen, wie es läuft. Nach ­einem Monat sind die Arbeitgeber zufrieden, dass der neue Mitarbeiter sich gut integriert hat. Für manche wurde auch eine neue Stelle geschaffen, weil sie den Mitarbeiter behalten wollen oder innerhalb eines Unternehmens befördern. Bei den Geflüchteten gibt es sehr viel Bedarf, sie sind sehr motiviert. Manchmal sind aber die Erwartungen und der Bedarf zu hoch, sodass die Stellen nicht ausreichen. Vor allem bei Akademikern ist die Herausforderung am größten, da sie noch nicht Deutsch sprechen und keine Stellen bekommen, die ihren Qualifikationen entsprechen. Aber im hoch qualifizierten Bereich haben wir schon eine Ärztin an eine Pharmafirma vermittelt.

CH: Das IT-Problem können wir zum Beispiel auch nicht lösen. Es fehlen einfach zu viele Entwickler, die Unternehmen glauben, sie finden die bei uns. Aber das ist ein allgemeines Arbeitsmarktproblem.

FA: Auf der Plattform selbst haben wir 30 Prozent Asylwerber und 70 Prozent Asylberechtigte. Aber in letzter Zeit kommen weniger Asylwerber und es gibt nur mehr die, die schon hier sind. Die bekommen langsam ihren Asylbescheid. Das verlagert sich.

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Was ist das Problem an den Volontariaten für Asylwerber?

DB: Die erste Version war nur für Asylwerber gedacht. Aber wir haben gemerkt, dass Unternehmen keine Volontariate wollen, weil sie dadurch keinen Mehrwert bekommen. Volontariate haben in Österreich ein schlechtes Standing. Wir haben vielleicht zwei Kunden, die das aus rein sozialer Motivation machen. Am besten wäre es, wenn die Asylprozesse schneller werden, oder man schon im Asylverfahren arbeiten darf. Die meisten Vermittlungen sind bei uns Asylberechtigte, weil sie richtig arbeiten dürfen. Die Unternehmen suchen Menschen, die sie längerfristig beschäftigen können. Sie kommen zu uns, wenn sie einen neuen Recruiting-Stream brauchen: Zum Beispiel findet man keine Österreicher für den Job, oder man fördert Diversität und will neue Perspektiven hineinbringen.

Trägt die soziale Integration durch ­Arbeitserfahrung bereits Früchte?

FA: Auf jeden Fall. Es braucht dafür nicht nur die Bereitschaft der Geflüchteten, sondern auch jene von Arbeitgeberseite und der Gesellschaft. Wir haben gemerkt, dass wir nicht nur für Flüchtlinge Arbeitsplätze schaffen, sondern auch negative Vorurteile abbauen.

Was ist eigentlich Ihre persönliche Motivation hinter dem Projekt?

FA: Mein persönlicher Back­ground. Ich habe den ganzen Integrationsprozess durchgemacht, Sprache und Kultur kennengelernt. Meine Tante hat mich aufgenommen und auch dafür gesorgt, dass ich durch meine Eltern finanziell unterstützt wurde, bis ich auf eigenen Beinen stehen konnte und nicht in einem Asylheim sein musste. Ich weiß, wenn man die Chancen und die Tools bekommt, kann man daraus etwas machen. Die meisten Flüchtlinge brauchen nicht per se Hilfe, sondern einen Push, dass sie gesehen werden können.

Welches Ziel haben Sie mit Refugeeswork.at?

FA: Hm, ich weiß nicht. Ich will alle vermitteln. (lacht) Nein, alle, die das wollen.

Fällt es Ihnen schwer, sich abzugrenzen?

FA: Am Anfang konnte ich das schwer trennen. Ich habe viel in mein Privatleben mitgenommen. Aber mit der Erfahrung und Zeit habe ich gelernt, auch abzuschalten. Wenn die Arbeit vorbei ist, sind auch die Probleme der Geflüchteten vorbei. Ich mache nicht nur Jobinterviews, es kommen sehr viele Anrufe und E-Mails.

Was bräuchte es prinzipiell noch für eine gesellschaftliche Veränderung?

DB: Wir können relativ wenig daran ändern. Aber die Politik müsste beginnen, nicht nur über Probleme zu sprechen, sondern diese auch zu lösen. Es ist natürlich schwierig, dass wir Unternehmen sagen, es geht so leicht wie bei Österreichern. Da gibt es die sprachlichen und kulturellen Barrieren. Trotzdem wollen es viele Arbeitgeber.

Was ist die Zukunft von Refugeeswork.at?

DB: Wir planen die Skalierung, dass wir die Plattform auch für ­Organisationen in anderen Ländern zugänglich machen. Die könnten diese etwa lizenzieren. Zum Beispiel in Deutschland, Kanada oder den USA. Wir waren etwa vor Kurzem in New York und Philadelphia, weil es dort Organisationen gibt, die sehr interessiert wären. Wir wollen, dass unsere Plattform langfristig global ­genutzt wird.

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Fotos: Jiri Turek & Jana Jaburkova

 

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