„Die Werkzeuge der Anwaltschaft Revolutionieren“

Wenn man in einem Dokument nach einem Begriff suchen will, muss man das genaue Wort in ein Suchfeld eingeben und hoffen, dass es Treffer gibt. Doch mit dem Aufkommen der künstlichen Intelligenz konnten unter anderem solche Suchfunktionen um einiges verbessert werden.

Diesen Bereich der Computerlinguistik nennt man im Englischen „Natural Language Processing“ – kurz NLP. Hier werden Modelle mittels maschinellen Lernens darauf trainiert, durch den syntaktischen Kontext die tatsächliche Bedeutung von Begriffen zu erkennen. Die Anwendungsfelder sind vielfältig: So können mittels NLP Textstellen in großen Datenmengen und Antworten auf Fragen gefunden werden.

Genau diesen Fortschritt nutzt „Under 30“-Listmakerin Paulina Grnarova, um „die veralteten Werkzeuge der Anwaltschaft zu revolutionieren“ – denn in kaum einem anderen Berufsfeld wird mit so viel Text gearbeitet wie in der Juristerei. Mit ihrem Jungunternehmen Deep Judge stellt Grnarova Anwälten neue Werkzeuge zur Verfügung, die nicht nur Zeit sparen, sondern auch die Fehlerquote verringern; etwa bei der Aufgabe, aus einem Dokument alle sensiblen Inhalte zu entfernen. „Derzeit machen das Anwälte oft manuell mit Screenshots von den Dokumenten, wo sie die sensiblen Stellen manuell schwärzen, was natürlich sehr zeitaufwendig ist. Und: Sie machen auch eine Menge Fehler“, so Grnarova. Der zweite Prototyp, an dem Deep Judge gerade arbeitet, ist eine semantische Suchmaschine. Hier liegt die Herausforderung darin, Textstellen ohne genaue Stichwort-Sucheingabe zu finden.

Ursprünglich kommt Grnarova aus der nordmazedonischen Hauptstadt Skopje, wo sie als beste Studentin ihrer Universität ihren Informatik-Bachelor abschloss. Daraufhin absolvierte sie ihren Master an der École polytechnique fédérale de Lausanne und ihren PhD an der ETH Zürich im Bereich künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen. „Während meiner Doktorarbeit kam es zu einer echten Revolution in der Verarbeitung natürlicher Sprache, bei der die Modelle so gut wurden, dass sie den Menschen bei bestimmten Aufgaben des semantischen Verständnisses sogar übertreffen konnten“, erklärt Grnarova. Somit wollte sie herausfinden, wo diese technischen Fortschritte im Bereich NLP in einem angewandten Umfeld wirklich nützlich sein könnten, und stieß auf den juristischen Bereich.

Derzeit arbeitet Deep Judge mit mehreren Schweizer Anwaltskanzleien zusammen, um die Prototypen vor dem Launch zu verfeinern. Auf den Markt soll das Produkt laut Grnarova noch im zweiten Quartal 2022 kommen – monetarisiert wird das Ganze mit einem Abo-Modell (die genauen Preise hängen dann von der Größe der Kanzlei ab). Deep Judge ist der Gründerin zufolge nicht der einzige Player in diesem Bereich, jedoch ist ihr Modell das einzige, das schon mehrsprachig anwendbar ist. „Am Ende des Tages ist es unvermeidlich, dass sich die meisten Anwaltskanzleien auf KI-basierte Modelle verlassen werden“, so Grnarova.

Text: Sophie Spiegelberger
Foto: Florian Schmidt

Dieser Artikel erschien in unserer Ausgabe 2–22 zum Thema „Innovation & Forschung“.

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Redakteurin & Head of Digital

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