MILLIADÄR ZUR RECHTEN ZEIT

Calendly wurde aus Frustration heraus entwickelt – heute ist die Terminplanungs-App drei Milliarden US-$ wert und Gegenstand eines hitzigen Twitter-Streits innerhalb der Silicon-Valley-Elite.

Tope Awotona, der 40-jährige Gründer und Geschäftsführer von Calendly, lehnt sich in seinem Stuhl zurück und lacht schallend. „Sie nennen es eine Botschaft, ich nenne es die Wahrheit“, sagt er und schlägt mit den Händen auf den Tisch. Die Wahrheit, so Awotona, sei, dass jeder Calendly, seine Terminplanungssoftware brauche, um ein besseres, produktiveres und glücklicheres Arbeitsleben zu führen.

Vor neun Jahren gründete Awotona Calendly und steckte seine Ersparnisse von 200.000 US-$ in das Unternehmen. Kurze Zeit später gab er seinen Job als Softwareverkäufer bei EMC auf. Heute hat das Unternehmen zehn Millionen Nutzer und zählt das Transportunternehmen Lyft, den Genealogie-Dienstleister ancestry.com, die Indiana University und den Einrichter La-Z-Boy zu seinen Kunden. Der Umsatz im letzten Jahr betrug mehr als 100 Mio. US-$, doppelt so viel wie im Jahr davor. 2022 könnte sich der Umsatz erneut verdoppeln.

Das Unternehmen, das in Atlanta gegründet wurde, aktuell aber keine Niederlassungen mehr hat, ist seit 2016 profitabel. Letztes Jahr erhielt es eine Finanzierung in Höhe von 350 Mio. US-$ von Open View Venture Partners und Iconiq Capital; Calendly wird heute mit drei Mrd. US-$ bewertet. Das bedeutet, dass die Mehrheitsbeteiligung von Awotona mindestens 1,4 Mrd. US-$ wert ist, wenn man den zehnprozentigen Abschlag berücksichtigt, den Forbes auf die Aktien aller privaten Unternehmen anwendet. Awotona ist neben David Steward, dem 70-jährigen Gründer des in Missouri ansässigen IT-Anbieters World Wide Technology, einer von nur zwei schwarzen Tech-Milliardären in den Vereinigten Staaten. „Tope könnte der erfolgreichste afroamerikanische Tech-Unternehmer seiner Generation sein“, sagt David Cummings, Gründer von Atlanta Ventures, der vor sieben Jahren eine Startinvestition von 550.000 US-$ in Calendly tätigte.

Tope Awotonas Unternehmen hat im Terminplanungsgeschäft allerdings prominente Konkurrenz – Square, Microsoft und das Zürcher Unternehmen Doodle bieten konkurrierende Produkte an. Aber Calendly hat mit seinem schlanken, verbraucherfreundlichen Design und seinem Freemium-Modell an Zugkraft gewonnen; ein probates Mittel, zahlende Kunden ohne Marketingaufwendungen zu gewinnen. Awatona geht inzwischen über die Planung von Besprechungen hinaus und entwickelt Tools, die Personalvermittler, Vertriebsmitarbeiter und andere Angestellte bei der Verwaltung ihrer Besprechungen unterstützen. In der Praxis bedeutet das etwa, dass Besprechungen an Personen weitergeleitet werden und relevante Dokumente wie Tagesordnungen und Budgets der Einladung selbst hinzugefügt werden können. Auch die Integration von Produktivitätstools wie Salesforce zur Nachverfolgung der Ergebnisse ist möglich. Während andere die Planung von Besprechungen als lästige Pflicht ansehen, sieht Awotona darin den Schlüssel, um Verbindungen zu allem herzustellen, was in einem Unternehmen passiert. Diese weitreichende Sichtweise erlaubt es ihm, zu spekulieren, dass der globale Markt, in den Calendly verkauft, potenziell 20 Mrd. US-$ schwer ist.

Awotona wurde in Lagos, Nigeria, in einer typischen Mittelschichtfamilie geboren. Sein Vater war Mikrobiologe und Unternehmer, seine Mutter arbeitete bei der Zentralbank. Lagos, eine Stadt mit 15 Millionen Einwohnern, ist wirtschaftlich pulsierend, aber auch gefährlich – als Awotona zwölf Jahre alt war, wurde er Zeuge, wie sein Vater bei einem Autodiebstahl erschossen wurde. „Ein Teil von mir wollte ihn schon sehr früh als Stütze der Familie ersetzen“, soll er einmal gesagt haben. Im Jahr 1996, als er 15 Jahre alt war, zog Tope Awotona mit seiner Familie nach Atlanta. Er studierte Informatik an der University of Georgia und wechselte dann zu Wirtschaftsinformatik und Management. „Ich habe das Programmieren geliebt, aber es war zu eintönig“, sagt er. „Ich bin wahrscheinlich zu extrovertiert, um Programmierer zu sein.“

Stattdessen verkaufte er Software für Technologieunternehmen, darunter Perceptive Software, Vertafore und EMC (inzwischen von Dell übernommen). Nebenbei gründete er auch einige Unternehmen: eine Dating-Website, eine Firma, die Projektoren verkaufte, und eine weitere, die Gartengeräte vertrieb. Alle drei floppten.

In meinem Leben habe ich davon profitiert, dass ich mich nicht an die konventionellen Weisheiten gehalten habe

sagt Awotona

Die Idee zu Calendly entstand aufgrund seiner eigenen Frustration als Vertriebsmitarbeiter, der (wie so viele) laufend Besprechungen organisieren musste – eine Aufgabe, die manchmal Dutzende von E-Mails und oft einige Tage benötigte, also oft deutliche Verzögerungen in Arbeitsprozessen bedeutete. „Es war offensichtlich, dass Terminplanung auf diese Art nicht gut funktioniert“, sagt Awotona.

Im Jahr 2013 startete er Calendly im Atlanta Tech Village, einem Co-Working-Space für Unternehmensgründer. Um sein Start-up zu finanzieren, plünderte er seine Ersparnisse und schöpfte seine Kreditkarten voll aus. „Es hätte wirklich schlimm ausgehen können“, sagt er heute. „Bei meinen vorherigen Geschäften habe ich mich ein wenig abgesichert – mit Calendly bin ich in einen hart umkämpften Markt eingetreten und habe jeden Cent eingesetzt, den ich hatte. Wenn man etwas tun will, muss man sich voll reinhängen.“

Für die Programmierung beauftragte er das ukrainische Unternehmen Railsware. Awotona war vor acht Jahren in Kiew, als Demonstranten auf den Straßen gegen die Regierungstruppen kämpften. (Jetzt, inmitten des Krieges, hat Calendly dabei ge­holfen, seine zehn in der Ukraine ansässigen Entwickler von Railsware umzusiedeln, und hat sie und ihre Familien finanziell unterstützt.) Am Ende des Jahres 2013 hatte Awotona zwar ein brauchbares Produkt, aber kein Geld mehr – Seed-Investoren, angeführt von Cummings, kamen dem Unternehmen mit 500.000 US-$ zu Hilfe.

Calendly ist für Einzelnutzer kostenlos, kostet aber Unternehmen in der Regel 25 US-$ pro User und Monat. „Mitarbeiter singen ihren Vorgesetzten ein Loblied auf unser Produkt; dieses Lob setzt sich fort“, sagt Awotona. „Das ist das trojanische Pferd, mit dem wir in die Unternehmen hineinkommen.“

Unternehmenskunden können benutzerdefinierte Landingpages einrichten, Meetings an bestimmte Personengruppen weiterleiten und ihre Calendly-Software mit anderen Tools wie Salesforce, Stripe, Zoom und Hubspot verbinden. Die Anzahl der Kunden, die mehr als 100.000 US-$ pro Jahr zahlen, ist in den letzten zwölf Monaten um das Zehnfache gewachsen, da Calendly nun sein internes Vertriebsteam aufgebaut hat. Die börsennotierte Auto-Shopping-Website Car Gurus zum Beispiel hat seit ihrer Anmeldung im Mai letzten Jahres rund 2.000 Verkaufstermine mit ihren Händlern über Calendly vereinbart. Laut Michael Riley, dem leitenden digitalen Strategen von Car Gurus, der die Einführung von Calendly leitete, wurden dadurch 500 Stunden Arbeitszeit der Mitarbeiter eingespart.

Im Juni letzten Jahres führte US Foods, ein großer Lebensmittellieferant mit Sitz in der Nähe von Chicago, Calendly bei 100 Mitarbeitern ein, die mit unabhängigen Gaststätten, meist kleinen Läden, zusammenarbeiten. Mit Calendly kann US Foods maßgeschneiderte Vorlagen für Besprechungen in Englisch und Spanisch einrichten und neue Umsätze sowie andere Ergebnisse in die strategische Planung mit einbeziehen. „Diese Transparenz war ein wichtiges Verkaufsargument für die Unterzeichnung einer Vereinbarung mit Calendly“, sagt David Eschler, Vice President of Restaurant Operations bei US Foods. Laut Awotona werden die Kosten für Calendly durch die Produktivitätssteigerungen bei den Firmenkunden mehr als ausgeglichen.

Kommunikationsmittel werden erst dann sozial interessant, wenn sie technologisch langweilig werden.

Mit der Machtdynamik von Calendly kann einiges allerdings komplizierter werden – wer lädt ein, wer nimmt an? Vor allem für Berufe im Feld des Risikokapitals ist das ein wichtiges Thema. Hier kann es zu Machtgerangel kommen. Awotona aber sagt, dass dies für den typischen Personalvermittler oder Verkäufer kein Problem darstellt. Er beobachtete allerdings mit Staunen, wie seine Firma letzten Winter zum Gegenstand eines Twitter-Kriegs wurde: Sam Lessin, bei Slow Ventures, twitterte am 26. Januar über seinen Hass auf Calendly und nannte es „die roheste/nackteste Darstellung der Dynamik des sozialen Kapitals in der Wirtschaft“.

„Wer hat dir wehgetan, Sam?“, konterte Dustin Moskovitz, der milliardenschwere Facebook-Mitbegründer, dessen Projektmanager-Unternehmen Asana ein Calendly-Kunde ist. Marc Andreessen (Nettovermögen 1,7 Mrd. US-$) fügte in einem inzwischen gelöschten Tweet hinzu: „Hinweis mit sofortiger Wirkung: Jeder, der meine Calendly-Links missachtet, wird für immer von der Beschaffung von Risikokapital im Silicon Valley ausgeschlossen.“

Awotona sagt, dass die Aufregung dazu geführt hat, dass sich Zehntausende neue Benutzer angemeldet haben. „Unser Marketing-Team hat viel Zeit damit verbracht, darüber nachzudenken, wie wir die Leute dieses Jahr dazu bringen können, über Calendly zu sprechen. Wir wussten nicht, dass der einfachste Weg darin bestand, ein paar Tweets abzusetzen“, sagt er. „Wir hätten es nicht besser ausführen können.“

Jetzt plant Awotona weitere Funktionen, um Calendly noch mehr in die Prozesse zu integrieren, die vor Meetings (z. B. das Anhängen von Lebensläufen von Bewerbern an die Kalendereinladungen von Personalvermittlern) und nach Meetings (z. B. verbesserte Analysen) passieren. Er plant auch eine internationale Expansion; die Probleme bei der Terminplanung seien in allen Regionen und Sprachen spürbar.

„Es geht uns darum, jede Besprechung effizient zu gestalten, damit sie ihren Zweck erfüllen kann“, sagt Awotona, der zugibt, dass er selbst in einer durchschnittlichen Woche 25 Stunden in Besprechungen verbringt. „Wir sehen die Terminplanung als Chance, aus jedem Meeting einen Erfolg zu machen – von der Besprechungsplanung bis hin zur vereinfachten Vor- und Nachbereitung. Das ist unsere große Vision."

Fotos: Jamel Toppin für Forbes

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