Ab ins Krisengebiet

Während der Pandemie stand der Tourismussektor still, Reisende mussten zu Hause bleiben – oder aber sie besuchten Länder wie Nordkorea, Syrien und den Jemen, wo die Besucherzahlen stiegen, während die restliche Welt im Lockdown war. Doch geplagt von Unruhen und politischer Instabilität sind diese Urlaubsziele nicht gerade die sichersten. Mit Rocky Road Travel macht Shane Horan solche Reisen dennoch möglich.

Nordkorea, Syrien, Pakistan, Iran: Diese Länder wecken bei den meisten wahrscheinlich Vor­stellungen von Bürgerkrieg und politischer Unterdrückung – es sind keine Regionen, die man in einem ­Magazin zum Thema Tourismus erwarten würde. Und doch: In den letzten Jahren wurden sie zunehmend beliebte Urlaubsdestinationen. Shane Horan hat sich solche Reisen zum Beruf gemacht.

Der gebürtige Ire hat zahl­reiche Kontakte in der Welt der Touristik, ist er doch seit über zehn Jahren im Geschäft. Horan studierte zuerst Geografie in seiner Geburtsstadt Galway und absolvierte später einen Master in International Organisations in Dublin. Schon damals interessierte er sich für Nordkorea oder den Iran, die er in seiner Abschlussarbeit über „Rogue Nations“ behandelte.

Nach seinem Studium reiste Horan nach Australien, wo er für verschiedene Anbieter von Back­packer-Reisen arbeitete. 2012 ging er nach Bangkok, Thailand, eineinhalb Jahre später in die chinesische Hauptstadt Peking. Dort stellte ihn ein Reisebüro ein, das auf Reisen nach Nordkorea spezialisiert war. 2014 besuchte er das Land zum ersten Mal – seitdem hat er über 30 Reisegruppen in den kommunistischen Staat geführt. Ebenfalls aus China organisierte er unter anderem Trips nach Afghanistan, Äthiopien, in den Iran und den Irak, nach Somalia und Turkmenistan. 2019 kam Horan zurück nach Europa und gründete in Berlin Rocky Road Travel. Mit seiner Firma bietet er heute Reisen in über 30 der „am stärksten stigmatisierten“ und „am wenigsten verstandenen“ Länder der Welt an. Oft greift er dabei auf seine Kontakte von früher zurück.

Für den Großteil der Touren arbeitet Horan mit Freelance-Reiseführern zusammen, er selbst bleibt die meiste Zeit in Berlin und über­nimmt die Organisation. Denn diese ist für eine Reise nach Nord­korea um einiges schwieriger als für einen Urlaub auf Mallorca. Für einen Trip nach Syrien etwa braucht jeder Be­sucher eine Sicherheits­freigabe vonseiten der syrischen Behörden; nur so bekommen Horans Kunden an der Grenze ein Visum. Horan kümmert sich Monate vor dem Reisebeginn darum, dass seine Kunden ein solches erhalten, und plant gemeinsam mit seinen Kontakten vor Ort die Route und Unterkünfte. Sind die abenteuer­lustigen Urlauber einmal am Ziel angekommen, sind sie meistens in Begleitung eines lokalen Fremdenführers, zu­sätzlich zum Reiseführer von Rocky Road Travel.

Tatsächlich gehen die Trips, die am schwierigsten zu organi­sieren sind, nicht in Länder wie Nordkorea (das sich immer mehr von der restlichen Welt abschottet) oder Syrien (wo seit 2011 ein Bür­gerkrieg herrscht und erst 2020 eine Waffenruhe verhandelt wurde) – stattdessen ist Sokotra die größte logistische Herausforderung. Die Insel gehört zum Jemen, wo am Festland seit 2014 ebenfalls Bürgerkrieg herrscht, was jedoch laut Horan die Planung kaum beeinflusst, da der Krieg auf der Insel kaum zu spüren sei. Vielmehr liegt für Urlauber die Schwierigkeit darin, dass keine normale Airline nach Sokotra fliegt. Das einzige Angebot ist ein wöchentlicher Charterflug. Horan: „Dieser Flug ist immer Monate im Voraus ausgebucht und manchmal wird er kurzfristig abgesagt oder die Uhrzeit wird spontan geändert. Die Flug­­verbindung kann also sehr unzu­verlässig sein.“ Trotz der Planungsschwierigkeiten ist Sokotra die am stärksten nachgefragte Destination.

Damit alle Reisen auch sicher ablaufen, „testet“ Horan jede Expedition, bevor er sie anbietet. Auf diesen „Research Trips“ schaut er sich die bekanntesten Wahr­zeichen an, trifft sich mit den Partnern vor Ort und probiert verschiedene Hotels und Restaurants aus – und er stellt sicher, dass die Lage im Land sicher genug ist, um organisierte Reisen dorthin zu verkaufen. „Natürlich ist Sicherheit unsere oberste Priorität. Sollte die Situation gefährlich werden, sagen wir die Reise ab“, so Horan. Bis jetzt sind seine Kunden jedoch noch nie während einer geführten Reise in eine brenzlige Situation gekommen.

Das heißt allerdings nicht, dass das unmöglich ist. 2016 war eine Reisegruppe des britischen ­An­bieters Hinterland Travel in Af­ghanistan unterwegs, als sie von den Taliban angegriffen wurde. Die Touristen begleitete zwar ein militärischer Konvoi, dennoch wurden einige von ihnen verletzt.

Trotz der potenziellen Gefahren treibt es immer mehr Menschen in Länder wie Afghanistan oder Syrien, das während der Pandemie die Grenzen für Touristen offen ließ. Doch jeder Aufschwung wird von Kritik begleitet, und so ist es auch mit Horans Geschäft: Zahlreiche westliche Medien beklagen, dass Touristen die meist autokratischen Regimes legitimieren und durch das Geld, das so ins Land fließt, auch finanziell unterstützen. Horan jedoch betont: „Wir befürworten in keiner Weise die Regierungen oder Regimes, wir sind nur Tou­risten. Wir wollen kulturellen Aus­tausch fördern; wir sehen es so: Reisen in ein Land sind besser, als das Land komplett zu isolieren. So bekommt die Bevölkerung dort ein wenig mit, wie es im Westen ist, und wir sehen, was zum Beispiel in Syrien passiert.“

Außerdem versucht Rocky Road Travel, kleinere Hotels zu buchen und lokale Restaurants zu besuchen. Und: Ein Teil der Profite wird an internationale Wohltätigkeitsorganisationen gespendet, die sich für Menschenrechte und Flüchtlinge aus den Destinationen einsetzen. „Alle Erlöse aus unserer kommenden Syrienreise gehen an Wohltätigkeitsorganisationen in Aleppo, die Opfern des jüngsten Erdbebens dort helfen“, nennt der Ire ein Beispiel.

Zurzeit bietet Rocky Road Travel über 30 Destinationen an, die meisten in Nordafrika und dem Nahen Osten. Soll die Liste weiter ausgebaut werden? Horan: „Ich suche immer neue Orte, auch wenn ich zurzeit sehr voll bin, weil ich die ganze Organisation alleine über­nehme. Aber ich habe Tolles von Algerien gehört und es wird leichter, dort das Visum zu bekommen – also wird das wahrscheinlich unser nächstes Angebot werden.“

Nordkorea, Syrien, Pakistan, Iran – diese Länder sind Shane Horans Job, und in unserem Gespräch spüren wir die Leidenschaft, mit der er über sie spricht. „In der westlichen Welt entsteht oft der Eindruck, dass das Leben dort total anders ist als hier. Doch es leben dort Millionen von Menschen, die sich genau wie wir über ihre Arbeit, Beziehungen und Familien Ge­danken machen“, sagt er. Und ab­schließend: „Für uns ist dort vieles superkomisch, aber die Menschen, die dort leben, sind genau wie wir.“

Shane Horan studierte Geografie in Galway und International Organisations mit einem Fokus auf „Rogue Nations“ in Dublin. Später lebte er in Neuseeland, Australien, Thailand und China, bevor er 2019 nach Berlin kam und Rocky Road Travel gründete.

Text: Erik Fleischmann
Fotos: Rocky Road Travel

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