Alpenglühn und Edelweiss

Einer der bekanntesten Kitzbüheler feiert am 2. Februar seinen 70. Geburtstag: Hansi Hinterseer. Zwei weitere Feierlichkeiten stehen dem Mann, dessen Herz im Rhythmus der Natur und der Gemeinschaft schlägt, 2024 zusätzlich bevor: das goldene Jubiläum seines legendären Slalomsiegs in Kitzbühel 1974 und drei Jahrzehnte seit der Veröffentlichung seiner ersten Single.

In der klaren Winterluft von Kitzbühel, mit Blick auf die schneebedeckten Berge, treffen wir Hansi Hinterseer. Wir sitzen draußen; eine passende Entscheidung, da er gerne im Freien ist. Nach kurzer Zeit nähert sich ihm eine Dame und sagt „Grüezi“ – unsere erste von mehreren Unter­brechungen. Das ­ständige Kommen und Gehen seiner Fans hält an, bis wir das Interview be­endet haben. Ein ­ununterbrochenes Gespräch ist auch nicht zu erwarten, wenn man Hinterseer in Kitzbühel trifft.

„Was beschäftigt Sie zurzeit?“, wollen wir zunächst wissen. Die sehr persönliche Dokumentation „Hansi Hinterseer – willkommen in meinem Leben“, die am 2. Februar ausgestrahlt wird, und sein neuestes Album „Schön, dass es dich gibt“, berichtet er. 2024 feiert er ein halbes Jahr­hundert seit seinem Slalomsieg in seiner Heimat­gemeinde, drei Jahrzehnte musikalische Laufbahn und seinen 70. Geburtstag. „Ich freue mich riesig darauf“, sagt er. „Es ist wirklich aufregend, weil in meinem Leben so viel passiert ist – vom Sport über meine Kindheit, wie ich aufgewachsen bin, bis hin zu Film, Schauspielerei, Moderation und Gesang.“

Ja, für Hinterseer hat sich viel getan. Zuerst fand er internationale Anerkennung als Skifahrer. Zu seiner Zeit galt er als der Skistar mit dem elegantesten Slalomschwung, immer braun gebrannt und stets mit einem Lächeln im Gesicht – ein Image, das seine Popularität begründete. Binnen kurzer Zeit spannte sich seine Karriere von den Skipisten über die Bühnen der Volksmusik bis zu den Scheinwerfern des Fernsehens. „Nichts davon war geplant“, sagt er, „gute Leute haben mich gefragt, und ich habe gesagt: ‚Warum nicht?‘“

Es war wohl kein Zufall, dass Hinterseer eine Leidenschaft für den Skisport entwickeln würde – denn die Seidlalm, wo er seine Kindheit verbrachte, ist nicht nur für ihre Nähe zur ­berühmten Abfahrtsstrecke bekannt, sondern auch als jener Ort, an dem 1966 der Skiweltcup er­funden wurde. Hinterseers Vater Ernst war ­Slalom-Olympiasieger von 1960, und für den ­jungen Hansi war es nicht ungewöhnlich, Teile ­seines Schulwegs bei frischem Schnee auf Skiern zurückzulegen. „In meiner Kindheit, wenn’s über Nacht geschneit hat, lag am nächsten Morgen ­Pulverschnee – wunderschön. Und da hat’s schon passieren können, dass man ein bisschen später in die Schule gekommen ist“, erinnert er sich.

Hinterseers Weg zum Erfolg zeigte sich früh: Bereits 1968 wurde er österreichischer Schülermeister im Slalom, Riesenslalom und in der Kombination. Bald darauf, als er 14 Jahre alt war, folgte seine Aufnahme in das österreichische Nationalteam des Skiverbands ÖSV. 1972/73 wurde seine Triumphsaison: Zuerst sein erster Weltcupsieg im Riesenslalom in Anchorage mit 19 Jahren: „Da gibt’s Eisbären, das ist ja kein Skigebiet, dort ist es eiskalt“, erinnert er sich. „Aber es war ein wunderschönes erstes Weltcuprennen, und ich habe gewonnen.“ In so jungen Jahren mit einer so großen Verantwortung konfrontiert war er trotzdem nicht gestresst: „Ich war nicht nervös, sondern habe mich richtig ­gefreut, mich mit Spaß auf das Rennen zu konzentrieren“, sagt er. „In meinen Vorbereitungen war ich eigentlich immer sehr locker. Natürlich war’s nicht immer leicht, aber ich habe vor einem Rennen immer ein gutes Gefühl gehabt.“

Noch im selben Jahr gelang ihm im fran­­zösischen Val-d’Isère sein zweiter Weltcupsieg im Riesenslalom. 1974 triumphierte er im Slalom in Kitzbühel und ist damit bis heute der letzte Kitzbüheler, der in der Gamsstadt ein Rennen gewinnen konnte. Vor ihm gelang dies Karl Schranz, einem der erfolgreichsten österreichischen Skirenn­läufer der 1960er- und frühen 1970er-Jahre. Bei der Weltmeisterschaft 1974 glänzte Hinterseer mit einer Silbermedaille.

In Naeba, Japan, und Schladming siegte er 1975, in Furano, Japan, 1977. Im August 1978 zog er sich aus dem Weltcup zurück, fuhr aber noch eine kurze Zeit als Profiskifahrer auf der amerikanischen Pro-Ski-Tour und wurde dort zwei­mal Abfahrtsweltmeister. „Als junger Mensch ist ­Amerika immer super, ein interessantes Land“, erinnert er sich. „Das war eine sehr, sehr schöne Zeit.“

Trotz der schönen Erinnerungen verabschiedete er sich im Jahr 1984 endgültig von den Skipisten und wechselte als Co-Kommentator für Ski-Live-Übertragungen beim ORF ins Fernsehgeschäft. Warum? „Viele Gründe“, holt er tief Luft, „Streit mit dem Skiverband, Material­probleme – es waren viele Sachen passiert, die für die Sportler nicht gut waren. Für all das ­zusammen war ich vielleicht noch ein bisschen zu jung und zu unerfahren.“

Dennoch sieht Hinterseer den Sport als beste Schule des Lebens. Er hatte viel Erfolg, musste aber auch Niederlagen einstecken, und er musste früh den Umgang mit Erfolg, Misserfolg und auch den Journalisten lernen. „Sport ist immer ein Auf und Ab, und da musst du auch mit den Journalisten klarkommen. Ich habe immer versucht, ein gutes Verhältnis zu ihnen zu haben. Wir brauchen uns gegenseitig. Wenn das Miteinander funktioniert, auf ehrliche und anständige Weise, dann ist das gut. Familie ist privat, und das soll auch so bleiben“, so Hinterseer.

Eine neue, völlig unerwartete Phase begann 1993, als er mit dem deutschen Musikproduzenten Jack White in Kontakt kam. White hatte ein Haus in Kitzbühel gekauft, „und wir sind immer mehr zusammengekommen, sind Freunde geworden“, so Hinterseer. Eines Tages hat White ihm die Möglichkeit ge­boten, ein Lied aufzunehmen. „Zuerst wollte ich nicht, aber meine Frau sagte: ‚Warum nicht, versuch es doch mal!‘ – und alles andere ist ­Geschichte.“

Nicht lange danach unterschrieb Hinterseer einen Vertrag mit der Bertelsmann Group (heute Sony BMG). Seine Single „Du hast mich heut’ noch nicht geküsst“ wurde 1994 veröffentlicht, stürmte auf Platz eins der volkstümlichen Hit­parade im ZDF und markierte den Anfang von Hinterseers zweiter Karriere – mit Hits wie „Wenn man sich lieb hat“, „Ich warte auf dich“, „Amore Mio“ und „Beim Alpenglühn und Edelweiß“. Er konnte sich ­diesen Erfolg vor 1993 gar nicht vorstellen: „Nie hätte ich daran gedacht!“, sagt er. Und: „Mit den Liedern muss man schauen, dass man bei den Menschen gut ankommt. Dann entscheiden die Fans, ob du erfolgreich bist.“ Die Fans haben eindeutig entschieden: Hinterseer wurde bisher 30-mal mit Gold- oder Platin-Schallplatten der öster­reichischen, schweize­rischen und deutschen IFPI (International ­Federation of the Phono­graphic Industry) aus­gezeichnet, gewann 2004 den deutschen „Echo“-Preis und wurde mehrfach mit der „Krone der Volksmusik“ geehrt.

Hansi Hinterseer ist aber nicht der Einzige in der Welt des sportlich-musikalischen Mixes – auch das 50er-Jahre-Skiass Toni Sailer war nicht nur auf der Piste, sondern auch in der Musik- und TV-/Film-Szene aktiv. Dasselbe gilt für Karl Schranz und Annemarie Moser-Pröll, die beide Schall­platten produziert haben; Hinterseers Produzent Jack White war Fußballer. Woran liegt das, dass so viele Sportler nach ihrem Karriereende Sänger werden? „Gute Frage“, antwortet Hinterseer. „Ich glaube, es gibt immer Leute, die irgendein Talent haben und vielleicht durch Glück die Chance bekommen, bei solchen Pro­jekten mitzumachen.“

Musik und Sport haben für Hinterseer durchaus Ähnlichkeiten, sagt er: Beide brauchen Konzentration, Kondition, Disziplin und eine gewisse Lockerheit in der Performance. „Genau das ist entscheidend. Im Sport bist du am Start oben, und dann musst du deine Leistung bringen. Beim Singen ist es dasselbe: Du gehst auf die Bühne, bist allein und musst performen. Wenn du nicht gut drauf bist, wenn du verkrampft bist, dann funktioniert die Maschine nicht.“

Neben seinem Erfolg in der Musikwelt hat sich Hinterseer auch in der Film- und Fernseh­industrie einen Namen gemacht. Er hat zwischen 1996 und 2012 in elf Heimatfilmen die Hauptrolle gespielt, bezeichnet sich selbst jedoch nicht als Schauspieler. „Ich bin kein Schauspieler im ­eigentlichen Sinn. Ich habe durch meine Bekanntheit, durch das Drehbuch, das zu mir passt, die Chance bekommen, diese Rollen zu spielen“, sagt er. „Letztendlich glaube ich, es kommt immer auf dich selbst an. Bist du bereit, das zu machen, oder sagst du von vornherein: ‚Das ist nichts für mich!‘ Ich habe immer gesagt: ‚Okay, warum nicht? Was habe ich zu verlieren? Pro­bieren wir’s.‘“

Etwas nachzumachen ist nicht gut, weil du dann immer nur der Zweite bist.

Hansi Hinterseer

Durch seine Bekanntheit machte ­Hinterseer Kitzbühel vor allem zwischen 2002 und 2011 zum globalen Tourismusmagneten. Zehn Jahre lang veranstaltete er eine damals schon legendäre Wanderung mit seinen Fans. Tausende Menschen reisten dafür an; in Kitzbühel herrschte Hansi-Hinterseer-Fieber. „Am Anfang habe ich alles selbst organisiert – und bemerkt, dass viele Fans eine Woche vorher anreisen und dann noch zwei Wochen bleiben“, erinnert er sich. Die Hotels in Kitzbühel waren voll, die Menschen genossen ihre Zeit. „Das war eine unglaublich schöne ­Woche“, so Hinterseer heute. Besucher aus allen Ecken der Welt, von Dänemark bis in die USA, reisten an, um Teil dieses Erlebnisses zu werden.

Das Erlebnis ist heute als ein Symbol der Wertschätzung und des Respekts – nicht nur ­untereinander, sondern auch gegenüber der ­Natur – in Erinnerung geblieben. 2011 aber war die schöne Zeit zu Ende. „Leider scheiterte es an den Zuständigen, den Herren von Kitzbühel“, erklärt Hinterseer. „Sie wollten den Vertrag nicht ver­längern, was wir bis heute nicht verstehen, denn alles lief super. Aber sie wollten nicht mehr. Dann habe ich gesagt: ‚Okay, dann lassen wir’s.‘“

Mit oder ohne Fanwanderungen hat ­Hinterseer eine starke Verbindung zu den ­Menschen um ihn herum, seien es die Menschen, mit denen er arbeitet, seien es seine Fans. Was sich durch Hinterseers ganzes Leben ziehe, seien seine gute Laune, solide Beziehungen und der Mut, nur das zu tun, was er tun will, sagt er. Er möchte mit den Menschen und der Natur verbunden sein, und er interessiert sich für die künstlerischen Seiten seiner Arbeit, nicht so sehr für den geschäftlichen Bereich. Die Eintragung seiner Marke „Hansi Hinterseer“ im Jahr 2006 erfolgte aus dem Bedürfnis heraus, seinen Namen vor Missbrauch zu schützen. Das Geschäftliche überlässt er Vertrauten, die ihn seit vielen Jahren begleiten, aber letztlich unterschreibt er alles selbst. Er ist seinen Partnerunternehmen eng verbunden. Wenn sich eine Kooperationsmöglichkeit ergibt, müssen die potenziellen Partner zu seinen zentralen Werten passen: Nachhaltigkeit und Naturschutz.

Mit einer Karriere, die bereits über fünf Jahrzehnte andauert, hat Hinterseer es geschafft, sich immer wieder neu zu erfinden, ohne seine Authentizität zu verlieren. „Ich glaube, es ist wichtig, dass man das macht, was man gerne macht, und sich nicht verbiegen lässt“, sagt er. „Das war immer meine Stärke und ein wichtiger Teil meiner Karriere. Etwas nachzumachen ist nicht gut, weil du dann immer nur der Zweite bist.“

Johann Ernst „Hansi“ Hinterseer ist ein österreichischer Entertainer und ehemaliger alpiner Skirennläufer, der am 2. Februar 1954 in Kitzbühel, Tirol, geboren wurde. Berühmt wurde er nicht nur durch seine Skikarriere, sondern auch durch seine zweite Laufbahn als Sänger, Schauspieler und Fernsehmoderator.

Fotos: Dirk Bruniecki
Infografik: Valentin Berger, Emin Hamdi

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