Auf der Suche nach der ewigen Jugend

Der Unternehmer Bryan Johnson will den Alterungsprozess seines Körpers umkehren. Durch strenge Diäten, harte Work-outs und teils schmerzhafte Therapien hat der 45-Jährige tatsächlich den Organismus eines Teenagers wiedererlangt – das sagen zumindest die Daten. Doch warum tut sich Johnson das an?

Neulich hat sich Bryan ­Johnson ein paar Tage Urlaub gegönnt: Mit seinem 19-jährigen Sohn machte er einen Roadtrip durch den mexi­kanischen Bundesstaat Baja Cali­fornia. Für den 45-jährigen US-­Unternehmer aus Kalifornien war die Reise nach Süden eine seltene Abwechslung von seinem Alltag als „Versuchs­kaninchen“ – diesen eher un­charmanten Begriff (bei Johnson in der englischen Version „guinea pig“) nutzt der Amerikaner übrigens selbst, um sich und seine Mission zu beschreiben.

Auch im Urlaub hielt sich ­Johnson strikt an sein Anti-Aging-Programm: Jeden Tag trug er etwa sieben verschiedene Cremes auf,
um seine Haut vor den negativen Effekten von zu viel Sonne zu schützen. Nach der Rückkehr unterzog er sich dennoch einer Lasertherapie, um mögliche Hautschäden durch UV-Licht zu korri­gieren. Während des Trips befolgte Johnson auch sein strenges Er­nährungsprogramm: Tacos und Enchiladas rührte er nicht an, dafür hatte er seine wichtigsten veganen Lebensmittel im Ge­päck: Avocados, probiotische Joghurts auf Pflanzenbasis und kalt gepresstes Olivenöl. Auch seine täglichen Work-outs und seine festen Schlafzeiten hielt er ein.

Dank der Reise konnte Johnson nicht nur Zweisamkeit mit seinem Sohn erleben, er kam auch zu einer sehr erfreulichen Erkenntnis: Hin­sichtlich Fitness, Wohlbefinden und der generellen körperlichen Ver­fassung konnte er keinerlei Unterschiede zu seinem Sohn feststellen. Betrachtet man noch dazu medi­zinische und biologische Daten wie die Lungenkapazität oder die Funk­tionstüchtigkeit der inneren Organe, sei der Trip nicht der Ausflug von Vater und Sohn ge­wesen, sondern die Tour zweier Teenager.

Bryan Johnson ist ein Mann mit schmalem Gesicht und schulterlangen Haaren; er hat den Körper eines Asketen, seine Stimme klingt überraschend hell. Der Amerikaner widmet sich seit zwei Jahren einem Ziel, das man als revolutionär be­zeichnen kann: Er will sich selbst und der Menschheit das ewige Leben schenken. Er wage sich in unbekanntes Territorium vor, er­klärt Johnson, wie einst Ko­lum­bus, Shackleton und die anderen ­großen Entdecker – wobei Johnson nicht hinter dem Horizont oder im ewigen Eis nach neuen Welten sucht, sondern in den Tiefen des menschlichen Organismus.

Der im kalifornischen Venice lebende Unternehmer hat dafür ­„Project Blueprint“ begründet, eine radikale Verjüngungskur. Sein Ziel ist klar definiert: Er will Gehirn, Herz, Lunge, Leber, Nieren, Sehnen, Zähne, Haut, Haare, Blase, Penis und Rektum eines 18-Jährigen haben. Glaubt man den detaillierten Kör­perwerten, die rund 30 Medi­ziner und Experten rund um die Uhr auslesen und analysieren, ist John­son diese Verwandlung in vielen Bereichen tatsächlich gelungen.

„Alle wichtigen Biomarker be­stätigen, dass ich den Körper eines Teenagers habe“, sagt Johnson – mal abgesehen von seinen Haaren, die er braun färbt. Allerdings habe sich auch hier die Anzahl der grauen Stellen um 80 % reduziert. John­son ist für einen 45-­Jährigen sehr schlank, sein Körperfettanteil liegt zwischen 5 und 6 % – selbst Hochleistungs­athleten haben mehr Fettpölsterchen. Doch Johnsons ausgeprägte Muskeln sind nur äußere Kenn­zeichen. Beeindruckender finden Mediziner die Vitalität seiner inneren Organe: Johnson habe das Herz eines 37-Jährigen, die Haut eines 28-Jährigen und tatsächlich die Fitness eines sport­lichen Teenagers, wie sein Ärzteteam be­stätigt.

Johnson habe die Alterung somit nicht nur aufgehalten oder zumindest pausiert, er habe den Prozess teilweise sogar umgekehrt. „Die Ära der Longevity ist ge­kommen“, erklärt Johnson – er sieht sich als Pionier der Lang­lebigkeit und Selbstoptimierung.

Ein langes und beschwerde­freies Leben ist eine universelle Hoffnung – und eine Milliarden­industrie. Seit 2020 ist die Branche um 77 % gewachsen, allein im ver­gangenen Jahr wurden mehr als fünf Mrd. US-$ in Unternehmen investiert, die über das Altern forschen oder Produkte, Supplements, Diagnostik-Tools und andere Technologien entwickeln, die diesen eigentlich unvermeidlichen Prozess möglichst hinauszögern und angenehm gestalten sollen.

Besonders gefragt bei Inves­toren sind Firmen, die zu Analyse- und Diagnostikwerkzeugen forschen: Das US-Start-up Brainkey bietet etwa individuelle Gehirnscans an, auch zur Vorbeugung von Alz­heimer, Gerostate Alpha ent­wickelt personalisierte Medi­­­­­­ka­mente, Novos neu­artige Supplements; bei Occuity arbeiten Ex-Apple-Mitarbeiter an einem Scanner, der Blut­zuckerwerte an den Augen auslesen kann.

Mancher Pitch klingt nach Quacksalberei, unbestritten ist aber das enorme Wachstumspotenzial von individuellen Gesundheits­konzepten, befeuert durch den Einfluss von Longevity-Gurus im Netz. Zu diesen gehört auch Bryan Johnson, der natürlich auch seine eigenen Produkte vertreibt: Seit 2016 arbeitet sein Unternehmen Kernel an Helmen, die die Gehirn­aktivität analysieren und auswerten. Mit den Gadgets sollen die Aus­wirkungen von Meditation und Halluzinogenen erforscht werden, um chronische Schmerzen zu lindern. Johnson investiert mit seinem Venture-Capital-Unter­nehmen auch in andere Biotech-­Firmen – zu In­vestmentvolumen und Umsätzen will er nichts sagen.

Sein wichtigstes Investment ist ohnehin die Forschung am ei­genen Körper, und diese kostet rund zwei Mio. US-$ im Jahr. Ein Team von 30 Ärzten und Experten betreut Johnson, überwacht Hunderte Biomarker und plant minutiös seinen Alltag. Das Team wird von Oliver Zolman angeführt, einem 29-jährigen Arzt und Spezialisten für regenerative Medizin. Zolman und Johnson werten Studien zur Langlebigkeit und Zellalterung aus und wenden sie bei Johnson an – dafür haben sie Johnsons Anwesen in eine Spezialklinik umbauen lassen.

Der Unternehmer sagt: „Mein Ziel ist es, dass jeder Mensch von unserer Forschung profitieren kann. Unsere Arbeit soll der Menschheit dienen.“ Sein Programm ist auf seiner Website gratis zu haben, das Nachahmen ist ausdrücklich empfohlen. Der Schlüssel zur Ver­jüngung sei frei verfügbar; zumindest, sofern man Johnsons Zeit, Energie und Ressourcen hat.

Bryan Johnson und sein 19-jähriger Sohn Talmage.

Der Tag beginnt für Johnson um fünf Uhr morgens. Sein Frühstück besteht aus zwei Dutzend Nahrungs­ergänzungsmitteln und Medikamenten: Lycopin für Ar­terien und Haut; Metformin zur Vorbeugung von Darmpolypen; Kurkuma, schwarzer Pfeffer und Ingwer­wurzel, um die Funktionen der Leber zu fördern und Entzündungen zu hemmen; Zink, um die fleisch­lose Ernährung zu ergänzen; eine Mikrodosis Lithium, damit das Gehirn fit bleibt.

Johnson nimmt jeden Tag genau 1.977 vegane Kalorien zu sich. Auf das Essen folgt eine intensive Zahnpflege, eine Munddusche mit Teebaumöl und ein antioxidatives Gel für das Zahnfleisch. Der übrige Tag ist mit der Analyse und Aus­wertung Dutzender Körperwerte ausgefüllt: Gewicht, Body-Mass-­Index, Körpertemperatur, Blut­zucker in Wach- und Schlafphasen, Herzfrequenzschwankungen und Sauerstoffsättigung. Hinzu kommen Ganzkörper-MRTs und Ultraschalluntersuchungen mit Fokus auf Nieren, Prostata, Schilddrüse und Nervensystem.

Jeden Tag macht Johnson eine Stunde Sport, dreimal pro Woche mit hoher Intensität. Er geht jeden Tag zur selben Zeit schlafen und trägt vorher eine Brille, die von Bildschirmen ausgehendes Blau­licht blockiert. Dieses Licht hat offenbar einen negativen Effekt auf unseren Organismus, weil es den Schlaf-wach-Rhythmus stört. Auch Sportstars wie Erling Haaland tragen Blaulichtfilter, wenn sie spätabends noch durch ihren Instagram-Feed wischen.

„Alle wichtigen Biomarker bestätigen, dass ich den Körper eines Teenagers habe“, sagt Bryan Johnson.

Johnson gründete vor rund 15 Jahren den Zahlungsabwickler Braintree Payment Solutions LLC. Als Unternehmer hatte er schnell Erfolg, doch dieser hatte auch einen hohen Preis: Überstunden und Stress führten zu Übergewicht, Depressionen und Selbstmordgedanken; als Vater von drei kleinen Kindern fühlte er sich im Alltag überfordert. 2013 ver­kaufte Johnson seine Firma für 800 Mio. US-$ an E-Bay – und hatte die Zeit und das Geld für einen Selbstfindungstrip. Sein Interesse an Biologie und Medizin wurde zu einer neuen Obsession.

Der Mediziner und Longevity-Forscher Andrew Steele hat Zweifel, ob und inwiefern Johnsons Projekt zur Nachahmung empfohlen werden kann. Da Johnson viele Behand­lungen und Methoden gleichzeitig anwende, sei nicht zu sagen, was wirke – und wie. Auch Johnson habe nicht das Elixier für die ewige Jugend gefunden, denn abgesehen von Bewegung und Ernährung gebe es weiterhin nichts, bei dem man sicher sagen könne: Dieser Trick verlangsamt das Altern. Auch unsere Gene haben einen hohen Einfluss auf die Art, wie wir altern. Andere Mediziner glauben, dass der menschliche Körper nicht darauf ausgerichtet sei, älter als 100 Jahre alt zu werden – da könne man noch so viel Sport treiben und Kalorien reduzieren.

Johnsons Vision ist ein Leben, in dem wir nicht mehr über Well­ness und Gesundheit nachdenken müssen: Die Datenanalyse nach dem Aufstehen sagt uns, wie der Schlaf war, welche Stoffe unser Organis­mus braucht, welche Therapie das Zwicken im Rücken oder den Schmerz im Knie auslöscht, welches Supplement unsere Verdauung optimiert und welcher Smoothie das Work-out ideal ergänzt. „Gesundheit und Wohlbefinden sollen die Grund­einstellung unseres Lebens werden“, sagt Johnson; Altern sei ein Phänomen der Vergangenheit.

Das wirkt natürlich wenig wissenschaftlich, eher wie das Erlösungsversprechen eines Gurus. Belächeln sollte man Johnson dennoch nicht, zumal er erst am Anfang seines Experiments steht. „Wir haben einen phänomenalen Start hingelegt“, sagt er. Und er versichert: „Niemals zuvor habe ich mich lebendiger gefühlt!“

Johnsons Vision ist ein Leben, in dem wir nicht mehr über Wellness und Gesundheit nachdenken müssen.

Bryan Johnson gründete 2007 den Zahlungsabwickler Braintree Payment Solutions. 2013 verkaufte er das Unternehmen für 800 Mio. US-$ an E-Bay. Aktuell versucht Johnson, mit einem rigiden Regime den Alterungsprozess seiner Zellen zu stoppen.

Fotos: Magdalena Wosinska

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