Auf die Barrikaden

Reparieren statt entsorgen ist Sepp Eisenrieglers Motto. Als Gründer des Reparatur- und Service-Zentrum (R.U.S.Z.) betreibt er Ressourcenschonung und Abfallwirtschaft als unternehmerische Mission.

Im Eingangsbereich des R.U.S.Z, des Reparatur- und Service-Zentrums, in der Lützowgasse im 14. Wiener Gemeindebezirk, überkommt einen ein „Throwback-Gefühl“. Der hellblaue Kaffeeautomat reiht sich ebenso in die Déja-vus ein wie die Transistorradios auf den Regalen, deren Displays europäische Städte von London bis Paris anzeigen und die daran erinnern, dass einst das Radio das Fenster zur Welt gewesen ist. Die schwarze Ledercouch ist auch schon in die Jahre gekommen wie einige der zahlreichen Waschmaschinen und Wäschetrockner, die zur Abholung oder Lagerung bereitstehen. Wir sind im Wiener Epizentrum der reparaturfähigen Haushaltsgeräte und Liebhaberstücke: Rund 20.000 Geräte sind im R.U.S.Z. gelagert, harren ihrer erneuten Instandsetzung oder dienen als Ersatzteillager.

Seit mehr als 30 Jahren widmet sich sein Gründer, Sepp Eisenriegler, der Kreislaufwirtschaft – tat dies schon zu Zeiten, als der Begriff, der heute als Gegenentwurf zur Linearwirtschaft postuliert wird, nur wenigen geläufig war. Die Arbeit für eine Abkehr vom „kapitalistischen Wirtschaftssystem als Hauptverursacher des Konsumrausches“ und der damit einhergehenden Wegwerfgesellschaft betreibt Sepp Eisenriegler mit geradezu missionarischem Eifer – und arbeitet sich an einer zentralen Frage ab: „Wie kommen wir zu einer Postwachstumsökonomie?“ Als „überraschend verschwenderisch“ bezeichnet auch die viel zitierte Studie der Ellen MacArthur Foundation von McKinsey und dem Endowment Fund for Environmental Economics and Sustainability (SUN) das Wertschöpfungsmodell der europäischen Wirtschaft nach dem linearen Einwegmodell „Abbauen, Produzieren, Wegwerfen“. Die Studie errechnet nämlich zusätzliche Erträge von 1,8 Billionen €, die bis 2030 erwirtschaftet werden könnten, würde man den Prinzipien der Kreislaufwirtschaft folgen. Ein potenzielles Plus von 0,6 Billionen € könnte sich durch Produktivitätssteigerung durch neue Technologien ergeben. Die restlichen 1,2 Billionen € gehen vom Potenzial rohstoffunabhängiger, externer Auswirkungen der Kreislaufwirtschaft aus – von Rücknahme, Wiederverwendung, Wiederaufbereitung bis hin zu Recycling.

Eisenriegler machte bereits vor 30 Jahren abseits der damals schwelenden Verpackungs-
Abfall-Diskussion auf den massiv anwachsenden Elektroschrott aufmerksam. Und zwar im Rahmen seiner Tätigkeit in der Umweltberatung, die 1988 eröffnet wurde, und später als Obmann der länderübergreifenden DACH-Organisation „Umweltberatung Österreich“ für die Fachabteilung Abfallwirtschaft und Ressourcenschonung. Zu dieser Zeit arbeitete Eisenriegler schon an der Gründung des R.U.S.Z., das die ersten zehn Jahre seines Bestehens als sozial-ökonomischer Betrieb mit Fördermitteln aus der Europäischen Union (EU) und in Kooperation mit dem AMS geführt wurde – und danach eigenständig war. „Die Reparaturwerkstätte war damals eher Methode, um die Langzeitarbeitslosen zu schulen, zu betreuen und danach auch weiter zu vermitteln“, so Eisenriegler heute. Zupass kam allerdings, dass es „damals keine Reparaturwerkstätten gab, lediglich verpflichtende Kundendienste und dergleichen“. Man wollte eigentlich nie wirklich reparieren, so Eisenriegler. Wenn man jedoch darüber nachdenke, dass die Umweltbelastung zu 53 Prozent bei Produktion und Distribution entsteht, müsse man zu dem Schluss kommen, Geräte, die man ohnehin schon besitze, möglichst lange zu nutzen – wenn diese von hoher Qualität, also reparaturfähig, seien.

„Die meisten Waschmaschinen halten nur drei bis fünf Jahre“, so Eisenriegler zur „geplanten Obsoleszenz (Sollbruchstellen) als Treiber eines wachstumsgetriebenen Wirtschaftssystems“. „Das Einfachste wäre, wenn Produzenten ihre Geräte nicht verkaufen, sondern zur Nutzung überlassen würden – als Produktdienstleistung.“ Ein Modell, dass das R.U.S.Z. seit zwei Jahren selbst anbietet und das im B2B-Bereich gut funktioniert, so Eisenriegler. Im Privatbereich – mit aktuell 55 Verträgen – allerdings weniger. Für Expats etwa sei dieses Modell planbar, kalkulierbar und praktisch, da keine Übersiedlung von Geräten anfalle. Das alles um 350 € Kaution und – je nach Nutzung – einer monatlichen Miete von 18 €, allfällige Reparaturen inklusive. Da brauche es allerdings noch einiges an Umdenken. „Letztlich“, so Eisenriegler, „wird aber auch die Kreislaufwirtschaft unser Hauptproblem nicht lösen – nämlich die Abschaffung von Wachstum. Aber sie wird zumindest den Ressourcenverbrauch von unserem Lebensstandard abkoppeln.“

Text: Heidi Aichinger
Fotos: Florian Rainer / eiland.wien

Dieser Artikel ist in unserer Dezember-Ausgabe 2018 „Sharing Economy“ erschienen.

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