AUF HÖHENFLUG

Mit seinem Start-up Parallel setzt der Kaugummi-Erbe und Milliardär Beau Wrigley nicht nur darauf, Konsumenten zu berauschen, er glaubt auch, dass Marihuana als Lebensretter fungieren kann – und kündigt an, dass seine Cannabis-Firma größer als das Süßwarenimperium seiner Familie werden wird.

Als der Milliardär William „Beau“ Wrigley Jr. im Jahr 2017 vom Geschäftsführer seines Family Offices, Jay Holmes, Cannabis als neue Investitions­möglichkeit vorgeschlagen bekam, wollte er eigentlich nichts damit zu tun haben. „Ist das dein Ernst?“, fragte er. „Ich reiße mich nicht gerade ­da­rum, möglicherweise im Gefängnis zu landen.“ Dennoch konnte Wrigley, Erbe des gleichnamigen amerikanischen Kaugummi-Imperiums, nicht leugnen, dass die aufkeimende legale Marihuana-Industrie alle seine Investitionskriterien erfüllte: ein Trend im veränderten Verbraucherverhalten, ein sich wandelndes regulatorisches Umfeld und vielfältige Anwendungen im Gesundheitswesen. Also überdachte Wrigley den Vorschlag noch einmal. Er beauftragte Holmes, ein Unternehmen in diesem Bereich zu ­suchen – dieser wurde mit Surterra Wellness in Wrigleys Heimat Florida fündig.

Wrigley und sein Team besuchten die ­größte Anlage des Unternehmens, in der die Cannabis­blüten angebaut werden, einen 180.000 Qua­drat­meter großen Betrieb außerhalb von ­Tampa. Einen Raum voll mit Cannabis hatte der 57-­jährige Wrigley, der von sich sagt, nur einmal in seinem Leben Gras geraucht zu haben, noch nie ­gesehen. Nach der Inspektion der Anbaufläche stieg das Team – die Kleidung durchdrungen vom ­süßen, stechenden Geruch der Pflanzen – wieder ins Flugzeug nach Hause. „Niemand wusste, wo wir gewesen waren. Ich glaube, sie dachten alle, wir waren unterwegs, um high zu werden“, erinnert sich Wrigley auf der Terrasse seines Anwesens in North Palm Beach an der Lagune von Lake Worth sitzend. Kurz nach diesem Ausflug leitete er eine 65-Millionen-US-$-Investitionsrunde für Sur­terra ein, und im November 2018 löste er den Mitgründer des Unternehmens als CEO ab. Umbenannt in Parallel besitzt Wrigleys Unternehmen nun 42 Apotheken in drei Staaten, davon 39 in ­Florida und die restlichen in Massachusetts und Nevada. Weitere Neueröffnungen sind in Penn­sylvania und Texas geplant. Bis heute hat das Unternehmen insgesamt 400 Millionen US-$ akquiriert, hauptsächlich durch Wrigley und weitere vermögende Privatpersonen. Die letzte Finanzierungs­runde, die 2020 abgeschlossen wurde, steigerte den Wert des Unternehmens – das 2020 einen Umsatz von 250 Millionen US-$ erwirtschaftete – auf zwei Milliarden US-$. Im Jahr 2019 gab ­Parallel mehr als 100 Millionen US-$ für das in Boston ­ansässige Start-up Molecular Infusions aus, das an einem THC-haltigen Seltzer (kohlensäurehaltiges Mineralwasser) arbeitet. Parallel befindet sich ­außerdem auch in Gesprächen über eine rund 150 Millionen US-$ teure Übernahme einer Apothekenkette in Chicago.

In nur drei Jahren hat Wrigley Parallel in eine neue Art von Cannabis-Unternehmen verwandelt. Im Zuge seiner Mission, die erste Mainstream-­Marihuana-Marke aufzubauen, besetzte er sein Management mit Führungskräften und Beratern aus einigen der größten und ­bekanntesten Unternehmen der Welt – darunter Coca-Cola, Walgreens und Patrón Spirits. Wrigley glaubt, mit seinem ­Cannabis-Konzern eines Tages das Kaugummi-­Imperium seiner Familie, das er 2008 für 23 Mil­liarden US-$ an Mars, Inc. verkaufte, übertrumpfen zu können.

Parallel ist momentan weder die ­größte Cannabis-Firma in Amerika (Curaleaf aus Massachusetts befindet sich an der Spitze) noch die größte in Florida (das ist Trulieve), doch das Unternehmen wurde langsam und methodisch aufgebaut und seine Strategie unterscheidet sich beispielsweise deutlich von jener Curaleafs: Statt im ganzen Land Agrarflächen zu besetzen, hat sich Wrigley hauptsächlich auf Florida – den „New York South“, wie er es nennt – konzentriert. Dort ist medizinisches Marihuana legal. Florida hat eine wachsende Bevölkerung (von derzeit 21 Millionen) und mehr als 100 Millionen Besucher pro Jahr. Wrigley erwartet mit der Legalisierung von Cannabis für den Freizeitgebrauch einen Wachstumsschub um das Zehnfache für sein Unternehmen. Der verborgene Wert von Parallel liegt in den getätigten Investitionen der Firma in Forschung und Entwicklung, sowohl im medizinischen als auch im Freizeitbereich. Das Unternehmen schloss 2019 eine exklusive Partnerschaft mit dem Biopharmaunternehmen Eleszto Genetika in Budapest, Ungarn, ab. Durch einen mikrobiellen Prozess auf Hefebasis kann Eleszto Genetika seltene Cannabinoide genetisch sequenzieren und spezifische Effekte im kommerziellen Maßstab erzeugen. Ein zukünftiges Produkt, von dem Wrigley begeistert ist, ist CBN, ein Cannabinoid, welches helfen soll, den Schlaf zu verbessern.

Beau Wrigley
... Der Milliardär und Unternehmer Beau Wrigley übernahm 1999 im Alter von 35 Jahren das familiengeführte Kaugummi-Imperium Wrigley Co. 2008 verkaufte er es an Mars, Inc. und übernahm 2018 den CEO-Posten der Cannabis-Firma Surterra Wellness, welche er in Parallel umbenannte.

Auch die Substanz THCV (Tetrahydrocanna­bivarin) wird untersucht. Diese hat die gleiche ­euphorisierende Wirkung wie THC (Tetrahydrocannabinol), die wichtigste psychoaktive Verbindung in Cannabis – unterdrückt allerdings den ­Appetit. Das bedeute, dass es nach deren Konsum nicht zu „Hungerattacken“ komme, betont Wrigley. Die Idee sei es, einen kalorienfreien Alkohol­ersatz zu schaffen, „mit dem man sich besser fühlt, der nicht süchtiger macht als eine Tasse Kaffee und keine Nebenwirkungen hat“, fügt er hinzu und meint, dass Cannabinoide das ­Potenzial haben, die „­Lebensqualität“ zu verbessern, sei es durch die Linderung von Schmerzen, die Verringerung von Angstzuständen oder die Förderung ­einer guten Nachtruhe. Parallel habe einen Vorteil, den kein anderes Cannabis-Unternehmen hat: den Namen Wrigley. Morgan Paxhia, Mitgründer einer in San Francisco ansässigen 150-Millionen-US-$-Cannabis-Investmentfirma, glaubt, dass Wrigley die besten Voraussetzungen hat, ein erfolgreiches Mainstream-Cannabis-Unternehmen aufzubauen. „Es ist in seiner DNA verankert“, sagt Paxhia. „Mehrere Generationen, familiengeführt – so bauen wir große, lang­lebige Marken auf.“

 

BEAU WRIGLEY IN ZAHLEN
(Quelle: Forbes US)

Wrigley wurde in eine der großen amerikanischen Geschäftsdynastien hineingeboren. Sein Urgroßvater, William ­Wrigley Jr., ­gründete 1891 die William Wrigley Co. als Hersteller von ­Seife, schwenkte aber 1893 um und ­produzierte stattdessen Kaugummi. Das Unternehmen wurde von Generation zu Generation weitergegeben, Beaus Vater führte es bis zu ­seinem Tod im März 1999. Beau, der im Alter von 13 Jahren während seiner Sommerferien in der Firma zu arbeiten begann, war 35 Jahre alt, als er am Tag nach dem Tod seines Vaters CEO und Vorsitzender wurde.

Wrigley wird ­zugeschrieben, ­einem 100 Jahre alten ­Familienunternehmen ­neues Leben eingehaucht zu haben, indem er dazu beitrug, die natürliche Kaugummiformel durch eine kostengünstigere synthetische ­Basis zu ersetzen und die Reich­weite durch den Erwerb der Bonbonmarken Life Savers (ringförmige Bonbons mit Pfefferminz- oder Fruchtgeschmack) und Altoids (Pfefferminzbonbons) zu vergrößern. Im Oktober 2008 schloss ­Wrigley das Geschäft seines Lebens ab – er verkaufte Wrigley Co. an Mars, Inc., ein weiteres Unternehmen im Besitz einer Milliardärsfamilie.

Ähnlich wie Wrigley Co. hat auch ­Parallel globale Ambitionen. Laut einem Investitions­dokument, das Forbes vorliegt, prüft Parallel ­Lizenzen für den Cannabis- und Hanfanbau in Südostasien. (Wrigley gibt zu, dass er mit Regierungsvertretern in der Region gesprochen hat, ­betont aber, dass sich die Gespräche während der Coronapandemie verlangsamt haben.) Obwohl ­Marihuana nach US-Bundesgesetzen immer noch illegal ist, haben 43 Staaten ihre eigenen legalen ­Märkte geschaffen. Mit der Kontrolle des ­Kongresses durch die Demokraten scheint eine ­nationale ­Legalisierung wahrscheinlicher denn je. „Ich betrachte unser Geschäft nicht als illegal“, sagt Wrigley. „­Momentan ist es leider gefangen in einem ­politischen Sumpf.“

Wrigley, der ein Nettovermögen von 3,1 Milliarden US-$ besitzt, freut sich, Teil einer Branche zu sein, die sich vom Schwarzmarkt in eine ­legale Industrie verwandelt hat. Wrigley glaubt, Parallel zum ersten Goldstandard-Cannabis-Unternehmen der Welt machen zu können. Er möchte die Sichtweise der Amerikaner auf Marihuana ähnlich verändern, wie Wynn das Image von „Sin City“ verändert hat. „Es geht nicht darum, high zu werden“, erzählt er, „es geht um Lebensqualität.“

Text: Will Yakowicz / Forbes US
Fotos: Jamel Toppin / Forbes US

Dieser Artikel erschien in unserer Ausgabe 2–21 zum Thema „Health & Wealth“.

Up to Date

Mit dem FORBES-NEWSLETTER bekommen sie regelmässig die spannendsten Artikel sowie Eventankündigungen direkt in Ihr E-mail-Postfach geliefert.