Auf in den Kampf

Winzerin, Unternehmerin, politische Leitfigur: Die Argentinierin Susana Balbo will als Vorsitzende der „Women 20“ nicht nur Frauen wirtschaftlich stärken, sondern auch die Chancen für ihr Land in den Mittelpunkt rücken.

Susana Balbo nahm in ihrer Karriere schon immer eine Vorreiterrolle ein. Die Argentinierin, aufgewachsen in der Stadt Mendoza im Westen des Landes, schloss 1981 ihr Masterstudium in Weinbau an der Universität Don Bosco (UDB) ab – als erste Frau des Landes, wohlgemerkt. Dabei wäre daraus fast nichts geworden, denn ursprünglich wollte Balbo Kernphysik in Bariloche, rund 1.200 Kilometer südlich von Mendoza gelegen, studieren. Ihre traditionelle Familie, im Speziellen ihr Vater, ließ sie jedoch nicht gehen. Darüber spricht Balbo in Interviews, so wie auch an diesem sonnigen Sonntag in der Nähe der Puente de la Mujer („Frauenbrücke“) in Buenos Aires, weniger gerne – dann schon viel lieber über ihre berufliche Laufbahn. Denn der Einstieg in die Weinindustrie machte sich für Balbo langfristig bezahlt – und sie selbst über die Landesgrenzen hinweg bekannt. „Ich entschied mich dafür, mein Leben der Weinbranche zu widmen – und bereue es nicht.“ So begann die Argentinierin, in Cafayate in der Provinz Salta am Weingut Michel Torino zu arbeiten, einem der heute größten des Landes. Dort musste sie sich ihren Respekt in einer damals männer­dominierten Branche zwar erst einmal hart erarbeiten. Doch durch die Weiterentwicklung des Torrontés-Weins, einer argentinischen Weißwein­spezialität, machte sie sich schnell einen Namen. PanAm Airlines kaufte diese Art Wein damals etwa für seine Kunden.

 

Ihre weiteren Stationen, welche Balbo wiederum nach Mendoza führten, waren nicht minder wichtig für sie: Bei Bodega Martins stieg Balbo bis zum General Manager auf, bei Bodega Catena Zapata, einem der größten argentinischen Premiumwein-Produzenten, bis zum Export and Quality Control Manager der Catena-Zapata-Gruppe. Seitdem war Balbo auch viel im Ausland unterwegs und arbeitete etwa als Beraterin in Chile, Spanien, Italien, Brasilien oder Australien – wiederum als erste ar­gentinische Frau. Doch dies alles war ihr nicht genug, und auch in der Branche mehrten sich die Stimmen, Balbo müsse ihren eigenen Betrieb starten.

1999 war es dann endlich so weit: Mit der Gründung von Susana Balbo Wines erreichte ihre berufliche Laufbahn ihren bisherigen Höhepunkt. Ihr Fokus lag in erster Linie auf dem Aufbau eines entsprechenden (internationalen) Marktes, dann erst sollten Investitionen in das Weingut folgen. Heute exportiert ihr Weingut Dominio del Plata in der Region Lujan de Cuyo laut der auf Unternehmertum spezialisierten NGO Endeavor 97 Prozent der jährlichen Weinproduktion von 424.000 Flaschen. Hauptabsatzmärkte sind die Vereinigten Staaten, Kanada, Brasilien, Großbritannien und Japan.

Balbo gilt heute als eine der einfluss­reichsten und bekanntesten Weinmacherinnen Argentinens. Dies stellt auch ihre Position als Präsidentin von Wines of Argentina (WofA) zwischen 2000 und 2016 – eine 1993 gegründete Organisation, die sich um das Image von argentinischem Wein in der Welt kümmert – unter Beweis. Doch in den vergangenen Monaten war es etwas anderes als die so stolze argentinische Weinindustrie (2017 war das Land laut dem Daten­anbieter Statista der sechstgrößte Weinproduzent der Welt, Anm.), das ihr vermehrte Medien­präsenz einbrachte: Im Dezember 2017 wurde Balbo offiziell zur Vorsitzenden von Women20 (W20) bestellt, nachdem sie bereits im April dafür nominiert worden war. W20 ist eine 2015 gegründete offizielle Beteiligungsgruppe der G20, der Gruppe der 20 weltweit wichtigsten ­Industrie- und Schwellenländer inklusive der Europäischen Union. „Das war eine große Überraschung für mich“, lacht Balbo. Schritt für Schritt fand sie sich laut eigenen Angaben aber gut zurecht. „Ich habe die Position angenommen, weil ich Herausforderungen mag; ebenso, weil ich Mauricio Macri (Präsident Argentiniens, Anm.) helfen will und die G20 eine große Chance für mein Land sind.“ Der G20-Gipfel findet diesen Dezember unter dem Titel „Building consensus for fair and sustainable development“ in Buenos Aires und damit zum ersten Mal in einem südamerikanischen Land statt. Jede der G20-Beteiligungsgruppen – so auch etwa jene für Wirtschaft (B20), Zivilgesellschaft (C20) und Arbeit (L20) – er­arbeitet politische Empfehlungen, die den G20 im Vorfeld vorgelegt werden, welche wiederum auf die Politik einwirken sollen.

W20 ist ein transnationales Netzwerk, das weibliche Führungskräfte von Unternehmen, aus der Zivilgesellschaft, unternehmerischen Initiativen und Thinktanks zusammenbringt. Ziel ist es, die Gleichstellung der Geschlechter zu stärken, inklusivere Gesellschaften zu schaffen – und eine voll integrierte wirtschaftliche Beteiligung von Frauen sicherzustellen. Im Vorfeld des im Oktober stattfindenden W20-Gipfels wurde ein breit angelegter internationaler Dialogprozess geführt – in Form von Workshops, Expertentreffen und Gesprächsrunden. Aufgrund von vier Round Tables, bei denen jeder der vier Schwerpunkte – Inklusion am Arbeitsmarkt, bei Digitalisierung und Kapital sowie von Frauen in ländlichen Gebieten – behandelt wurde, wurde eine vorläufige Erklärung erstellt. Diese wird am Gipfel in ein finales Dokument, das W20-Kommuniqué, gegossen, welches die politischen Empfehlungen für die G20 enthält. „Dies wird der letzte Akt eines ganzen Jahres an Arbeit sein, in dem wir viel gelernt, großartige Menschen getroffen und dafür gekämpft haben, dass unsere Stimmen gehört werden – und wir wurden gehört“, sagt Balbo. Bleibt also zu hoffen, dass das auch bei den G20 der Fall ist.

Dieser Artikel ist in unserer September-Ausgabe 2018 „Women“ erschienen.

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Redakteur

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