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Gebrauchte Kleidung ist der heißeste Trend in der Textilbranche. Große Marken freuen sich über die Gewinne und ersparen sich Aufwand, indem sie die Arbeit an das kleine Unternehmen Trove auslagern – dieses will jetzt unter der Leitung von CEO Andy Ruben ganz groß werden.

Zu Hunderten auf Paletten ge­stapelt kommen die Pakete jeden Tag an. Der Inhalt ist immer eine Über­raschung: Ein Arcteryx-Winter­mantel, der nicht mehr passt, Patagonia-Stiefel, mit denen letzten Sommer der Pacific Crest Trail bewandert wurde, oder eine Jacke von Taylor Stitch, die aus einer ­Laune heraus gekauft wurde. Unter dem grellen Licht der Scheinwerfer kontrol­liert das Team von Trove die Ware auf kleine Makel und prüft die Echtheit. Anschließend reinigt und fotografiert es die Teile und bereitet ein Online-Listing für jedes Stück vor. Das 80.000-Quadratmeter-Lager­haus außerhalb von San Francisco ist der Dreh- und Angelpunkt für Trove, den Marken-Wieder­verkäufer.

Andy Ruben, 48, Mitbe­gründer und CEO des neun Jahre alten Start-ups, hilft Unternehmen dabei, aus gebrauchten Waren, die Kunden normalerweise in Vintageläden verpfänden oder in Mülldeponien entsorgen würden, Kapital zu schlagen. Denn Trove kümmert sich um die Rücknahme der Waren, die Vorbereitung für den Wiederverkauf, die Verwaltung der Online-Listen und den Versand in den Ver­packungen der einzelnen Marken. Ruben ar­beitet dabei hinter den Kulissen, um Patagonia, REI, Levi’s, Arcteryx, Taylor Stitch und Eileen Fisher mit Resale-Angeboten zu versorgen. Das Unternehmen gibt an, in Gesprächen mit 15 weiteren Marken zu sein und den 20-Millionen-US-$-Umsatz von 2020 dieses Jahr verdoppeln zu können.

Trove beschäftigt mehr als 300 Mitarbeiter, die Tausende von Unikaten sichten und sie für den Wiederverkauf vorbereiten. Durchschnittlicher Verkaufspreis: über 60 US-$.

Secondhandprodukte stellen ein 28-Milliarden-US-$-Geschäft dar, das sich bis 2024 auf 64 Milliarden US-$ mehr als verdoppeln soll, so Thredup, ein in San Fran­cisco ansässiges Online-Versand­unternehmen. Hier ist auch die nächste Generation von Käufern zu Hause: 40 % der Genera­tion Z haben bereits gebrauchte Kleidung, Schuhe oder Accessoires ­gekauft – doppelt so viele wie in der Generation X und bei den Babyboomern. Die plötzliche Lobpreisung gebrauchter Waren durch die Textilindustrie ist die Kehrtwende einer Branche, die lange Zeit die Idee verbreitet und davon profitiert hat, dass Käufer immer die neueste Mode haben müssen. Der Wiederverwertbarkeitstrend hat sogar ein eigenes marketingfreundliches Wort her­vor­gebracht: Recommerce. „Unser Recommerce-Geschäft erfüllt alle Anforderungen, die uns wichtig sind, nämlich immer mehr Kunden mit Produkten zu versorgen und gleichzeitig die Umweltbelastung zu senken“, sagt etwa Ken Voeller, der beim amerikanischen Einzel­handels- und Outdoor-Freizeit­Unternehmen REI für den Verkauf von Secondhandartikeln zuständig ist. Er stellt fest, dass sich das Segment im letzten Jahr verdoppelt hat. Auch bei Patagonia wächst der Anteil gebrauchter Kleidung am 800-Millionen-US-$-Umsatz des Unternehmens immer schneller.

Natürlich ist Trove auf dem Markt des Wiederverkaufs nicht ­allein. Das Unternehmen kämpft gegen eine Vielzahl von Online­marktplätzen, die jahrelang Originalhersteller und Einzel­händler aus dem Geschäft aus­geschlossen haben und nun ver­suchen, sie einzubinden. Thredup, das im Oktober einen vertraulichen Antrag auf einen Börsengang gestellt hat, hat bereits mit Walmart, Macy’s, Gap und anderen Groß­unternehmen begonnen, Platt­formen für gebrauchte Kleidung zu testen. Der Luxus-Onlinemarktplatz The Realreal, der jedes Jahr Waren im Wert von mehr als einer Milli­arde US-$ an den Käufer bringt, führte 2020 einen ähnlichen Test mit Gucci durch. Das Unternehmen Poshmark, das gerade erst an die Öffentlichkeit getreten ist, hat bereits 32 Millionen aktive Nutzer.

Trove ist zwar kleiner, dafür schnell: Das Unternehmen ­ver­dreifachte die Anzahl der ver­arbeiteten Artikel von vergangenem Jahr auf 600.000. Bereits 45 Millionen US-$ von nachhaltigkeits­orientierten Investoren wie der Venture­-Capital-Firma Prelude Ventures und DBL Partners sowie Hermès wurden generiert. „Die Unterscheidung zwischen Neuem und Gebrauchtem ist eine altmodische, die verschwinden wird“, sagt Ruben, der vor Trove Nachhaltigkeits­themen bei Walmart verantwortete. In dieser Position war er zwar sehr erfolgreich, begann aber zu ­spüren, dass seine Bemühungen umsonst waren. Walmart entfernte zum Beispiel 13 % des Harzes aus einer Plastik­gabel, verkaufte dann aber doppelt so viele. „Als Unternehmen haben wir uns gefreut und Erfolge gefeiert, aber als Gesellschaft haben wir an Boden verloren“, so Ruben.

Trove (damals Yerdle) gründete er 2012 zusammen mit Adam Werbach, jüngster Präsident der amerikanischen Naturschutz­organisation Sierra Club, und Carl Tashian, ehemaliger Mitarbeiter des Carsharing-Unternehmens ­Zipcar. Yerdle begann als Peer-to-Peer-Marktplatz für ­Secondhandartikel. Bald konnten die Gründer zwar ein paar Millionen Nutzer ­verzeichnen, gaben aber viel Geld für Social-Media-­Werbung aus und kämpften damit, qualitativ hochwertige Ware zu erhalten.

Ruben schloss den Marktplatz 2016 und überließ das Terrain Poshmark, Thredup und The Realreal, um sich auf den Aufbau eines White-­Label-Dienstes zu konzen­trieren, mit dem Marken und Einzel­händler gebrauchte Ver­sionen ihrer Produkte selbst ver­kaufen können. Tashian verließ das Unter­nehmen 2015; Werbach, der jetzt den Bereich für nachhaltiges Einkaufen bei Amazon leitet, ging 2016.

Andy Ruben
...absolvierte seinen MBA 1996 an der Washington University in St. Louis und war knapp neun Jahre bei Walmart als Chief Sustainability Officer und Vice President of Private Brands tätig. 2012 gründete er Trove.

Rubens erster Kunde war ­Patagonia, der 2017 sein „Worn ­Wear“-Programm mit Trove online ausweitete und Kunden dazu einlud, gebrauchte Artikel im Austausch ­gegen eine Geschenkkarte zurückzugeben. Andere folgten. Heute kann man einen leicht ab­genutzten Steppmantel von Eileen Fisher für 225 US-$ online statt 440 US-$ im Einzelhandel kaufen. Ein Paar gebrauchte Wanderschuhe von REI gibt es für 89 statt 170 US-$. Die Gewinn­spannen können sich sehen lassen: Einzelhändler, die seit ­einem Jahr dabei sind, machen mit gebrauchten Artikeln nur knapp niedrigere Nettogewinne als mit neuen.

Ruben prognostiziert, dass Marken und Einzelhändler die Online­marktplätze beim Wieder­verkaufsvolumen schnell in den Schatten stellen werden – eine kühne Vision, die zu diesem Zeitpunkt alles andere als eine sichere Sache ist. Allerdings sind die Trends auf seiner Seite und die Unter­nehmen geben den Aufwand des Resellings gerne an kleine Firmen wie Trove ab. „Wir führen mit Marken keine Ge­spräche mehr darüber, wie wichtig das Thema ist“, sagt Ruben. „Wir führen Gespräche darüber, wie man angesichts der Wichtigkeit des Themas darüber nachdenken kann.“

Text: Lauren Debter / Forbes US
Fotos: McNair Evans / Forbes US

Dieser Artikel erschien in unserer Ausgabe 2–21 zum Thema „Health & Wealth“.

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