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Lina Gronbach hat 2013 die Gronbach Gruppe von ihrem Vater übernommen und führt den Metallverarbeiter in dritter Generation. Doch statt sich ausschließlich auf das traditionelle B2B-Geschäft zu konzentrieren, gründete sie Ligre, eine Marke für 4.000-€-Kaffeemaschinen. Ein Besuch bei einem Familienunternehmen, das sich neu erfindet.
Wasserburg am Inn ist eine kleine Stadt mit etwas mehr als 12.000 Einwohnern, rund 55 Kilometer östlich von München. Es ist eine ländliche Gegend, für viele Städter wirkt sie wohl etwas verschlafen – und es ist der Gründungsstandort der Gronbach Gruppe, eines Zulieferers von Unternehmen wie Miele, Liebherr, Porsche oder Rimowa. „Zwei Kilometer in diese Richtung war mein Großvater zu Hause“, sagt Lina Gronbach, die das Unternehmen in dritter Generation führt, und zeigt aus dem Fenster. „Zwei Kilometer in die andere Richtung war mein Heimathaus, mitten im Nirgendwo.“
Die Gronbach-Erbin stieg 2013 als geschäftsführende Gesellschafterin bei der Gruppe ein, seit Februar 2025 sitzt sie als Co-Vorsitzende im Verwaltungsrat. Das Familienunternehmen beliefert mit seinen rund 700 Mitarbeitern die Hausgeräteindustrie, die Medizintechnik und den Automobilbereich mit Metallkomponenten, Baugruppen und Komplettgeräten; 2022 machte der Konzern 173,7 Mio. € Umsatz. Und seit einiger Zeit versucht sich Gronbach nicht nur als Zulieferer, sondern auch als Hersteller und Verkäufer von Konsumentenprodukten: 2019 gründete Lina Gronbach Ligre, eine Tochterfirma, die Premium-Kaffeemaschinen für fast 4.000 € verkauft.
Wie kam es dazu und was erhofft sich die Gronbach-Erbin von der Gründung des Tochterunternehmens, das sie eher wie ein Start-up führt?
Die Geschichte der Gronbach Gruppe beginnt 1964, als Lina Gronbachs Großvater Wilhelm, ein Diplomingenieur, das Unternehmen gründete. „Er war bei Liebherr angestellt, arbeitete dort für die Kühlschrankproduktion“, erzählt Gronbach. Der Großvater machte sich mit einem Ingenieurs- und Projektentwicklungsbüro selbstständig. Das erste Produkt: ein selbst entwickeltes Scharnier für Tiefkühltruhen. „Das war der Gründungsmoment unseres Familienunternehmens“, so Gronbach weiter. Mit Erstausrüstern wie BSH, Liebherr und Miele baute Wilhelm ein solides Basisgeschäft auf.
1985 übernahm sein Sohn Wilfried das Steuer. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Großvater bereits den Standort in Wasserburg und einen italienischen Standort gegründet. Wilfried Gronbach expandierte: Heute hat die Gruppe Werke in Deutschland, Österreich, Italien und der Slowakei und das Geschäft teilt sich auf drei Bereiche auf: Appliances (Komplettgeräte wie Kaffeemaschinen), Kinematics (zum Beispiel Scharniere) und Surfaces (Metalloberflächen).

Lange schien es, als würden weder Lina Gronbach noch eines ihrer Geschwister ins Unternehmen einsteigen. „Bei uns wurde nicht über die Firma gesprochen, mein Vater hatte das strikt vom Familienleben getrennt“, erinnert sie sich. „Auch über seine Nachfolge wurde nicht gesprochen. Wir sind zunächst beruflich alle drei unsere eigenen Wege gegangen.“ Gronbach studierte Medizin. Sie wollte schon als Kind in die Krebsforschung, als ihr Großvater an Leukämie erkrankte. „Ich dachte mir damals: ‚Das kann nicht sein, dass wir in modernen Zeiten bei dieser Krebsart die Pathogenese kennen, es aber keinen Ansatz zur Therapie gibt!‘“ Im Studium sagte ihr die Laborumgebung aber nicht zu; sie wechselte in die Unfallchirurgie, in der sie 2008 promovierte. Die Arbeit im Krankenhaus war aber auch nichts für sie. Gronbach: „Alte, verkrustete, hierarchische Strukturen – das war nicht meine Welt.“ Gronbach wechselte für rund zwei Jahre in die Unternehmensberatung.
Und dann, 2013, bekam sie einen Anruf von ihrem Vater. „Mein Vater kam auf mich zu, relativ abrupt. Er war vollständig vorbereitet und hat gesagt: ‚Lina, ich will raus. Ich ertrag das nicht mehr, diese Verantwortung, diese Belastung. Es ist alles für einen Verkauf vorbereitet. Ich verkaufe oder du übernimmst.‘“ Gronbach entschied sich, das Erbe anzunehmen.
Ihr Vater verschwand aus gesundheitlichen Gründen fast sofort aus dem Tagesgeschäft, Lina Gronbach erhielt die mehrheitlichen Anteile an der Gruppe. „Ich konnte viel aus meiner Zeit in der Unternehmensberatung mitnehmen; aber von dem, was Gronbach macht, hatte ich wenig Ahnung. Ich war weder in der Metallverarbeitung noch in der Produktentwicklung zu Hause. Aber mein Vater hatte – ohne Rücksprache mit mir – schon entsprechende Managementstrukturen vorbereitet, damit die Gruppe auch ohne ihn stabil dasteht“, so Gronbach. Ihr Vater hatte in den Jahren davor die Gruppe in vier Einzelunternehmungen „zerstückelt“, erzählt Gronbach – sie führte die Gruppe wieder zusammen, um die Position am Markt zu stärken.

Exzellenter Espresso muss rauskommen, gemessen an italienischen Standards.
Lina Gronbach
2019 gründete Gronbach dann Ligre. Mehrere ihrer Kunden waren dabei gewesen, sich den Kaffeemarkt genauer anzuschauen. Gronbach, nach eigener Aussage „ein absoluter Genussmensch“, sah eine Marktlücke – und nicht zuletzt auch eine Möglichkeit für ihre Gruppe. Viereinhalb Jahre dauerte die Entwicklung der Kaffeemaschine. Gronbach: „Exzellenter Espresso, gemessen an norditalienischen Standards, war das wichtigste Entwicklungsziel.“ 2024 kam die „Ligre Youn“ auf den Markt. In ihrer Preisklasse konkurriert sie mit Siebträgermaschinen für den Eigengebrauch von La Marzocco oder Rocket Espresso, sieht aber mehr wie ein Design-Möbelstück als eine klassische Kaffeemaschine aus. Kein Wunder: Das Aussehen ist dem Designerbüro Relvãokellermann geschuldet und hat bereits Gold beim German Design Award sowie einen IF Design Award sammeln können.
Die Zielgruppe? „Absolute Kaffeeliebhaber“, sagt Gronbach. Die „Youn“ möchte sowohl Menschen glücklich machen, die wenig Ahnung vom Kaffeebrühen haben, als auch Fortgeschrittene. Im Wesentlichen gibt es drei Modi: den „Easy Mode“, den „Guided Mode“ und den „Nerd Mode“. In einer ausführlichen Rezension bestätigt Kaffeemacher.ch (das Unternehmen bietet unter anderem Barista-Kurse an und berät Farmen, Röstereien, Cafés und Gastronomen in Sachen Kaffee), dass die „Youn“ auf Knopfdruck guten Espresso macht. Aber die vorprogrammierten Brühprofile, so der Text weiter, hielten sie davon ab, ihr volles technisches Potenzial zu entfalten. „Kann man mit der Ligre guten Espresso machen? Selbstverständlich! Ist der Milchschaum überragend? Auf jeden Fall! Aber die Ligre wird ihrem eigenen technischen Potenzial nicht gerecht, eine der besten Espressomaschinen zu sein“, lautet das Fazit der Rezension.
Neben der Kaffeemaschine „Youn“ bietet Ligre auch die Mühle „Siji“ an – Preis laut Ligre-Onlineshop: 1.180 €. Accessoires wie zusätzliche Siebträger (168 €), Knock-boxes (Behälter, in die der Kaffeesatz vom Hebel der Kaffeemaschine abgeschlagen werden kann, 188 €) oder Milchkännchen (38 €), alles ebenfalls von Relvãokellermann entworfen, gibt es auch.
Auch im Vertrieb zeigt sich, dass Gronbach die Kaffeemaschine als Designprodukt positioniert. Dieser läuft hybrid: Direct to Consumer über die Website, aber auch über ausgewählte Ladengeschäfte in zehn europäischen Ländern; diese sind zum Teil Küchenfachgeschäfte wie Bulthaup und zum Teil Interior-Design-Unternehmen wie Zingg-Lamprecht oder Boffi.
2023 und 2024 waren schwierige Jahre für die Gronbach Gruppe: Die Hausgerätebranche „hängt am Tropf der Baukonjunktur“, die schwächelt, sagt Lina Gronbach. Nach dem Corona-Boom – einer Zeit, in der viele in hochwertige Haushaltsgeräte investierten – kam der Einbruch. „Das ist tatsächlich eine tiefe, massive Krise“, gibt auch die Unternehmerin zu. Der Konzern musste in den letzten Jahren von etwas über 1.000 auf 700 Mitarbeiter reduzieren.

Viele Stimmen rieten Gronbach, das Ligre-Projekt zu beenden. „2023 – da hatten wir drei Viertel des Wegs bis zum Launch geschafft – haben viele Stimmen, inklusive meines Vaters (der sich laut Gronbach sonst kaum ins Tagesgeschäft einmischt; Anm.) gerufen: ‚Lass das. Jetzt ist Schluss!‘“ Doch Gronbach blieb stur: „Ich bin ein Believer. Ich folge meinem Weg.“
Im Februar 2025 untermauerte sie die Entscheidung: Sie gab den CEO-Posten bei Gronbach an Xaver Auer ab und wechselte in den Beiratsvorsitz. Das erste Mal seit der Gründung vor über 60 Jahren wird das Unternehmen somit von einer familienexternen Person geleitet. Ein emotionaler Prozess, der über ein Jahr dauerte, so Gronbach. Was ihr Vater dazu sagte? „Er hat gesagt: ‚Du entscheidest schon lange selber. Mach!‘“, so Gronbach. Heute konzentriert sie sich zu 90 % auf Ligre, sagt sie.
Ligre ist formal eine Tochter der Gruppe, aber Gronbach besteht darauf, dass das B2C-Unternehmen faktisch eigenständig ist. „Es gibt Ligre-Mitarbeiter, es gibt Gronbach-Mitarbeiter, es gibt kein Mischverhältnis“, sagt sie. Die Kulturen sind bewusst unterschiedlich. Mit 13 Mitarbeitern ist Ligre auch viel kleiner als der Mutterkonzern.
Die Produktion läuft komplett über die Gronbach-Werke, was auch bedeutet, dass die Kaffeemaschinen vollständig in Österreich und Deutschland gefertigt werden. Das macht die Herstellung auch flexibler: „Wir versuchen, jede Rückmeldung zu analysieren. So konnten wir auch vor dem Launch sehr viel lernen und korrigieren. Wenn man nicht im eigenen Haus produziert, ist das unmöglich“, sagt Gronbach.
Noch ist der Kaffeemaschinenhersteller nicht profitabel. „Wir sind jetzt im ersten kompletten Wirtschaftsjahr (in dem die Kaffeemaschine auf dem Markt ist; Anm.). Da werden wir nicht profitabel sein“, sagt Gronbach offen. Aber sie ist zuversichtlich: Die Profitabilität sei „greifbar“ – auch wenn die nächste Maschine wieder Entwicklungskosten verursacht. Diese soll im Dezember 2026 kommen und simpler und kompakter sein.
Gronbach wollte dem Weg ihres Großvaters folgen, „der mir das alles anvertraut hat“, gleichzeitig aber etwas Eigenes schaffen, sagt sie. „Ich möchte meinem Erbe gerecht werden“, sagt Gronbach. „Und das ist für mich die Chance, das zu tun.“
Lina Gronbach studierte Medizin an der TU München, wo sie in Unfallchirurgie promovierte. Nachdem sie einige Jahre in der Unternehmensberatung arbeitete, übernahm sie 2013 die Gronbach Gruppe von ihrem Vater. 2019 gründete sie Ligre, eine Tochterfirma der Gruppe. Seit Februar 2025 ist Lina Gronbach Co-Vorsitzende des Verwaltungsrats der Gronbach Gruppe und konzentriert sich hauptsächlich auf Ligre.
Fotos: Dirk Bruniecki