Being Frank Thelen

„Als Gründer muss man bereit sein, durch die Hölle zu laufen“, so das Credo des wohl prominentesten Start-up-Investors Deutschlands: Kaum ein Unternehmer ist in den deutschen Medien so präsent wie Frank Thelen. Er sorgt für viel Furore – allerdings mehr mit seinen kontroversen Äußerungen, weniger als Gründer und CEO des Investment-Unternehmens Freigeist.

Frank Thelen trägt oft Uniform – Sneakers und schwarzes Hemd –, fast wie eines seiner großen Idole, Steve Jobs, der immer im schwarzen Rollkragenpullover auftrat. In Thelens Büro hängt ein Porträt des iPhone-Machers, und auch rhetorisch hält er es wie im Angelsäch­sischen: Vom Siezen hält Thelen nichts, er spart nicht mit Anglizismen. Einen Moment tiefgreifenden Nachdenkens wird man bei Thelen nicht finden: Er kontert schnell und schonungslos. „Da habt ihr aber richtig danebengegriffen!“, wetterte er etwa gegen die Gründer der Mental­training-App „No Limit“ in der Show „Die Höhle der Löwen“. Er wirkt trotz Fernsehkameras selten kontrolliert oder bedächtig, sondern kommuniziert mit jeder Faser seines Körpers. In der TV-Show, die seit 2014 im deutsch­sprachigen Fernsehen läuft und eine Kopie der US-­Serie „Shark Tank“ ist, haben Gründer die Möglichkeit, Investoren wie Thelen und Carsten Maschmeyer von ihrem Start-up zu überzeugen und so Wagniskapital einzusammeln. Frank Thelen etablierte sich durch die Sendung als einer der Tech-Experten Deutschlands.

Die Show geht nun in die 13. Staffel, in­zwischen ohne Thelen. Als er im Jahr 2020 die Sendung verließ, hatte er insgesamt 37 abgeschlossene Deals und ein Gesamtinvestment von knapp sechs Mio. € vorzuweisen. Aus manchen Deals gingen wahre Erfolgsgeschichten hervor: Der Gewürzhersteller Ankerkraut etwa erzielte 2022 einen Jahresumsatz von 50 Mio. € und wurde letztes Jahr von Nestlé gekauft.

Thelen macht auch ohne Show weiter. Seit 2017 firmiert er als Gründer und CEO von Freigeist, einem Investmentunternehmen, das Tech-Start-ups in der Aufbauphase unterstützt. Mit Freigeist wollen Thelen und sein 13-köpfiges Team Jungunternehmer mit dem nötigen Kapital und Know-how ausstatten, damit diese ungehindert den „Baukasten der Zukunft“ entwickeln können. Dabei liegt der Schwerpunkt nicht nur auf der IT-Branche. Doch Thelen investiert auch in Raumfahrt, Energieversorgung und Krebsforschung. Eine seiner risikoreicheren Entdeckungen ist wohl das Münchner Start-up Lilium. Dieses arbeitet am Lilium Jet, der frühestens ab dem Jahr 2026 als Flugfahrtaxi in Betrieb gehen soll. Die Lilium-Aktie ist im Nasdaq in New York gelistet. Der­zeit hat Freigeist bereits in über 20 Start-ups investiert und nach einigen Angaben schon zehn Mio. in die Lancierung seiner Tech-Fonds gesteckt. Genaue Umsatzzahlen werden allerdings nicht nach außen kommuniziert.

Will man große Dinge in Bewegung setzen, sind gelegentliche Shitstorms unvermeidlich.

Er habe immer in die Menschen hinter den Unternehmen investiert, sagt Thelen selbst über sich. Er setze auf starke und innovative Visio­näre, die wie er die Digitalisierung als Chance begreifen. Seine besondere Schwäche gelte allen Nerds und Außenseitern dieser Welt, sagt er, selbst wenn andere Investoren ein großes Insolvenzrisiko sehen; und wie jeder Start-up-Investor lag dann auch er mal daneben: Das Notebookhüllen-Start-up Crispy Wallet und der Biosuppen-Hersteller Little Lunch waren wenig erfolgreich und mussten letztlich Insolvenz anmelden. Während seiner Zeit in „Die Höhle der Löwen“ stieß Thelen auf Kritik der anderen Investoren: „Er war kein Teamplayer“, sagte der Co-Juror Jochen Schweizer.

Thelen ist ein gnadenloser Selbstvermarkter. Seine Homepage heißt einfach nur „Frank“, er hat einen Thelen-Youtube-Kanal, einen Thelen-Instagram-Account, einen Thelen-Podcast. Und er schrieb seine 2018 erschienene Autobiografie „Startup-DNA: Hinfallen, Auf­fallen, die Welt verändern“, die wochenlang auf den Bestsellerlisten rangierte.

Seine Lebensgeschichte setzt er bewusst fürs Selbstmarketing ein, egal, ob danach gefragt wird oder nicht: 1975 als Sohn eines Vertrieblers und einer Kosmetikerin in Bonn geboren, ver­setzte ihn die digitale Welt mehr in Ekstase, als jedes Unterrichtsfach auf dem Gymnasium es vermochte. Schule war nicht Seines – er flog vom Gymnasium, schaffte mit Mühe seinen Realschulabschluss und brach sein Informatikstudium nach einem Semester ab. „Sicher fehlt es mir in vielen Bereichen an nötigem Wissen. Ich war immer nur der Junge aus Bonn, der sich seinen Weg irgendwie nach oben gekämpft hat“, sagt Thelen heute. Sich selbst bezeichnet er als Work­aholic: „Ich bin nie den klassischen Elite-Track gegangen, und das treibt mich wahrscheinlich bis heute an. Ich will mehr leisten als andere, kann schwer abschalten, kann nur schlecht verlieren.“

Mit 18 Jahren gründete er sein erstes Unternehmen Twist AG, das sich auf die Ent­wicklung von Linux-basierten Internet-Routern spezialisierte. Er investierte eine Mio. € an Wagniskapital und wollte mit dem Unternehmen an die Börse gehen, doch dann platzte 2001 die Dotcom-Blase und damit auch sein großer Traum. Thelen musste Privatinsolvenz anmelden und hatte mit gerade einmal 26 Jahren über eine Million Schulden. Auf die finanzielle folgte auch eine existenzielle Krise, in der er monatelang mit Depressionen zu kämpfen hatte. Das Gefühl, ein Versager zu sein, zehrt laut Thelen noch heute an ihm. Doch eines können seine Kritiker ihm nicht vorwerfen: dass er leicht aufgibt.

2004 gründete er sein zweites Unternehmen: IP Labs wurde als Online-Fotobuch-Service mit über 100 Millionen Kunden zum Marktführer der Branche. Nach dem Verkauf an Fujifilm ent­wickelte Thelen die Dokumente-App Wunder­list, die später für mehrere Hundert Mio. € an Microsoft verkauft wurde. Thelen: „Jedes Start-up ist eine ,crazy mission‘. Als Gründer muss man buchstäblich bereit sein, durch die Hölle zu laufen oder, in Elon Musks Worten, Glas zu fressen.“

Für Thelen gab es in der Vergangenheit nicht selten Negativschlagzeilen; bald war er ein Lieblingsthema des Boulevards. So echauffierte er sich öffentlich über die mangelnde Entscheidungsfähigkeit demokratischer Kontrollinstanzen: „Ich wünsche mir manchmal, dass Deutschland für vier Jahre einfach China wäre“, sagte er dem Tagesspiegel. Dass er andere damit oft vor den Kopf stößt, interessiert ihn aber so wenig wie jedes Naturkosmetik-Start-up aus „Die Höhle der Löwen“: „Natürlich bekommt man Gegenwind, wenn man mal eine andere Sicht vertritt – damit kann ich aber gut leben“, so Thelen.

Text: Helene Hohnewarter
Fotos: Paul Meixner

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