Better Blocks

US-amerikanische Städte werden immer mehr für Autos und weniger für Menschen gebaut. Die NGO Better Block verwandelt triste „Blocks“ und Autostädte mithilfe der ansässigen Communities in lebhafte Orte.

„Was hinterlassen wir US-Amerikaner eigentlich den nächsten zehn Generationen? Achtspurige Autobahnen?“ Mit diesen Fragen im Gepäck kam der ehemalige IT-Berater Jason Roberts 2008 von seiner Europarundreise zurück nach Texas. Dort begann er umgehend an einem Konzept zu feilen, das in erster Linie die unpersönliche Betonlandschaft seiner Heimatstadt Dallas individueller gestalten und beleben sollte. Es beinhaltete Bauanleitungen zur Installation von Fahrradwegen, Topfpflanzen, Kioskständen, Spielplätzen und Sitzgelegenheiten – auf den ersten Blick also kleine Details. Doch im Gesamtkontext kann dies einiges bewirken, wie Roberts meint: „Menschen brauchen verwinkelte, grüne Gastgärten und bunte Schaufenster um sich wohl zu fühlen”. Eines der ersten Projekte, die Installation eines Gastgartens in Dallas, realisierte Jason mithilfe von Freunden und Nachbarn. Daraufhin folgte die Wiederbelebung eines leerstehenden Gebäudes indem Pop-up-Stores und Restaurants vorläufig darin einquartiert wurden.

Rasch verbreiteten sich diese Ansätze und Roberts bekam Anfragen zu ähnlichen Projekten aus aller Welt. Mithilfe einer Förderung von 775.000 US-$ der John S. and James L. Knight Stiftung gründete Roberts 2010 schließlich die NGO Better Block Foundation – um zusammen mit Experten an einem Gesamtkonzept zu arbeiten, das vielseitig einsetzbar ist. Heute findet dies bereits in Städten wie Denver, Philadelphia aber auch Teheran und Sydney Anklang. Um nicht bei jedem Projekt vor Ort sein zu müssen, entwickeln Roberts und sein zehnköpfiges Team seither DIY-Anleitungen (Do it yourself, Anm.), die man großteils gratis herunterladen kann. Diese sollen Menschen helfen, ihre Stadtteile auch selbst zu verschönern und Umbauten kostengünstig und auf eigene Faust zu realisieren. Als Beispiel: In Dänemark orientierten sich Studenten der Roskilde Universität 2012 an Roberts Vorgehensweise, indem sie die Entwürfe zur Verkehrsoptimierung im Rahmen eines Picknicks präsentierten. Dieses war für alle Bewohner der nahegelegenen künstlichen Insel Trekroner öffentlich zugänglich und eröffnete so einen Dialog untereinander.

Selbst ist der Bürger
Städtebauliche Veränderungen herbeizuführen ist meist ein langwieriger Prozess. Normalerweise wenden sich Bewohner an die Stadtverwaltung, werden mit ein wenig Glück zu diesbezüglichen Treffen eingeladen und dürfen dort ihre Vorschläge präsentieren. Im besten Fall werden diese Ideen in Pläne gegossen, die auch realisiert werden – doch das kann Jahre dauern. Deshalb setzt Better Block auf eine andere Herangehensweise, wenig besuchte Stadtviertel in belebte Orte zu verwandeln. Um solche Prozesse zu beschleunigen legte Roberts umgehend nach der Gründung von Better Block mit den ersten Non-Profit-Projekten los.

Stadtgemeinden auf der ganzen Welt können sich hierfür online bewerben und einen sogenannten Better-Block-Guide nutzen, um sich darüber zu informieren, welche Schritte im Vorhinein notwendig sind um den Stadtteil zu revitalisieren. Doch nicht nur die Stadtbewohner können anpacken, Better Block-Vorsitzender Roberts und sein Team helfen ebenso bei der Verwirklichung diverser Projekte.

Kurzfristige Lösungen für langfristige Veränderung
Da Bewohner der betroffenen Stadtteile mitbestimmen, welche Unternehmen einen Platz bekommen, reguliert der Markt die eigenen Bedürfnisse in gewisser Weise selbst. Das wiederum lockt Investoren an, derartige Konzepte zu unterstützen. Etliche Einzelhändler wie Coffeeshops, Schmuckgeschäfte oder Buchläden seien von anfänglichen Pop-up-Shops durch diverse Investments zu stabilen Unternehmen herangewachsen, so Roberts.

Die Demonstration der zahlreichen Nutzungsmöglichkeiten verlassener Gebäude führte in der Vergangenheit kurz nach Abschluss der Revitalisierungsprojekte zu beachtlichen Investitionen. Als Beispiel: Innerhalb weniger Tage nach Abschluss eines Revitalisierungsprojekts in Virginia, gab die US-amerikanische Immobiliengesellschaft CBRE bekannt, dass eines der zuvor leerstehenden Gebäude – dieses war seit Jahren auf dem Markt – für über eine Million US-$ verkauft wurde. In Memphis wurden kurz nach Abschluss eines ähnlichen Projekts rund acht Millionen US-$ an Neuinvestitionen getätigt.

Durch stärkere Besucherzahlen steigerten sich laut Roberts auch die Erträge der umliegenden Einzelhändler und Restaurants: 100 Prozent der befragten Unternehmer erwirtschafteten steigende Umsätze und einige Unternehmen in Missouri, Texas und Virginia berichteten über die höchsten Verkaufszahlen, die sie seit ihrer Eröffnung erzielt hatten; während 80 Prozent auch nach Beendigung des Projekts erhöhte Verkaufserlöse vermeldeten.

Pro Jahr setzt Better Block sechs bis acht Projekte um, so Roberts. Diese finanzieren sich großteils durch Zuschüsse der 1950 gegründeten Knight Stiftung, deren Ziel es ist, engagierte Gemeinschaften, Journalismus, Kunst und technische Innovation zu fördern. Die Stiftung gewährt Förderungen in unterschiedlicher Höhe für Revitalisierungsprojekte. Die Haupteinnahmequelle von Better Block bildet aber klassische Auftragsarbeit – so werden im Rahmen von „Urban Design“ Projekte zur Gestaltung urbaner Räume und Gebäude umgesetzt.

Aber: Werden bei derartigen Projekten aktiv Kosten eingespart? Denn auf den ersten Blick wirken die zum Download verfügbaren Anleitungen für DIY-Fahrradwege und Steckmöbel kosteneffizient. Doch Kosteneinsparungen sollen gar nicht die Hauptmotivation sein für Better Block.

Denn die Konzepte, die mit Stadtgemeinden zusammen verwirklicht werden, dienen nicht der Kostensenkung. Im Gegenteil, es entstehen beispielsweise durch die Anbringung selbst aufgeklebter, vorübergehender Fahrradwege um 95 US-$, geringe, aber gleichzeitig unnötige Kosten. Der Gedanke dahinter ist jedoch, die Regierung und Bewohner einer Stadt sanft an die Veränderungen zu gewöhnen.  Es soll somit gezeigt werden, was alles umgesetzt werden, und wo gegebenenfalls auch dagegen gestimmt werden kann; anstatt im Vorhinein kosteneffiziente, aber unerwünschte Veränderungen aufzuzwingen.

Der Einfluss derartiger Entwicklungen wird durch Online-Befragungen und anhand des Erfolgs der Kleinunternehmen gemessen, die sich während der Neugestaltung als Pop-ups niederlassen, so Roberts. Insbesondere zwei Projekte verdeutlichen diese Auswirkungen:

Der längste Pop-up-Fahrradweg der Welt
In Macon, Georgia, arbeitete Better Block mit der NGO für Mobilitäts-Optimierung „8 80 Cities“ zusammen um einen acht Kilometer langen – provisorischen – Fahrradweg zu installieren. Durch die Finanzierung der Knight Stiftung von 157.700 US-$ wurden drei verschiedene Arten von Fahrradwegen getestet . 90 Freiwillige halfen dabei, das Projekt in viereinhalb Tagen  auf die Beine zu stellen. Laut Roberts erhöhten die Radwege, die vorübergehend auf den Asphalt gemalt wurden, bereits innerhalb einer Woche die Durchschnittszahl der Fahrradfahrer um 854 Prozent. Das Fahrradweg-Experiment „Macon Connects“ war also ein voller Erfolg, so Roberts. Die Stadt Macon veranlasste daraufhin auch die Errichtung einiger fester Fahrradrouten.

„Print your furniture“
Darüber hinaus stellt das Better Block-Team seit 2016 eine kostenlose Online-Bibliothek für 48 verschiedene Steckmöbel zur Verfügung, welche an „WikiHouse“ (ein Open-Source-Projekt zum Designen und Bauen von Häusern, Anm.) angelehnt ist. Dabei handelt es sich ebenso um ein Open-Source-Projekt: Ziel ist es, die Art und Weise, wie Häuser gebaut werden, mithilfe von Steckkonstruktionen aus Holz für nachhaltige und effiziente Häuser neu zu definieren.

Druckschablonen für diverse Möbelstücke sowie Bordsteinrampen, Kioskstände und Straßenschilder können auf Holzplatten gepaust werden. Diese werden sodann mittels einer CNC-Fräse (einer programmierten Sägemaschine, Anm.) die vollautomatisch nach Vorlage arbeitet, ausgesägt. Roberts möchte somit Menschen, die selbst etwas umsetzen wollen, den Zugriff zu Hilfsmitteln so einfach und kostengünstig wie möglich gestalten. In die Wiki-Block-Bibliothek investierte die Organisation rund 75.000 US-$, die ebenfalls durch die Knight Stiftung zur Verfügung gestellt wurden.

Perspektivenwechsel
Doch nicht nur Stadtbewohner sind in Projekte von Better Block involviert. Auch für Architekten haben diese laut Roberts spezielle Vorteile: „Architekten lernen in der Zusammenarbeit mit uns, was es bedeutet, Städte für Menschen zu bauen und wie diese am besten involviert werden können.”

Roberts konzentriert sich heute wie bereits erwähnt nicht nur auf seine Heimatstadt Dallas. Städte im Mittleren Osten mit ähnlicher Bauweise rücken immer mehr in seinen Fokus – nur, die Nachfrage ist  bisher nicht groß genug, so der Better Block-Gründer. Vereinzelt jedoch klappte es mit der Internationalität: In Teheran schloss Roberts 2015 ein Projekt ab, bei dem weitläufig Zebrastreifen und Straßenmarkierungen angebracht wurden. Überhaupt sieht Roberts  Stadtverschönerung- und revitalisierung als globales Konzept an. So hielt er anlässlich der großflächigen Waldbrände in Kalifornien Anfang Dezember Vorträge darüber, inwiefern Katastrophengebieten geholfen werden könnte.

Better Block könnte sich somit abgesehen der Revitalisierungsprojekte auf den nachhaltigen Wiederaufbau zerstörter Städte konzentrieren. Das würde Betroffenen die Chance geben, im Zuge des Wiederaufbaus Mängel der vergangenen Konzepte auszubessern. Es ist jedenfalls ein optimistischer Ansatz – für den das Bewusstsein entsprechender Stadtverwaltungen vielleicht noch gar nicht reif genug sind. Die Zufriedenheit der Betroffenen der Katastrophe könnte allerdings schon allein durch die Mitarbeit rasant steigen. Roberts möchte sich einer Transformation  seines Konzepts gegenüber jedenfalls nicht verschließen. Es bleibt jedoch abzuwarten, inwiefern dies auch dort Früchte tragen kann – im Vergleich zu bunten Fahrradwegen oder Steckkonstruktionen aus Holz in bestehenden Stadtteilen.

Text: Victoria Lilgenau

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