BLACKROCKS TRANSFORMATION

Blackrock baut um, denn der Finanzriese will zum langfristigen, nachhaltigen Investor inmitten eines Kapitalismus neuer Prägung werden. Mittendrin: Schweiz-Chefin Mirjam Staub-Bisang.

Mit seinen 6,84 Billionen US-$ Assets under Management (AuM), einem ­Jahresumsatz von 14 Milliarden US-$ und fast 15.000 Mitarbeitern in 30 Ländern ist Blackrock der größte Asset­manager weltweit. Und wer sich das Wachstum in der Finanzbranche ansieht, merkt, dass diese Rolle auch in Zukunft nicht in Gefahr sein dürfte. Im rasant wachsenden Segment für passive An­­lageformen (insbesondere Exchange Traded Funds, ETFs) kontrolliert Blackrock über seine ETF-Tochter iShares mit zwei Billionen US-$ Assets 39 % des globalen ETF-Markts. Und: Als ­Aktionär ist Blackrock in zahlreichen Konzernen dieser Welt investiert, besitzt etwa umgerechnet 4 % an den im deutschen Leitindex DAX vertretenen Unternehmen.

Mirjam Staub-Bisang ist das Cover der November-Ausgabe 2019 „Next“

Blackrock ist ein Riese, was auch kritische Stimmen auf den Plan ruft. In der Schweiz-Niederlassung ist von dieser Macht auf den ersten Blick wenig zu spüren: Zwar ist die Adresse an der Zürcher Bahnhofstraße durchaus nobel, das Büro selbst übt sich aber in Understatement – ein großer Blackrock-Schriftzug am Empfangsdesk, einige Schwarz-Weiß-Fotos an den Wänden, mehr nicht. Von Weltherrschaft ist hier nichts zu spüren. Und auch Mirjam Staub-Bisang wirkt unerwartet nahbar, duzt etwa den Kollegen am Empfang wie einen alten Freund: „In einer amerikanischen Firma sind sowieso alle per Du.“

Dass Staub-Bisang im November 2018 Chefin des Schweiz-Geschäfts von Blackrock ­wurde, kam für viele Beobachter überraschend. Die Schweiz gilt mit 83 Milliarden CHF an Assets under Management und 110 Mitarbeitern als Kernmarkt für Blackrock. Staub-Bisang war zuvor als Mitgründerin der Zürcher Vermögensverwaltung Independent Capital Group Branchenkennern durchaus ein Begriff und machte sich als Anlage­spezialistin einen Namen – Blackrock ist dann aber doch eine andere Liga.

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Mirjam Staub-Bisang
... studierte Rechtswissenschaften, bevor sie ihre Karriere in der Finanzbranche startete. Von 2005 bis 2018 war sie Mitgründerin und Non-Executive Director der Independent Capital Group, seit November 2018 ist sie Schweiz-Chefin von Blackrock.

Doch wer genauer hinsieht, merkt, dass die Besetzung gar nicht so abwegig ist. Vielleicht steht sie sogar sinnbildlich für den Wandel, der Blackrock bevorsteht: Seit geraumer Zeit ist ­Larry Fink eine der lautesten Stimmen, die eine neue Prägung unseres aktuellen Wirtschafts­systems fordern – weg vom Aktionärswohl als höchstem Prinzip, hin zu einem langfristigen, verantwortungsvollen und vor allem nachhaltigen Agieren der großen Unternehmen dieser Welt. Um den eigenen Worten Taten folgen zu lassen, baut Fink um. Mittendrin: Mirjam Staub-Bisang. „Blackrock befindet sich aktuell in einer extrem spannenden Phase“, sagt Staub-Bisang. Doch ist der Wandel zum grünen Investor glaubwürdig? Und welche Rolle spielt Staub-Bisang dabei?

Shareholder-Value-Ansatz nicht mehr zeitgemäß

Im August 2019 veröffentlichte der ­Business Roundtable – eine Vereinigung von 184 CEOs globaler Konzerne – ein Statement. Die Essenz: Der über Jahrzehnte von Unternehmen propagierte Shareholder-Value-Ansatz, der die Interessen der Aktionäre über alles andere stellt, sei nicht mehr zeitgemäß. Vielmehr müssten sie sich um alle ihre Stakeholder kümmern, auch die Gesellschaft. Das ist bemerkenswert, da der Roundtable 20 Jahre lang die These vertrat, dass Unternehmen existieren, um Aktionären zu dienen. Doch der Druck auf Wirtschaftskapitäne steigt angesichts der Klimakrise, aggressiven Praxen zur Steuervermeidung und steigender Einkommensungleichheit in Industriestaaten.

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Mit seiner dominanten Rolle am Finanzmarkt kommt Blackrock dabei eine ­Schlüsselrolle zu. Und Blackrock stehen verschiedene Werkzeuge zur Verfügung, um den gewünschten Effekt herbeizuführen. Eines davon: Shareholder Engagement, bei Blackrock „Investment Stewardship“ genannt. Staub-Bisang: „Die aus unserer Sicht beste Art, auf Unternehmen Einfluss zu nehmen, ist über den Dialog mit den Unternehmensführungen. Blackrock hat das weltweit größte Team, das dieses Engagement betreibt.“ Das Team, das aktuell 45 Personen umfasst, soll wachsen. Wie viele neue Mitarbeiter dazukommen, sagt Blackrock auf Nachfrage jedoch nicht. Den Claim, den sich Blackrock verpasst hat, will man jedenfalls verfolgen: „Mehr und mehr Menschen zu finanziellem Wohlergehen zu verhelfen.“ Und auch Staub-Bisang betont diese Frage als größte Herausforderung: „Wie können wir unseren Kunden helfen, dass sie langfristig die Rendite erwirtschaften können, die sie brauchen, um ihre Verpflichtungen zu erfüllen?“

Neben ihrer Rolle als Länderchefin ist Staub-Bisang auch Senior Advisor Sustainable ­Investing – eine Schlüsselrolle in der Unternehmensstrategie, hat es sich Blackrock doch zum Ziel gemacht, massiv auf nachhaltige Anlagen zu setzen. Die Definition derselben ist jedoch schwierig: In der Regel bezieht sie sich auf die ESG-Kriterien, die das Handeln von Unternehmen auf ökologische („Environmental“), ­soziale ­(„Social“) und Governance-Aspekte beleuchten. Die Europäische Union arbeitet aktuell an einem Rahmenwerk zur Klassifizierung (Taxonomie) von Unternehmen anhand verschiedener Nachhaltigkeitsindikatoren – was dann wiederum Aus­wirkungen auf die Investitionsentscheidungen von institutionellen Investoren haben dürfte. Ziel der EU-Initiative: ein gemeinsames Verständnis zu schaffen und den Finanzsektor in den Kampf gegen den Klimawandel einzubinden.

 

Investitionen in Sustainable Assets weltweit in Mrd. US-$
(Quelle: Global Sustainable Investment Review)

Der Markt wächst – zwischen 2016 auf 2018 laut Global Sustainable Investment Review weltweit um 34 %, von 22,9 auf 30,7 Billionen US-$. „Es fließt viel mehr Technologie in das Thema, es befassen sich mehr Menschen damit. ­Heute hat man Anlageprodukte, die ,at par‘ mit Standardprodukten sind.“ Die Performance ist unter Experten umstritten, eine jüngst veröffentlichte Studie des Internationalen Währungsfonds (IWF) gibt Staub-Bisang aber recht: Demnach performen nachhaltige Anlageformen gleich gut wie Standardprodukte. Die Datenlage sei zudem ­besser: „What gets measured, gets managed.“

Blackrocks Strategie: bestehende Stärken zu nutzen. Ende 2018 lancierte man eine neue Palette an ETFs, die ESG-Kriterien in ihre Titelauswahl mit einbeziehen. Fink selbst schätzte gegenüber der Financial Times damals, dass umweltfreundliche ETFs von zuletzt rund 30 Milliarden US-$ Volumen in den nächsten zehn Jahren auf 400 Milliarden US-$ wachsen könnten. Das bedeutet mehr Anlagemöglichkeiten für Privatkunden und mehr Marktanteile für Blackrock.

 

Blackrock Assets under Management
(Quelle: Bloomberg)

Stationen bei Merrill Lynch, Swisslife und der Commerzbank

Als Jugendliche wollte Staub-Bisang, die Tochter einer erfolgreichen Eiskunstläuferin, in die Fußstapfen ihrer Mutter treten. Ihr Ziel: die Olympischen Spiele in Calgary 1988. „Ich habe fast zehn Jahre lang sechs Tage die Woche mehrere Stunden auf dem Eis verbracht.“ Doch der Traum sollte un-erreichbar bleiben. Heute sagt sie, dass sie da­raus viel mitnehmen konnte: „Wenn man in einer bestimmten Sache weiterkommen will, muss man die nötige Zeit investieren. Diese Disziplin, dieses Durchhaltevermögen habe ich damals gelernt.“

Staub-Bisang studierte Rechtswissenschaften, war jedoch nur kurz als Juristin tätig – denn ihr Wunsch, im Ausland tätig zu werden, ­führte sie ins Investmentbanking, zu Merrill Lynch in London. „Das war einfach meine Welt.“ Es folgten Stationen bei der Swisslife in Zürich und bei der Commerzbank in London, bevor sie mit ­ihrem Bruder Roman Staub und Prinz Michael von Liechtenstein 2005 die Independent Capital Group gründete, wo sie bis 2018 als Non-Executive Director tätig war. Seit 2015 ist Staub-Bisang zudem Vorsitzende der Pensionskasse Profond mit Sitz in Zürich. Sie schied 2018 aus dem Unternehmen aus; kurz danach kam der Anruf von Blackrock. „Es war nicht mein Plan – aber es passte.“ Ihre Vergangenheit bei einem eher unbekannten Unternehmen sieht die Zürcherin heute als Vorteil. „Menschen, die immer nur für große Marken tätig waren, unterschätzen womöglich, wie hart es ist, auf sich selbst gestellt zu sein.“ Dass Blackrock eine große Herausforderung ist, ist der Managerin aber auch klar. „Früher gab es das Geschäft, das Produkt, den Kunden. Das war alles viel linearer. Heute bin ich in einer kom­plexen Struktur tätig, das brauchte Zeit“, sagt
die Managerin. „Mittlerweile bin ich drin.“

 

Globale Assets in nachhaltigen Anlageformen – nach Region
(Quelle: Global Sustainable Investment Review)

Umdenken nicht mehr aufzuhalten

Glaubt man den Nachhaltigkeitsberichten der Unternehmen, ist Blackrock mit seinem Bestreben nicht alleine. Wem das wie gut gelingt, wird sich erst zeigen. Für Mirjam Staub-Bisang steht jedoch fest, dass das Umdenken nicht aufzuhalten ist. Gefragt, ob ihre Kinder gemeinsam mit der Fridays-for-Future-Bewegung Schule schwänzen könnten, um gegen die Klimakrise zu streiken, lächelt die 50-Jährige. „Ich kann mir das schon vorstellen, die werden auch so erzogen. Sie sind sehr sensibilisiert, etwa in Bezug auf Recycling oder Food Waste. Meine Kinder sind aber keine Ausnahme, diese Haltung dürfte sich als neuer Standard durchsetzen. In der Schule, aber auch in der Gesellschaft.“

Text: Klaus Fiala
Fotos: Kilian Kessler

Der Artikel ist in unserer November-Ausgabe 2019 „Next“ erschienen.

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