BLICK NACH INNE

Den weiblichen Körper mittels Speichelanalyse decodieren – darin sieht Eirini Rapti, Gründerin und CEO des Berliner Femtech-Start-ups Inne, die Zukunft. Doch bei der Ersteinführung ihres Produkts erwartet Rapti ein ebenso stark wachsender wie umkämpfter Markt.

Dass der weibliche Zyklus sich über den Monat hinweg verändert – und sich dabei je nach Phase und Person unterschiedliche körperliche und psychische Zustände breit­machen können –, ist den meisten Frauen bewusst. Was jedoch nicht immer so klar ist, ist die chemische oder biologische Erklärung, warum man denn so fühlt oder denkt, wie man es gerade tut.

Den weiblichen Körper zu „entschlüsseln“ hat sich Inne zur Mission gemacht. Der Anspruch des Start-ups: ein Miniaturlabor für Frauen bereitzustellen, das hilft, deren Zyklus zu verstehen. So sollen sich Inne-Nutzerinnen besser mit den aktuellen Gegebenheiten im Alltag arrangieren und sich darauf vorbereiten können. Dabei ist das „Minilab“ gerade einmal so groß wie eine Handfläche, und auch die Optik verrät nur wenig über die Fähigkeiten, die sich im Inneren verbergen. „Die Ästhetik stand für uns – neben der Logik – immer schon ganz oben“, erklärt Inne-Gründerin Eirini Rapti. Für sein Design gewann das Unternehmen dieses Jahr den Red Dot Design Award, einen der größten Designwettbewerbe weltweit, mit rund 18.000 Bewerbungen. Doch wie funktioniert das schön designte Produkt eigentlich?

Nach dem morgendlichen Aufstehen soll innerhalb eines vierstündigen Zeitfensters eine Speichelprobe mittels eines Teststreifens aus Papier genommen werden. Damit Inne lernt, den Zyklus ideal zu verstehen, sollten diese Abnahmen täglich und ohne Unterbrechungen passieren. An­schließend wird die Probe in das Lesegerät, das eigentliche Minilab, eingeführt. In Echtzeit misst dieses nun den Progesterongehalt im Speichel und sendet die Auswertung an die dazugehörige App im Smartphone. Diese teilt Nutzerinnen dann mit, ob eine geringe oder hohe Chance für eine Schwangerschaft besteht. Darüber hinaus bietet die App die Möglichkeit, manuell auch die Gefühlslage oder die Periode zu tracken – neben Frauen, die den ­bestmöglichen Zeitpunkt für eine Schwangerschaft bestimmen wollen, richtet sich Inne nämlich auch an all jene, die ihren Körper besser verstehen möchten.

Das Produkt selbst kostet 130 € und lässt sich auf der Inne-Website kaufen, die kompatiblen Teststreifen sind in einem Abo­modell erhältlich, das etwa 30 € pro Monat kostet. Als Verhütungsmittel ist Inne genauso wie ähnliche Produkte – etwa Breathe Ilo aus Österreich oder das temperatur­messende Sensorarmband Ava aus der Schweiz – aktuell noch nicht zuge­lassen. Es dauere nämlich noch, bis Länder sich für diesen Schritt öffneten und auch die damit verbundenen notwendigen ­kli­nischen Studien realisierbar seien, so Rapti.

Der Zyklustracker Inne besteht aus dem Minilab-Reader, Speichelteststreifen und der dazugehörigen App.

Wie komplex die Herstellung eines solchen „Lesegeräts“ ist, erfuhr Rapti am eigenen Leib: Die erste Herausforderung war es, mittels Speichelprobe eine Reihe an Hormonwerten bestimmen zu können. Ein solches Gerät gab es damals nicht. Die zweite Hürde: das Tool auf den Markt zu bringen und die erforderlichen Auflagen zu erfüllen. „Forschung und Ent­wicklung nehmen die meisten Ressourcen bei der Unter­neh­mensent­wicklung in Anspruch. Angefangen haben wir 2017; nun, im Jahr 2021, konnten wir das Produkt endlich lancieren“, so Rapti.

Damals war die gebürtige Griechin gerade in Berlin ange­kommen – der Liebe wegen. Doch sie wollte auch das Netzwerk der deutschen Hauptstadt nutzen. Rapti, die einen MBA von der Open University und einen Mastertitel in Audiovisual Translation von der Roehampton University in London hält, war zuvor neun Jahre für den Gesundheits- und Sicherheitsdienstleister International SOS in London, Paris und Kuala Lumpur tätig gewesen, zuletzt als Director of Europe in Athen.

2016 gründete sie Inne. Die Entstehungsgeschichte ist auch eine persönliche: Nachdem es für sie keine Option mehr war, mit „gängigen“ Methoden wie der Anti-Baby-Pille zu verhüten, begann Rapti, sich intensiv mit natürlichen Verhütungsmethoden zu beschäftigen und diese auch selbst anzuwenden. Bei der natürlichen Familienplanung, kurz NFP, wird etwa die Basaltemperatur gemessen, um zu bestimmen, in welchem Abschnitt des Zyklus man sich befindet. Rapti recherchierte mehrere Stunden täglich – und hatte schließlich eine Geschäftsidee. „Ich dachte mir: Wie fantastisch wäre es, wenn wir einen anderen Wert als die Temperatur hätten, der mehr Aufschluss über die Vorgänge im Körper geben könnte? Die Temperatur ist ja nur eine Momentaufnahme und noch dazu ein hochsensibler Indikator.“ Die Antwort lag für Rapti auf der Zunge: „Im Speichel sind Steroidhormone sowie auch die Sexual­hormone Progesteron und Estradiol enthalten, die sich diesen unter­ordnen.“

Eirini Rapti
...studierte Business Administration and Management sowie Audiovisual Translation in England. Bis 2016 war sie als Director of Europe bei International SOS tätig und gründete noch im selben Jahr das Femtech-Unternehmen Inne.

Sie kündigte und reiste durch Deutschland, Schweden und England, um mit Forschern über ihr Vorhaben zu sprechen. Wenig später gründete sie Inne eigenfinanziert und stellte die ersten Mitarbeiter ein. Ihr erstes Labor bezeichnet Rapti als „recht provisorisch“, und auch der Weg zum formschönen Design war ein langer: Das erste Modell war grob und klotzig, mit vielen technischen Schaltern. Erst unzählige Iterationen später entsprach es den Designan­forde­rungen des Teams.

Heute arbeiten am Berliner Sitz 16 Menschen, das sechs Personen umfassende Entwicklerteam sitzt in Polen. Vor der Pandemie gelang es Inne, acht Millionen € in einer Series-A-Finanzierungsrunde einzusammeln. Das Geld wird man brauchen, denn der Markt ist riesig: Laut dem Beratungsunternehmen Frost & Sullivan könnte der Markt für Femtech-Produkte (technologische Produkte für Frauengesundheit) bis 2050 einen Umsatz von 50 Milliarden US-$ erreichen. Die Coronapandemie hatte auch für Inne Auswirkungen: Das interne Datum für den Launch änderte sich mehrmals, Hersteller konnten kurzfristig nicht mehr produzieren und liefern. „Es war nie eine Option für uns, nicht zu launchen, auch wenn wir inmitten einer weltweiten Pandemie steckten. Mein Motto in dieser nervenaufreibenden Zeit blieb weiterhin: Hesitation is death“, so Rapti.

Sie sieht ihre Verantwortung nicht nur gegenüber ihren Mitarbeitern, sondern gegenüber Frauen im Allgemeinen: „Wir wollen Frauen dienen. Darum werden wir auch kontinuierlich am Preismodell arbeiten, um Inne so günstig wie möglich anbieten zu können. Wir möchten, dass sich so viele Frauen wie möglich ein Inne-Minilab leisten können.“

Text: Chloé Lau
Foto: Inne

Dieser Artikel erschien in unserer Ausgabe 8–21 zum Thema „Women“.

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