C-LEVEL-BITCOIN-HYPE

Nach dem Ausbruch der Pandemie griff Paypal-CEO Dan Schulman auf digitales Bargeld zurück, um E-Commerce-Transaktionen zu beschleunigen, und Michael Saylor, CEO des amerikanischen Softwareherstellers Microstrategy, füllte die Schatzkammer seines Unternehmens mit Bitcoin – und machte sich damit zum Milliardär. Das sind keine Einzelfälle:Mit einem Anstieg von 300 % im Jahr 2020 erhält Bitcoin in den Chefetagen nun große Aufmerksamkeit.

Als sich im März 2020 das neuartige Coronavirus über die USA ausbreitete, war Paypal-Chef Dan Schulman in seinem Haus in Palo Alto, Kalifornien, eingesperrt. Zu der Zeit wusste er schon, dass die Pandemie eine einmalige Geschäftsmöglichkeit bietet. 2014 hatte er Paypal übernommen, das bis dahin zwei Jahrzehnte lang auf eine Welt ohne Bargeld hingearbeitet hatte. In letzter Zeit schien sich die Entwicklung dahin gehend jedoch zu verlangsamen: In den zehn Jahren, nachdem E-Bay Paypal im Jahr 2002 übernommen hatte, wuchs der Umsatz von Paypal, dessen exklusive Vereinbarung mit E-Bay mittlerweile aufgelöst ist, mit einer durchschnittlichen jährlichen Rate von 38 % – in letzter Zeit nur noch halb so schnell. Doch als sich die Menschen aufgrund der Pandemie in ihre Wohnungen zurückzogen, wurden der Onlinehandel und digitale Zahlungen plötzlich zur Notwendigkeit – für Lebensmitteleinkäufe, Bankgeschäfte und vieles mehr.

Mit Ausbruch der Pandemie wuchs die Anzahl an Paypal-Konten plötzlich rasant (um mehr als 50 Millionen); Ende 2020 waren es 361 Millionen. Die Aktie des Unternehmens stieg (gemeinsam mit anderen Aktien im digitalen Bereich) von 86 US-$ im März 2020 auf 247 US-$. „Wir sahen eine Beschleunigung von Trends, die normalerweise drei bis fünf Jahre gebraucht hätte. Das ist jetzt in drei bis fünf Monaten passiert“, so der 63-jährige Schulman. „Ich hielt es für wichtig, dass Paypal die Zukunft aktiv mit­gestaltet, anstatt nur auf sie zu reagieren.“ Bis dato brauchte die bestehende Technologie von Paypal, die bei traditionellen Banken integriert war, bis zu zehn Tage, um eine Transaktion abzuschließen. Schulman, der bereits mit der Blockchain-Technologie vertraut war, wusste, dass es einen besseren Weg gab: Diese Technologie könnte Kryptowährungen wie Bitcoin einfach und viel schneller direkt in elektronische Geldbörsen verteilen. Sicher, die Nicht-Bankkunden bräuchten eine Internetver­bindung, um das Geld auszugeben – oder es wieder in Papiergeld umzuwandeln –, aber das galt auch für die aktuelle Lösung von Paypal.

Unter der Leitung von Schulman begann Paypal sofort, Mitarbeiter mit Bitcoin- und Blockchain-Expertise anzustellen. Im Oktober gab Schulman bekannt, dass Kunden Krypto­währungen direkt über ihr Paypal-Konto kaufen, halten und verkaufen können. Kryptowährungen können nun als Zahlungsmittel bei den 26 Mil­lionen Handelspartnern von Paypal weltweit verwendet werden. Und Schulman ist nicht der Einzige, der an Krypto als Zukunft des Geldes glaubt: Hunderte von großen Unternehmen nutzen Bitcoin und die zugrunde liegende Technologie, um ihre Abläufe effizienter zu gestalten – und dank der außergewöhnlichen Renditen ihre Gewinne zu steigern. JP Morgan und Boeing, Honeywell und Aramco – es gab noch nie so viele Unternehmen, die sich für die jähr­liche „Forbes Blockchain 50“-Liste qualifiziert haben (abrufbar auf forbes.com). Diese Liste zählt große Unternehmen auf, die mithilfe der Blockchain-Technologie sinnvolle Projekte gestartet haben.

Paypal beschäftigt sich seit 2016 mit Kryptowährungen – damals meldete das Unternehmen ein Patent für eine neue Art von digitaler Geldbörse an, die Kryptotransaktionen beschleunigen sollte. Im Jahr 2019 tätigte der Risiko­kapital­arm von Paypal, Paypal Ventures, seine erste Blockchain-Investition in das in Massachusetts ansässige Unternehmen Cambridge ­Blockchain, das eine Kryptogeldbörse entwickelt, mit der Einzelpersonen nachweisen können, wer sie sind, ohne unnötige persönliche Informationen preiszugeben. Es kaufte auch Anteile an TRM Labs, einem Start-up, das sich darauf konzen­triert, Finanzinstitutionen dabei zu helfen, Krypto­währungsbetrug und Finanzkriminalität zu verhindern. Auch Taxbit zählt zum Portfolio; ein Unternehmen aus Salt Lake City, das Steuerzahlungen in Kryptowährungen automatisiert.

Ein weiterer Bitcoin-Anhänger, der durch die Pandemie aufgerüttelt wurde, ist das 483 Millionen US-$ (Umsatz) schwere Softwareunternehmen Microstrategy. Michael Saylor, der 55-jährige Geschäftsführer des börsennotierten Unternehmens, gab für den Kauf von Bitcoin im Jahr 2020 1,1 Milliarden US-$ aus und lieh sich davon 650 Millionen US-$. Saylor, offen und kontrovers, seit er während der ersten Internetblase 1999 kurzzeitig zum Multimilliardär wurde, sieht das als Absicherung gegen die Politik des leichten Geldes der US-Regierung, die seiner Meinung nach den Dollar mit einer Rate von 15 % pro Jahr abwertet. „Der Wert der Währung bricht zusammen“, sagt Saylor. „Das bedeutet, dass jede Aktie, jede Anleihe, jede Immobilie und jeder andere Vermögenswert, der auf dem Fundament einer Fiat-Währung ruht, nachgibt.“ Da Microstrategy nachweislich nicht in der Lage ist, ein organisches Wachstum zu erzielen, das mit dem von Amazon oder Netflix mithalten kann, hat Saylor sein Soft­wareunternehmen effektiv in einen gehebelten Bitcoin-ETF verwandelt – seine Aktien sind binnen zwölf Monaten um 270 % gestiegen.

Nach Forbes-Informationen haben min­destens 25 weitere börsennotierte Unternehmen Bitcoin in ihren Bilanzen. Laut dem Analyseunternehmen Gartner gab es im November 2020 mehr als 1.000 Blockchain-Projekte bei US-amerikanischen Unternehmen. Die meisten sind erst im Früh­stadium und experimentell – 14 % sind entweder in der Entstehung oder noch davor. Forrester Research ist sogar noch optimistischer und prognostiziert, dass bis zu 30 % der aktiven Blockchain-Projekte noch in diesem Jahr für den Markteinstieg bereit sein werden.

Ein signifikanter Trend bei der Aufregung rund um digitale Vermögenswerte ist die Flut von großen Unternehmen, die in Verwahrungsdienste für Kryptowährungen einsteigen. Es ist bezeichnend, dass Microstrategy-CEO Saylor und andere institutionelle Investoren nicht verraten wollen, wie sie ihre Bitcoin aufbewahren. Diese schwierige Aufgabe – denn Bitcoin im Wert von Mil­liarden sind im Lauf der Jahre verschwunden – war lange Zeit ein Hindernis für die institutionelle Annahme. Neben Betrug und Diebstahl gibt es noch andere Probleme: Wenn der Besitzer eines Bankkontos sein Passwort vergisst, setzt die Bank es einfach zurück – bei Bitcoin ist der Verlust des Passworts, des sogenannten privaten Schlüssels, einem Totalverlust des Vermögenswerts selbst gleichzusetzen. Eine Wiederherstellung ist unmöglich.

Im Juli veröffentlichte das Office of the Comptroller of the Currency – eine Behörde im Geschäftsbereich des Finanzministeriums der Bundesverwaltung der USA – einen Brief, der besagt, dass es Banken nun erlaubt ist, Ver­wahrungsdienstleistungen für Krypto­vermögenswerte anzubieten.

Es ist keine Überraschung, dass Finanz­institute, die sich auf den Tag vorbereiten, an dem der Besitz von digitalen Vermögenswerten normal sein wird, in das Kryptoverwahrungsgeschäft drängen. Nicht weniger als sechs Institutionen, darunter die spanische Bank BBVA, die nieder­ländische Bank ING und die Schweizer Wert­papierfirma Six, sind jetzt Kryptobesitzer. Im Dezember gab der Hedgefonds One River bekannt, dass er die Verwahrungsdienste von Northern Trust nutzt, um Kryptowährungen im Wert von 600 Millionen US-$ zu verwalten, und dass er den Betrag auf eine Milliarde US-$ erhöhen möchte.

Im selben Monat investierte das amerikanische Finanzunternehmen Northern Trust in das in London ansässige Kryptowährungs-Start-up Zodia Custody. In vielerlei Hinsicht sind Unternehmen wie Northern Trust und Fidelity, das ebenfalls Kryptoverwahrungsdienstleistungen anbietet, perfekt positioniert, um eine Brücke zu einer regulierten digitalen Vermögensrealität zu schlagen. Northern Trust hat sich bereits mit dem Fintech-Start-up Bondevalue aus Singapur zusammengetan, um als Servicing- und Custody-Agent Blockchain-Technologie zu nutzen, um Bruchteile von Anteilen an Unternehmens­­anleihen aufzuteilen und zu verkaufen. Im August führte diese Partnerschaft den weltweit ersten Blockchain-basierten Anleihenhandel durch: 8.000 US-$ einer auf 300-Millionen-US-$ gesetzten An­leihe mit einem Coupon von 4,375 %, die ursprünglich vom singapurischen Agrarriesen Olam ausgegeben wurde. Der Handel, der nor­malerweise zwei Tage für die Abwicklung benötigt, dauerte nur Sekunden. „Wir werden weiterhin in digitale Asset-Programme in der gesamten Branche investieren“, sagt Justin Chapman, Vizepräsident bei Northern Trust. „Wir glauben, die Technologie und das Verständnis darüber sind da. Die Kunden sind bereit.“

Text: Michael del Castillo / Forbes US
Foto: Christie Hemm Klok und Jamel Toppin / Forbes US

Dieser Artikel erschien in unserer Ausgabe 3–21 zum Thema „Künstliche Intelligenz“.

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