DAS GELD DER SUPERREICHEN

In Caroline Kuhnerts Lebenslauf kommen auffallend oft Attribute wie „die Erste“ vor. Sie verantwortet heute für das Schweizer Bankhaus UBS als Head Global Ultra High Net Worth das Vermögen der Superreichen.

Wenn Caroline Kuhnert von dem von ihr bislang Erreichten spricht, klingt das keineswegs wie Selbstbeweihräucherung, lässt aber dennoch keinen Zweifel daran, dass ihr beruflicher Werdegang nicht nur dem Glück allein geschuldet ist. „Es hat sich in der Bankenwelt herumgesprochen, dass Frauen hart arbeiten und gute Ergebnisse bringen“, sagt sie verschmitzt. Kuhnert hat Witz – und spricht, obwohl schon länger im Ausland als in ihrem Geburtsland Österreich zu Hause – mit unverkennbar tirolerischem Akzent, allerdings mit britischer Note. Seit Oktober 2017 ist Caroline Kuhnert Head Global UHNW (Ultra High Net Worth Individual)/Global Family Office Europe, Middle East und Africa im Schweizer Bankhaus UBS und verantwortet somit die Vermögensverwaltung der Ultrareichen in den oben genannten Regionen.

Dass die Reichen immer reicher werden, ist seit Langem belegt – die Frage, ob der exponentielle Anstieg des Reichtums in den vergangenen zwei Jahren der besseren Performance der Assetmanager geschuldet sei, quittiert Kuhnert mit einem Lachen: „Vor allem haben die Börsen sehr gut performt – dann ist es einfacher, gute Renditen zu erzielen.“ Und tatsächlich ist die Zahl der Milliardäre selten so stark angestiegen wie in den Jahren 2016 und 2017 – um ganze 19 Prozent, so steht es in „Billionaires Insights 2018“, der von UBS und dem globalen Beratungshaus PwC jährlich publizierten Studie. In den fünf Jahren davor lag die durchschnittliche Wachstumsrate bei den Superreichen bei rund neun Prozent. Insgesamt stieg das Vermögen im sogenannten Ultra­geschäft 2017 um 1,4 Billionen US-$ auf 8,9 Billionen an. Es wurden 332 Neo-­Milliardäre registriert – darunter 199 Selfmade-Milliardäre; 89 davon stammen aus China. Weltweit beträgt die Zahl der Milliardäre aktuell 2.158: 814 kommen aus der Region Asien/Südostasien und dem pazifischen Raum, 629 aus Europa, dem Mittleren Osten und Afrika, 715 aus Nord-, Zentral- und Südamerika. Der Anteil der Milliardärinnen beträgt weltweit rund elf Prozent. Es sollten aber sukzessive mehr werden, so Kuhnert: „Wir erwarten, dass ungefähr 40 Prozent des globalen Vermögens, das die Superreichen repräsentieren, in den kommenden zehn Jahren an die nächste Generation weitergegeben werden.“ So kämen auch mehr und mehr Frauen aktiv in diese Vermögensentscheidungsprozesse, während das früher eher informell im Hintergrund passiert sei, so Kuhnert weiter. „Über Vermögen haben Frauen immer schon und überall entschieden – vom Mittleren Osten bis nach Deutschland. Und in diesen Unternehmen oder Family Offices übernehmen auch mehr und mehr Frauen aktiv die Rolle der Vermögensverwaltung.“

Kuhnerts Werdegang

Dass Caroline Kuhnert selbst am Feld der Vermögensverwaltung eine internationale Karriere durchlaufen würde, war eher einem Zufall geschuldet. Sie hätte sich durchaus auch eine wissenschaftliche Karriere vorstellen können, so Kuhnert rückblickend. „Meine Interessen waren breit gestreut.“ Als einzige Tochter und jüngstes von vier Kindern „am Eingang des Ötztals aufgewachsen“, besuchte Caroline Kuhnert die lokale Handelsakademie und zog dann für das erste Studienjahr gleich nach Paris. Dort besuchte sie eine der Grandes écoles, um ihre Französischkenntnisse zu verbessern. Nach einem Jahr wieder zurück in Österreich, studierte sie Politikwissenschaften in der Fächerkombination Entwicklungspolitik, Internationale Wirtschaft und Russisch. „Ich bin in Frankreich zu dem Schluss gekommen, dass es zielführend wäre, eine weitere Sprache zu lernen, die ungewöhnlicher und für Österreich trotzdem von Relevanz ist“, so Kuhnert weiter. Der Abschluss ihrer Dissertation zum Thema der sowjetischen Energiepolitik fiel in die Zeit der Perestroika, erzählt sie – „eine unglaublich spannende Zeit mit vielen Möglichkeiten für die Wirtschaft“, so Kuhnert weiter. Damals wurde sie als Graduate Trainee in der damaligen Girozentrale und Bank der Österreichischen Sparkassen (heute Erste Bank) aufgenommen – „als erste Nichtwirtschafterin beziehungsweise Nichtjuristin“, erzählt sie.

Foto: Caroline Kuhnert

Caroline Kuhnert
wurde in Tirol geboren und absolvierte die Handelsakademie. Sie studierte in Paris und Wien Politikwissenschaften, Internationales Recht und Entwicklungspolitik und stieg als Graduate Trainee in der Girozentrale und Bank der Österreichischen Sparkassen (heute Erste Bank) in die Bankenwelt ein. Weitere Karrierestationen waren Moskau und später London, für die Creditanstalt. 1998 erfolgte der Wechsel ins Investmentbanking der UBS und 2005 jener ins internationale Wealth Management. 2013 wurde Kuhnert zum Head UHNW (Ultra High Net Worth) Global Emerging Markets ernannt. Seit 2017 ist sie Head Global UHNW/Global Family Office Europe, Emerging Markets & Switzerland.

1990 warb die damalige Creditanstalt Kuhnert ab, um sie als erste weibliche und jüngste westliche Bankrepräsentantin nach Moskau zu schicken. Sie war damals 27 Jahre alt und sollte fünf Jahre lang das internationale Geschäft leiten. „Nach fünf Jahren Russland wollte ich weg und schauen, was es sonst noch auf der Welt gibt“, schmunzelt sie. Es ging weiter nach London, wo ihr von der Creditanstalt 1995 die Leitung des internationalen Handelsfinanzierungsgeschäfts mit Schwerpunkten in Lateinamerika und Osteuropa übertragen wurde. „Da habe ich mit meiner Russland-Erfahrung einfach gut reingepasst.“

1997 dann, zeitgleich mit der Fusion von Creditanstalt und Bank Austria, wechselte Kuhnert ins Investmentbanking der UBS – „Kapitalmarktfinanzierung wieder mit Schwerpunkt Osteuropa, Emerging Markets, Nordafrika und Israel. Ich war damals eine von wenigen Frauen und sicherlich die einzige Österreicherin im Team“, so Kuhnert. „Damals ging es darum, Anleihen für Staaten und große Unternehmen zu emittieren, Slowenien, Polen und Ungarn waren da dabei – Länder, die sich auf den Beitritt zur Europäischen Union vorbereitet haben“, erzählt sie. „Damit waren wir als Bank, mein Team und ich sehr erfolgreich.“ 2005 dann ein weiterer Wechsel, ins Wealth Management: „Die Bank wollte mehr Investmentbanker in diesen Bereich reinholen und das Wealth Management modernisieren. Der Bereich hatte damals ein bisschen das Image des Frühstücksbankers, eines Zigarre rauchenden Weintrinkers“, so Kuhnert weiter. Es gab genügend Raum für Professionalisierung – und für sie die Chance, von London aus das internationale Geschäft für die Wealth-Management-Kunden (alle außerhalb Großbritanniens) zu leiten. Bis zur Finanzkrise 2008 wuchs der Bereich stetig – die Zahl von Kuhnerts Mitarbeitern stieg von 40 auf damals 120.

2008 folgte dann der Ruf in die Schweizer UBS-Zentrale. Caroline Kuhnert sollte das Wealth Management für die Regionen Osteuropa, Russland und Türkei übernehmen. Der Bereich stabilisierte sich trotz schwieriger Umstände rasch und begann 2009 bereits wieder zu wachsen. Vier Jahre später dann die nächste Herausforderung: Kuhnert wurde das Großkundengeschäft am Feld des Wealth Management für die Emerging Markets angetragen. Ein Jahr später wurden diese Märkte mit den Regionen Europa und Schweiz zusammengelegt und Kuhnert zum Co-Head Global UHNW/Global Family Office ernannt. Ein Jahr später übernahm sie den Posten des Head dieses Bereichs mit heute 400 Mitarbeitern an elf Standorten. 70 Prozent der Mitarbeiter sitzen in der Schweiz. Die wichtigsten Standorte für das Großkundengeschäft, zu dem auch die Family Offices zählen, sind in Deutschland, Luxemburg, Italien und London.

Zahl der Milliardäre 2017

Für die Zukunft

Was steht aktuell auf der Agenda, wollen wir wissen: Zum einen gelte es, die Kunden durch ein volatileres Marktumfeld zu begleiten, so Kuhnert. „Das geopolitische Umfeld ist beziehungsweise wird 2018, 2019 und 2020 sicherlich viel dominanter sein als in der vorangegangenen Dreijahresperiode“, sagt sie. Zum anderen gebe es auch einen Generationenwechsel bei den Superreichen. Hier komme eine neue Generation zum Zug, die starkes Interesse an nachhaltigem Investment und langfristigen Zielen zeige – „da gibt es, salopp gesagt, sehr stark erkennbare Unterschiede zwischen den unter und den über 40-Jährigen“, so Kuhnert weiter. Heißt: Impact Investing rückt in den Fokus der „Jungen“. „Ein Thema, von dem ich ausgehe, dass sich die ganze Industrie dort hinbewegen wird. Und zwar in der Form, als es kein anderes Investieren mehr geben wird, als jenes des nachhaltigen Investierens – vor allem, wenn wir als Bank Investitionsentscheidungen für unsere Kunden treffen.“ Ein weiteres Phänomen der nun nachfolgenden Generation der Superreichen wird auch in der Studie „Billionaires Insights“ betont: Diese Generation agiere deutlich unternehmerischer als die Generationen davor, etwa Erben von Familienunternehmen, die selbst Start-ups gründen und/oder sich an anderen Unternehmen beteiligen – laut Studie sind das zwei Drittel dieser neuen Generation. „Sie nehmen aktiver am Wirtschaftsleben teil“, sagt auch Kuhnert. Und: „Früher hat die zweite oder dritte Generation geerbt, das Vermögen veranlagt und sich anderweitig sozial oder in ihrem Beruf verwirklicht. Die waren nicht wirklich unternehmerisch. Das ist heute anders.“

Kuhnert weiter: „Grundsätzlich aber betreuen wir unsere Kunden in vier Dimensionen: in jener des Unternehmens – da steckt vom Herzblut über das ganze Geld bis hin zum Intellekt und zum Commitment der Familie alles drinnen –, jener ihres Vermögens, weiters der Dimension ihrer Leidenschaften – von Kunst bis Sport – und jener der Philanthropie.“ In letzteren Bereich ziehe Impact Investing ebenfalls stärker ein.

Rückblickend betrachtet hat die verhältnismäßig kleine Gruppe der Milliardäre eigentlich aber immer schon unternehmerischen Geist gezeigt und wichtige Entwicklungen vorangetrieben: Laut „Billionaires Insights“ wurden 80 ­Prozent der bahnbrechenden Erfindungen in den vergangenen 40 Jahren von Superreichen angetrieben – 70 Prozent am Feld der Technologie.

Foto: Caroline Kuhnert

Die Technologie

Am Feld der Technologie wächst auch die Zahl der Milliardäre in China fast exponentiell. Nicht nur ist die Zahl der neuen Milliardäre mit 89 dort am größten – jede Woche zwei neue Superreiche –, ihre Geschäfte wachsen auch schneller. In Summe ist aber das Vermögen der insgesamt 373 ­Milliardäre Chinas durchschnittlich geringer als etwa bei jenen aus den USA.

17 Prozent der neuen chinesischen Milliardäre gründeten ihre Unternehmen vor nicht einmal zehn Jahren. Das sind zehn Prozent mehr als in den USA. 2006 lag die Zahl der chinesischen Milliardäre bei 16. Der Schlüssel des neuen Reichtums liegt bei den rund 770 Millionen Internetnutzern in China, die neue Geschäftsfelder in den Bereichen E-Commerce, Mikrokredite und neue Zahlungsformen eröffnen. Gleichzeitig investiert Chinas Regierung in die Entwicklung von künstlicher Intelligenz (KI) – die Tech-Geschäfte boomen. „In Asien wird es über kurz oder lang mehr Milliardäre geben als in den USA“, ist auch Kuhnert überzeugt. Mehr Superreiche bedeutet für die im Feld des Ultrageschäfts tätigen Bankinstitute mehr Konkurrenz. Kuhnert wirkt hier nicht beunruhigt: „Wir sind nach wie vor der größte globale Wealth Manager. Natürlich wollen sich hier auch immer mehr Banken engagieren. In unserem oberen Segment bleiben aber nur weniger als eine Handvoll Namen übrig.“

Text: Heidi Aichinger
Fotos: Christian Wind

Dieser Artikel ist in unserer Februar-Ausgabe 2019 „Gaming – Wettbewerb“ erschienen.

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