Das rennen um das weltraumtelefon

Wie der milliardenschwere venezolanische Einwanderer Abel Avellan plant, Elon Musks Starlink und Jeff Bezos’ Projekt Kuiper zu übertreffen, indem er Breitband-Satelliteninternet direkt auf Ihr Smartphone bringt.

Im vergangenen September ver­sammelte sich eine Menge erfahrener Zuschauer in Cape ­Canaveral, Flori­da, um zuzusehen, wie die Fal­con-9-Rakete von Space X zum 373. Mal abhob. Doch sie beförderte nicht einen weiteren Starlink-Satelliten von Elon Musk, der zu den über 7.100 bestehenden hinzukommen sollte – stattdessen befanden sich fünf Satelliten von AST Space Mobile an Bord, einem winzigen Starlink-Konkurrenten, den Space X in Zulassungsanträgen bei der US-­Bundesregierung als „Meme-Aktie“ verspottet hatte. Jeder der Satelliten war mit einer 65 Quadratmeter großen Antenne ausgestattet, die sich im Orbit entfalten sollte – ein erster Schritt zum Aufbau eines Netzwerks, von dem AST hofft, dass es jenem von Starlink, das AST heute noch verspottet, irgendwann über­legen sein wird.

Die Größe dieser Antennen ist für den Plan von CEO und ­Gründer Abel Avellan entscheidend, um ­einen neuen Markt zu erobern: Satelliten­internet direkt auf Ihrem Handy. Im Gegensatz zu Space X, das Tausende von Satelliten nutzt, um Wohn­häuser, Unternehmen, Fahrzeuge und sogar das Weiße Haus mit dem Internet zu ver­bin­den, sollen die ­riesigen Antennen von AST mit nur 90 Satelliten eine ­globale ­Abdeckung ermöglichen.

Das Unternehmen plant, bis Ende 2026 60 Satelliten in die Umlaufbahn zu bringen. Ziel ist es, die Verbindung von ­Mobiltelefonen auch außerhalb der Reichweite ­eines Sendemasts aufrechtzu­erhalten. Kunden könnten dann ­sogar beim Wandern in ­abgelegenen Gebieten oder von einem Boot aus, das kilometerweit von der Küste entfernt ist, telefonieren. Bis vor Kurzem ­waren dafür teure Satelliten­telefone mit spezieller Hardware erforderlich. „Unsere ­Vision ist es, Menschen überall dort, wo sie sich befinden, Konnektivität ohne Nachteile zu ­bieten“, sagt der 54-jährige Avellan.

Letzteres zählt nicht zu Starlinks Hauptgeschäft: Der Umsatz von 12,3 Mrd. US-$ stammt größtenteils aus der Bereitstellung von Internet für feste Basisstationen an Privathaushalten und Unternehmen, nicht aus der Internet-Bereitstellung für Mobiltelefone. Auch Jeff Bezos’ Project Kuiper, ein direkter Starlink-Konkurrent, der Ende April die ersten 27 von über 3.200 geplanten Satelliten ins All schickte, verfolgt ein anderes Geschäftsmodell.

Starlink ignoriert das Telefon­geschäft jedoch nicht völlig. Derzeit befindet sich Musks Unternehmen im Betatest mit T-Mobile, um Nutzern das Versenden von SMS über Starlink zu ermöglichen, auch wenn kein Empfang besteht. ­Damit hat Starlink ­einen Vorsprung vor AST. Starlink verfügt über ­Tausende von Satelliten, während AST nur fünf hat, und Musks Insiderstatus in der Trump-Regierung könnte sich im stark regulierten Telekommuni­kationsgeschäft als wichtig ­erweisen. Die atemberaubende Bewertung von Starlink von 350 Mrd. US-$ stellt die Marktkapitalisierung des in Midland, Texas, ansässigen Unternehmens AST (das im April 2021 über eine Special Purpose Acquisition Company an die Börse ging) von rund 8,7 Mrd. US-$ in den Schatten.

Dennoch hat AST eine große Chance auf dem aufstrebenden Markt für satellitengestützte Mobil­funktarife mit potenziell erheb­lichen Gewinnaussichten. Diese Chance liegt nicht in der ­netzunabhängigen Konnektivität für Europäer und Nordamerikaner, sondern in der ­Bereitstellung von Internet für die über 2,6 Milliarden Menschen hauptsächlich in Entwicklungs­ländern, die Schwierigkeiten haben, überhaupt online zu gehen.

Die meisten von ihnen ­können sich Starlink nicht leisten – eine ­Basisstation kostet ab 350 US-$; für WLAN im Haushalt sind es etwa 80 US-$ pro Monat. Die Preis­gestaltung von AST ist noch weitgehend theoretisch, aber das Start-up hofft, seinen Dienst für einen kleinen Aufpreis auf die Handy­rechnung anbieten zu können; ein überzeugendes Angebot.

Wenn es um Breitband geht, „ist der günstigste und effizienteste Weg über das Telefon“, sagt Avellan. Der gänzliche Verzicht auf den Bau neuer Mobilfunkmasten könnte auch für die Telekommunikationsunternehmen erhebliche Kosten­einsparungen bedeuten, wenn sie Satelliteninternet in Märkten anbieten können, die diese Investitionen noch nicht rechtfertigen. Die Deutsche Bank (die kein AST-Investor ist) schätzt, dass der Umsatz des Unternehmens im Jahr 2026 370 Mio. US-$ übersteigen könnte, sobald der kommerzielle Dienst in Betrieb ist, und bis 2030 die Marke von fünf Mrd. US-$ überschreiten könnte; mit weit geringeren Investitionen, als Starlink für den Start Tausender weiterer Satelliten benötigt.

Das große Hindernis für beide Unternehmen ist die grundlegende Physik der Satellitenkommunikation: Man benötigt nämlich eine direkte Sichtverbindung zwischen einem ­Satelliten und einem Telefon, um ein Signal zu empfangen. Starlink, Project Kuiper und mehrere chinesische Unternehmen planen, dies zu lösen, indem sie die Zone mit Tausenden kleinen, kostengünstigen Satelliten in niedrigen Erdumlaufbahnen überfluten, um eine stabile Verbindung zu den bodengestützten Satelliten­schüsseln aufrechtzuerhalten. Die Antenne in Smartphones ist klein; das macht es schwierig, genug Bandbreite für mehr als nur den Versand von Textnachrichten zu erhalten.

Die AST-Investment-Community zählt auf Reddit mehr als 30.000 aktive Abonnenten. Diese Leute sind davon begeistert, dass man – unabhängig vom Wohn- und Arbeitsort – Breitband haben kann.

Abel Avellan

Die AST-Satelliten sind jedoch mit Antennen ausgestattet, die mindestens 50-mal so groß sind wie die von Starlink. Der Aufbau ist deutlich komplexer als bei einem Starlink-­Satelliten, und jeder AST-­Satellit kostet etwa 21 Mio. US-$, verglichen mit rund 1,2 Mio. US-$ für den Bau eines Starlink-Satelliten. Das Ergebnis ist jedoch echte Breitbandverbindung. Die fünf AST-Satelliten haben bereits erfolgreich Videoanrufe mit Telefonen in den Netzen von Veri­zon, Vodafone, Rakuten und AT&T ermöglicht. AST-Satelliten haben zudem eine längere Lebensdauer und müssen nur alle zehn Jahre ausgetauscht werden, im Vergleich zu fünf bis sieben Jahren bei Starlink. JR Wilson, Vizepräsident für Funktürme und Roaming bei AT&T, einem großen AST-Investor, vergleicht das Technologierennen zwischen Starlink und AST mit dem Heim­videorennen der 1980er-Jahre: „Beta kam zuerst heraus, hatte aber nicht die gleichen Qualitäten wie VHS“, erklärt er.

AT&T plant, Satellitenverbindungen über den Service von AST anzubieten, sobald im nächsten Jahr weitere Satelliten im Orbit sind. AST hat derzeit Verträge mit ­Dutzenden anderer Telekommunikations­anbieter weltweit, darunter Vodafone, Rakuten und Verizon (allesamt Investoren), die potenziellen Zugang zu rund drei Milliarden Abonnenten bieten. Die Partnerschaft mit großen Telekommunikationsunternehmen bietet zahlreiche Vorteile: Indem AST den von Starlink dominierten Markt für Satelliteninternet für Privatkunden vermeidet, muss es kein Geld für die Kundengewinnung oder den Aufbau einer kostspieligen Bodeninfrastruktur ausgeben.

Avellan kennt die Branche in- und auswendig. Der gebürtige Venezolaner studierte Ingenieurwesen, bevor er seine Karriere beim schwedischen Telekommunikationsriesen Ericsson begann. Sein erstes Unternehmen, Emerging Markets Communications, gründete er im Jahr 2000 „mit 50.000 US-$ und einer schwangeren Frau“, wie er sagt, um Satel­litenkommunikationsdienste für ­Afrika und den Nahen Osten ­sowie für Kreuzfahrt- und Frachtschiffe anzubieten. 2016 verkaufte er das Unternehmen für 550 Mio. US-$ an das Satellitenunternehmen Global Eagle und nutzte einen Teil des Er­löses zur Gründung von AST.

Nach dem Start seines ersten Demonstrationssatelliten im Jahr 2019 sammelte AST 110 Mio. US-$ von Vodafone, Rakuten, AT&T und Risikokapitalgebern wie Shift Ventures aus London ein. 2021 ging das Unternehmen über eine von der Private-Equity-Gesellschaft New Providence unterstützte SPAC an die Börse und sammelte weitere 462 Mio. US-$ ein. Der AST-Aktienkurs hat sich seitdem mehr als verdoppelt, wodurch Avellan, der rund 25 % davon hält, rund 2,1 Mrd. US-$ schwer ist. Im März kündigten AST und Vodafone Pläne für ein Joint Venture an, um Mobilfunkbetreibern in Europa und Afrika die Satellitenkonnektivität von AST anzubieten; vorausgesetzt, die Regulierungs­behörden genehmigen diese Ver­einbarungen.

Space X kann derzeit nur Textnachrichten anbieten, was sich jedoch ändern könnte. Mit deutlich weniger Partnerschaften ist Starlink laut Mike Crawford, Analyst bei B. Riley, „finanziell reich, aber spektrum­-arm“. Dennoch könnten Musks geschäftliche Verbindungen eine existenzielle Herausforderung für das Geschäft von AST darstellen. Space X hat der FCC bereits eine Reihe von regulatorischen Fragen zu AST gestellt: Frequenzzugang, Weltraumschrott, Blockierung astronomischer Beobachtungen. In diesen FCC-Anträgen hat Space X AST auch als „Meme-Aktie“ abgetan. Darin steckt in der Tat ein Stück Wahrheit: Während die AST-Aktien seit dem Börsengang um 172 % zugelegt haben, befindet sich die Aktie seit letztem Mai im Höhenflug und stieg in der Spitze um über 1.000 %. Das Unternehmen hat aber praktisch keine Einnahmen, um seine Marktkapitalisierung von mehreren Milliarden Dollar zu stützen. Im Jahr 2024 gab AST 300 Mio. US-$ aus, erzielte aber nur etwa vier Mio. US-$ Umsatz, was ausschließlich auf einen Vertrag mit der Space Defense Agency zum Aufbau einer Infrastruktur für mili­tärische Satellitenkommunikation zurückzuführen ist.

Und wie Meme-Aktien hat auch AST online eine Schar begeisterter Anhänger: Die Investment-Community von AST auf Reddit hat mehr als 30.000 aktive ­Abonnenten. Als das Unternehmen seine Privat­anleger zum Start seiner ­Satelliten im September einlud, kamen fast 1.000 Leute. „Sie sind begeistert ­davon, dass man unabhängig vom Wohn- und Arbeitsort Breitband haben kann“, so Avellan über die große Aufmerksamkeit. „Wenn sie Geld verdienen können, indem sie investieren und verfolgen, was wir tun? Na umso besser!“

Text: Alex Knapp
Foto: Jamel Toppin für Forbes

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