Das Wunder von New York-New Jersey

Die FIFA-Fußballweltmeisterschaft findet im kommenden Jahr in Nordamerika statt. In New Jersey bereitet man sich schon jetzt auf das Finale vor – das wohl größte Event, das die Region je gesehen hat. Können Bruce Revman und Lauren LaRusso den großen Fußballtraum wahr machen?

Bruce Revman zeigt in die Ferne. Vom 91. Stockwerk des One-Vanderbilt-Gebäudes kann man bis weit über die Stadtgrenzen New Yorks hinaus sehen. Jenseits der beiden Flüsse, die Manhattan im Westen und Osten säumen, werden die Gebäude kleiner, die Landschaft übersichtlicher. Folgt man Revmans Finger, landet man jenseits des Hudson River im Industriedickicht von New Jersey. „Da sieht man das Stadion“, sagt er und zeigt auf einen winzig aussehenden ovalen Bau, etwa 15 Kilometer entfernt.

Revman will ausdrücken, wie nah der Ort des Geschehens an der Megametropole New York City ist. Doch von der schwindelerregenden Höhe eines Manhattaner Wolkenkratzers aus ergibt sich eher ein Eindruck der Ferne zu dem Ort, an dem in gut einem Jahr das Endspiel der Fußball-Weltmeisterschaft 2026 stattfinden wird.

Von der Aussichtsplattform „Summit“ aus ergibt sich der Eindruck, als würde man von ­einem futuristischen Raumschiff im ­Weltall auf die Erde blicken und über Fußball sinnieren: Spiegel an Decken, Wänden und Böden reflek­tieren die schier unendliche Skyline, brechen das gleißende Sonnenlicht. Vor dieser Kulisse ­erklären Bruce Revman und Lauren LaRusso ihre Vision für das Spektakel, das sich im Sommer 2026 im besagten Stadion ereignen soll.

Freilich, aus nächster Nähe ist das Stadion alles andere als klein: Mehr als 82.000 Menschen passen ins Metlife, wo normalerweise American Football gespielt wird oder Konzerte veranstaltet werden. Und überhaupt reicht die Vision der Organisatoren weit über die Grenzen des Spielfelds hinaus: Revman und LaRussos Job ist es, das Versprechen des amerikanischen Sommermärchens zu liefern. Das ist kein kleiner Traum – selbst für einen Ort wie New York nicht.

Dabei geht es vor allem darum, die Menschen mit einem Gefühl auszustatten: „Wir möchten sicherstellen, dass alle, die die Weltmeisterschaft 2026 hier erleben – egal, ob sie ein Ticket haben oder einfach nur als Fan in die Gegend kommen –, etwas Besonderes spüren. Wir möchten, dass sie sich als Teil von etwas Besonderem in dieser Region fühlen, denn genau das ist die Weltmeisterschaft“, erklärt Revman sein Mandat.

Der krönende Höhepunkt soll das Finale am 19. Juli 2026 werden. Zusammen mit sieben weiteren Spielen, die hier stattfinden werden (die WM wird in den USA, Kanada und Mexiko und damit teils auch weit weg ausgetragen), wird die Weltmeisterschaft das wohl größte Event, das die Region je gesehen hat. Revman vergleicht diese Spiele gerne mit „acht Superbowls“. Rund eine Million Besucher erwartet er – auch wenn rund die Hälfte dieser Menschen wohl gar kein Ticket haben werden.

Dabei soll es ausdrücklich nicht nur um New York City gehen, sondern um die ganze Region rund um New Jersey und „die City“. „Dies war eine gemeinsame Bewerbung – und alles, was wir getan haben, sind wir mit diesem gemeinsamen Ansatz und dieser Dualität angegangen, um den Menschen klarzumachen, dass wir das zusammen gemacht haben“, betont Revman.

Die Vorbereitungen auf das WM-Finale reichen viele Jahre zurück. Bereits vor der Pandemie haben Revman und LaRusso begonnen, eine Vision zu entwerfen, zu planen, zu managen, zu verwirklichen und Geld einzusammeln. Hinzu kommen Überlegungen zur Infrastruktur, zum Wetter, Sicherheitskonzepte und Partnerschaften mit Unternehmen der Stadt. Teil dieser Strategie ist es auch, New York und New Jersey als Ankerpunkt für all die Fans, die im nächsten Sommer nach Nordamerika reisen, um ihre Mannschaften spielen zu sehen, zu etablieren. Die Gegend soll weit mehr sein als nur der Schauplatz der Fußballspiele.

„Wir möchten wirklich, dass die inter­nationale Gemeinschaft das Gefühl hat, hier ihre Koffer abstellen zu können, um dann ihrem Team durchs ganze Land zu folgen und wieder hierher zurückzukehren, um die Atmosphäre und das gesamte Erlebnis auf sich wirken zu lassen“, erklärt LaRusso. Rein geografisch macht das Sinn: Andere Spielorte, zum Beispiel in Miami und Toronto, sind in relativ kurzer Zeit auf dem Luftweg zu erreichen. Auch sonst ist die Anbindung in andere Teile des Landes gut.

New York soll somit etwas zum Leben erwecken, das in den USA nicht allzu üblich ist:
Fußballkultur. Verglichen mit den kulturellen Wurzeln des Sports in Europa und auch Lateinamerika sind die US-Amerikaner auf dem Fußballfeld immer noch ein wenig die Neulinge. Auch wenn US-amerikanische Teams durch prominente Transfers zuletzt an Bedeutung gewonnen haben: „Soccer“ bleibt hier neben Baseball, Basketball oder Football ein zweitrangiger Sport.

Wir möchten wirklich, dass die internationale Gemeinschaft das Gefühl hat, hier ihre Koffer abstellen zu können, um dann ihrem Team durchs ganze Land zu folgen und wieder hierher zurückzukehren.

Lauren LaRusso

Doch die Organisatoren sorgen sich um ­womöglich mangelnde Begeisterung nur wenig – insbesondere am Austragungsort des großen Finales. „Der Geburtsort, könnten wir sagen, oder die Heimat des US-Fußballs liegt in New Jersey. So viele großartige Spieler kommen von dort“, erklärt Revman.

Zudem besteche New York City durch seine immense kulturelle Vielfalt. Die Stadt hat eine große Bevölkerungsgruppe mit lateinamerikanischen und europäischen Wurzeln. Schon zu früheren Turnieren waren Public-Viewing-Events gut besucht, und die New Yorker waren gut in­formiert über den Stand der Wettbewerbe. An Fußballfans wird es also wohl nicht mangeln, wenn im nächsten Sommer angepfiffen wird.

Wenn es also einen Ort für Fußball in den USA gibt, dann in New York. „Die Grundlage, um das zu fördern, was bereits vorhanden ist, ist hier. Für mich und für Lauren geht es darum, auf diese Infrastruktur und die Leidenschaft für Fußball, die hier existiert, aufzubauen“, so Revman.

Mit der FIFA gebe es eine konstruktive Zusammenarbeit. Die finanziellen Mittel, um das Event auszutragen, müssen am Ende jedoch vom Austragungsort selbst kommen. Auch das ist Teil von Revmans und LaRussos Job: Geld einzusammeln. Man hoffe, mehr als 100 Mio. US-$ für das Event zu bekommen, so Revman. Ein schmales Investment verglichen mit einem ökonomischen Effekt von zwei Mrd. US-$ für die Region, auf den die Organisatoren hoffen. Bis zu 14.000 Jobs soll die WM außerdem in den kommenden zwei Jahren schaffen.

Inspiration für das große amerikanische Fußballspektakel haben sich die Organisatoren aus Europa geholt. Während der Europameisterschaft im vergangenen Sommer in Deutschland waren auch Revman und LaRusso zu Gast – von den deutschen Fanmeilen haben sie viel lernen können. „Was die Deutschen gut können, ist, die Menschen zusammenzubringen und diese Events zugänglich zu machen“, sagt LaRusso.

Gut möglich, dass das New Yorker Fußball-Feeling anders sein wird als das auf einer Berliner Fanmeile. Das zeigt auch die Kulisse unseres Interviewtermins: futuristisch und ein bisschen glamourös. Es ergibt sich der Eindruck eines Events, das sehr vielschichtig sein wird; und eines Gastgebers, der der WM einen anderen Stempel aufdrücken wird als traditionellere Vorgänger.

LaRusso und Revman haben noch viele Monate der Organisation vor sich. Beide haben einen Großteil ihrer Karriere in Regierungs- oder Tourismusjobs gearbeitet, doch mit der WM haben beide nun ein Projekt der Extraklasse vor sich – nicht nur mit Blick auf ihre Karrieren. „Menschen zusammenbringen“ – das ist der rote Faden ihrer Visionen. Das gilt für New York und New Jersey als konkurrierende Regionen, für die Bewohner und den Rest der Welt und die Amerikaner selbst.

Das letzte Mal, dass die USA Gastgeber für die Fußball-Weltmeisterschaft waren, ist inzwischen mehr als 30 Jahre her. Viel hat sich seitdem verändert im Land. LaRusso: „Wenn wir die Trommel dafür rühren können, das Zusammen­kommen trotz unserer Unterschiede zu feiern, wäre es wirklich bemerkenswert. Es ist wichtig für die Gesellschaft, Hoffnung zu haben, Stolz zu empfinden und Potenzial zu erkennen.“

Text: Sarah Sendner
Fotos: Sashabphoto

Forbes Editors

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