Deal des Jahrhunderts

Jahrelang kämpfte er gegen Skeptiker im Silicon Valley und Widersacher an der Wall Street – doch nun hat Michael Dell den Deal des Jahrhunderts gemacht und sich mithilfe zahlreicher Kredite ein Vermögen von 50 Milliarden US-$ aufgebaut. Doch seine größten Ziele hat Dell noch vor sich.

Im Büro seiner Stiftung in der texanischen Stadt Austin sitzend verspürt Michael Dell keine Lust, am Milliardärswettrennen ins Weltall teilzunehmen. „Ich bin vollkommen zufrieden damit, auf dem Planeten Erde zu bleiben“, sagt der Computerpionier und lacht.

Im letzten Jahrzehnt hat sich Dell aus der Öffentlichkeit weitgehend zurückgehalten. Seine Absenz hatte oft mit laufenden Übernahme­verhandlungen zu tun, aber auch damit, dass der Unternehmer wenig Lust auf das Rampenlicht hatte. Vor neun Jahren hatten sowohl das Silicon Valley als auch die Wall Street Dell und das gleich­namige Unternehmen abgeschrieben: Man ging für Dell vom gleichen Schicksal aus, wie es Blackberry oder Palm ereilt hatte. Doch schon damals sah Dell eine Chance: Er beauftragte die Private-Equity-Firma Silver Lake damit, sein Unternehmen 2013 für 24,9 Milliarden US-$ zu privatisieren – es war die größte ­fremdfinanzierte Übernahme im Technologiebereich überhaupt. Drei Jahre später übernahm Dell gemeinsam mit Silver-Lake-CEO Egon Durban den IT-Riesen EMC Corporation – für rund 67 Milliarden US-$. Insgesamt hat Dell rund 70 Milliarden US-$ an Krediten aufgenommen, eine Summe, deren Größe wohl von keinem anderen Unternehmen in Corporate America erreicht wurde.

Doch die Ergebnisse sind bemerkenswert: In Branchen wie Verkehr, Telekommunikation, Energienetze, Krankenhäuser und Logistik haben die digitalen Anwendungen stark zugenommen. Sie alle produzieren immer größere Daten­mengen, die gespeichert und verwaltet werden müssen. Somit steht Dell an der Spitze des weltweit größten Infrastrukturanbieters für solche Dienstleistungen. „Die Datenmenge,
die derzeit auf der Welt erzeugt wird, ist einfach unglaublich“, sagt er – „und sie verdoppelt sich alle sieben oder acht Monate.“

Dell Technologies ist mit einer Bewertung von 75 Milliarden US-$ mehr als viermal so viel wert wie noch vor der Privatisierung. Das zeigt sich auch in den Zahlen: Dell, Silver Lake und die Co-Investoren haben seither rund 40 Milliarden US-$ verdient, Dells persönliches Vermögen ist auf 50 Milliarden US-$ gewachsen. In vielerlei Hinsicht ist er damit der Architekt des größten Buy-out-Coups aller Zeiten. Und: Mit seinen 56 Jahren ist Dell der letzte Tech-Unternehmer aus der Frühphase des Computerbusiness, der sein Unternehmen noch selbst anführt. Seine Konkurrenten sind in die Jahre gekommen oder weitergezogen, darunter die Tech-Milliardäre Bill Gates, Larry Ellison oder Steve Ballmer.

Doch für Dell geht es weiter, denn er wird bald nicht nur einen, sondern zwei Tech-Riesen führen. Neben seinem Unternehmen Dell ­Tech­nologies wird er auch das Spin-off VM Ware leiten, das sich auf den Bereich Cloud Computing spezialisiert hat. „Jeder schaut auf Amazon, Microsoft und Google“, sagt Salesforce-Gründer Marc Benioff. „Die meisten haben noch nicht kapiert, dass Dell still und heimlich Anteile im Markt für Enterprise Technology gewinnt.“

Die aktuell auf der Welt erzeugte Datenmenge ist einfach unglaublich –und sie verdoppelt sich alle sieben oder acht Monate.

Nur wenige Sterne haben im Zeitalter der Personal Computer so hell gestrahlt wie jener von Michael Dell. Von einem Zimmer in seinem Studentenwohnheim der University of Texas aus gründete er 1983 das gleichnamige Unternehmen, das Millionen von Amerikanern mit ihrem ersten PC versorgte – frei nach dem Motto: schneller, besser, billiger. Er wurde zu einem Wunderkind der Tech-Branche und wirbelte – zeitgleich mit Steve Jobs und Bill Gates – die Computerindus­trie auf. 1991 war Dell, damals 26 Jahre alt, mit einem Nettovermögen von 300 Millionen US-$ auf der „Forbes 400“-Liste der 400 reichsten US-Amerikaner vertreten. Dell stand für individuelle Anpassbarkeit, eine hohe Servicequalität und niedrige Preise. Im Jahr 2000 war das Unter­nehmen der weltweit größte Verkäufer von PCs.

Doch dann begann das Imperium zu bröckeln. Nachdem Dell 2004 bereits in den Ruhestand getreten war, kehrte der Gründer noch vor der Finanzkrise zu seinem Unter­nehmen zurück. Dell Technologies war damals mitten im Umbruch, ein Bilanzskandal belastete den Ruf und beim großen Trend rund um Laptops war man in Rückstand geraten. Das Aufkommen von Apple-Geräten wie iPhone oder iPad sowie die margenschwachen hauseigenen Chromebooks verschlimmerten die Situation. Der Markt fing an, Dells Geschäft mit Servern und Speicherplatz als veraltet zu betrachten – Dell schlug zurück und gab 14 Milliarden US-$ für Übernahmen aus.

Ab 2012 sanken die Verkäufe von PCs, Cloud Computing war auf dem Vormarsch. Dells Unternehmen wurde mit Dinosauriern wie Nokia in einen Topf geworfen – der Gründer schmiedete daraufhin einen Plan, um sein Unternehmen mit innovativen Merkmalen wieder wertvoll zu machen. „Es war einfach eine Gelegenheit da“, erinnert sich Dell. „Wir konnten aus Zitronen Limonade machen.“ 2013 entschied er sich für eine fremdfinanzierte Übernahme in der Höhe von 67 Milliarden US-$ (Leveraged Buy-out, kurz LBO). Seitdem ist Dell wieder Herr seines eigenen Schicksals. Vor dem LBO besaß er 15,6 % seines Unternehmens, das waren Aktien im Wert von weniger als vier Milliarden US-$ – heute besitzt er 52 % sowie einen Anteil von 42 % an VM Ware. Der Gesamtwert seiner Beteiligungen beträgt rund 40 Milliarden US-$.

Das erstaunliche Comeback von Michael Dell lässt sich vor allem auf eines zurückführen: Er hat im entscheidenden Moment richtig erkannt, wohin sich die Technologiebranche bewegt. PCs erlebten inmitten des Homeoffice-Booms ein massives Wachstum – der Umsatz mit den Rechnern stieg im letzten Quartal um 20 % auf 13,3 Milliarden US-$. Außerdem haben Cloud-Anbieter wie Amazon Web Services (AWS) und Microsoft Azure trotz ihres Erfolgs die IT-Welt nicht nachhaltig eingenommen. Viele Unternehmen verfolgen heute einen diversifi­zierten Ansatz, indem sie Cloud-Plattformen wie AWS nutzen, zusätzlich aber eine umfangreiche IT-Infrastruktur vor Ort für ihre Daten bei­behalten. Der Kauf von EMC macht Dell zu einem Giganten in der Wartung von Rechen­zentren, einem der großen Wachstumsmärkte des Tech-Sektors.

Dell hat es schon immer verstanden, über den Verkauf von Geräten weitere Dienstleistungen an Unternehmen zu verkaufen. Aktuell ist sein Unternehmen der weltweit größte Anbieter von Datenspeichern und Servern sowie der größte Verkäufer von Desktopcomputern und Monitoren in Nordamerika. Jetzt will er seine Position nutzen, um den IT-Bedarf von Unternehmen unter einem Dach zu bündeln.

„Unternehmen kaufen bereits knapp die Hälfte von allem, was sie benötigen, bei uns. Warum sollten sie nicht alles bei uns kaufen?“, fragt Dell rhetorisch. Noch verlockender ist das kürzlich von Dell eingeführte Apex-Produkt zum Verkauf von Daten- und Cloud-Management­Abodiensten auf Basis der Kundennutzung: Aus einmaligen Verkäufen werden wieder­kehrende Dienste, die mit zunehmender Nutzung mehr Umsatz generieren. Mit einem Umsatz von 94 Milliarden US-$ wird Dell Technologies in den kommenden Jahren doppelt so schnell wachsen wie das globale BIP.

Michael Dell
... wurde 1965 in Texas geboren. 1983 brach er sein Studium ab, um sein Unternehmen zu gründen. Heute ist Dell Technologies einer der größten Verkäufer von PCs und einer der größten Anbieter von Cloud-Infrastrukturdiensten.

Dell plant, in diesem Jahr Schulden in der Höhe von 16 Milliarden US-$ zu tilgen, und strebt gleichzeitig ein Investment-Grade-Rating an. Damit wäre das Unternehmen in der Lage, die Finanzmärkte zu nutzen und sein Kreditgeschäft auszubauen, was es ihm wiederum ermöglichen würde, mehr Kunden zu finanzieren und Anteile von Konkurrenten wie HP Enterprise zu gewinnen. In Austin nimmt Dell seine Position an der Spitze der Tech-Industrie also wieder ein. Die Location ist nicht ganz ungünstig: Mit einer 1,8 Milliarden US-$ schweren Stiftung, einer 19 Milliarden US-$ schweren Investmentfirma und einem Family Office sind Dell und seine Frau Susan zu Beratern für neue Tech-Milliardäre geworden, die boomende Märkte genutzt haben, um ihre Unternehmen an die Börse zu bringen.

Denkt der 56-Jährige überhaupt an den Ruhestand? Eher nicht. „Ich würde mich langweilen und deprimiert sein“, so Dell. Anders als Jeff Bezos, Bill Gates, Larry Ellison oder andere Kollegen, die dem Altruismus, dem Hedonismus oder dem Nervenkitzel nachjagen, will Dell also bei seinem Plan A bleiben: „Ich habe noch einen langen, langen Weg vor mir.“

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