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In der siebten Klasse aus der Schule geflogen, heute CEO eines der am schnellsten wachsenden Logistikunternehmen in der DACH-Region: Storebox-Mitgründer Johannes Braith will diesen Sektor im städtischen Bereich revolutionieren.
Wir können nicht einmal so schnell wachsen, wie die Nachfrage das tut“, sagt Johannes Braith, Mitgründer des österreichischen Logistik-Jungunternehmens Storebox und Forbes-„30 Under 30“-Listmaker im Gespräch. Und tatsächlich: Laut Bericht des deutschen Immobiliendienstleisters JLL wurde im ersten Halbjahr 2021 mit 3,9 Millionen Quadratmetern so viel Logistikfläche umgesetzt „wie nie zuvor in einem ersten Halbjahr“. Auch in Österreich gilt der Logistikmarkt laut der Tageszeitung Die Presse als „Krisengewinner“ – doch in den ersten sechs Monaten 2021 war ein deutlicher Umsatzrückgang zu verzeichnen.
Der Grund dafür? Der Mangel an modernen und generell verfügbaren Logistikflächen.
Genau davon profitiert Storebox mit seinen eigens gebauten und völlig digitalisierten Locations. Die Idee, Lagerflächen zu vermieten, ist keine neue; der Unterschied zu den anderen großen Playern der Lagerlogistik (etwa Weltmarktführer Public Storage in den USA mit 56,82 Milliarden US-$ Marktkapitalisierung) ist aber die zentrale Lage der Storebox-Standorte: mitten in der Stadt. Das Geschäftsmodell scheint den Nagel auf den Kopf getroffen zu haben: Im Juli 2021 hat das Start-up die bis jetzt viertgrößte Investmentrunde Österreichs abgeschlossen. In der Series B holte sich Storebox 52 Millionen €. Hinter dem Geld stecken Activum SG, Attila Balogh, Senger-Weiss, Wicklow Capital, Kineo Finance, N3K Holding sowie Wille Finance. „Durch die aktuelle Finanzierung wird unser Wachstum beschleunigt, sodass wir demnächst einen zweistelligen Millionenbetrag umsetzen werden“, so Braith.
Ursprünglich hatte Braith die Idee, eine Art „Airbnb für Lagerflächen“ ins Leben zu rufen, als er sah, wie seine Nachbarin ihren Kellerraum vermietete. Er gründete zusammen mit Ferdinand Dietrich (CCO) und Christoph Sandraschitz (CTO) 2016 Storebox. Doch es stellte sich bald ein Problem heraus: „Die Nachfrage war zwar da und das Angebot auf der Plattform war riesengroß – rund eine halbe Million Quadratmeter an Lagerfläche. Aber die Zustände waren alles andere als optimal, denn im besten Fall sollte ein Lagerraum ebenerdig, trocken und auch digitalisiert sein“, erklärt Braith. Die Kellerräume und Abstellkammern, die auf der Plattform zu finden waren, erfüllten diese Kriterien aber meistens nicht. Nach einem halben Jahr stellten die drei Gründer ihr Modell neu auf: Sie begannen, eigene Storeboxes zu bauen.
Das Storebox-Geschäftsmodell profitiert vom Aufstieg des E-Commerce in zweierlei Hinsicht. Einerseits werden urbane Logistikzentren für die Zustelldienste sowie die Paketempfänger immer wichtiger. Andererseits führt Onlineshopping dazu, dass der stationäre Handel schrumpft; das heißt, Flächen in der Innenstadt, die einst belebt waren, stehen jetzt leer. Und tatsächlich: Laut Bericht der Beratungsfirma Standort + Markt sind 2020 die Geschäftsflächen in Österreich zum zweiten Mal in Folge geschrumpft. Derzeit sind rund 70 % der Storebox-Kunden Privatpersonen, wobei der Businessanteil stark am Wachsen ist: „Vor der Coronakrise waren wir bei nur 10 % Businesskunden, mittlerweile sind es 30 % – weil ein großer Kunde wie Ikea einfach riesige Flächen benötigt“, erklärt Braith.
Alle Storebox-Standorte sind durch ihre Markenfarbe sofort klar erkennbar: Sowohl außen als auch innen sind die Wände lindgrün. Das Angebot variiert von kleinen Lagern mit etwa 0,9 Quadratmeter Fläche um 39 € monatlich bis zu fast zehn Quadratmeter großen Lagern um 249 €. Die beliebteste Größe sei laut Braith drei Quadratmeter, wobei die Popularität von immer kleineren Abteilen steigt. Als Drop-off- und Pick-up-Location für den Versand konkurriert Storebox vor allem mit den völlig digitalisierten Paketstationen der Österreichischen Post AG. Bei Storebox kommt aber noch das Alleinstellungsmerkmal dazu, dass die Standorte auch als private Lager benutzt werden können – bei den Post-Flächen ist das nicht der Fall.
Während die Nutzung dieses Service für Kunden simpel und intuitiv gemacht worden sei, passiere im Hintergrund sehr viel, erklärt der Gründer: „Wir bündeln hinter den Kulissen die Warenströme und können dadurch Skaleneffekte erzielen, was auch die Transportkosten senkt. Wir haben Abertausende Stunden in die Software gesteckt: Das Verschlusssystem ist cloudbasiert, die optimalen Standorte werden mittels Machine-Learning-Tools berechnet und analysiert, wir haben IoT (Internet of Things, Anm.) zur Messung der Luftfeuchtigkeit, Temperatur und so weiter“, so Braith. Genau diese Schnittstelle zwischen Software und Hardware sei laut Braith die größte Herausforderung.
Johannes Braith
...studierte Logistik und Transportmanagement an der Fachhochschule des BFI Wien und gründete 2016 gemeinsam mit Ferdinand Dietrich und Christoph Sandraschitz das Logistikunternehmen Storebox.
Aufgewachsen ist Johannes Braith in Kaumberg, einer 1.000-Einwohner-Gemeinde in Niederösterreich; die Schule besuchte er in der angrenzenden Stadt Berndorf. Doch bis zur Matura schaffte er es nicht: Einmal hatte er eine Klasse wiederholen müssen, in der siebten Klasse Gymnasium war es dann so weit – Braith flog von der Schule. Auf die Frage, woran das wohl gelegen habe, erklärt er heute: „Vermutlich habe ich damals nicht so gut mit Autoritäten umgehen können.“
Eine kurze Zeit arbeitete Braith auf Baustellen, um sich etwas Geld zu verdienen. Doch bald entschied er sich für eine Lehre als Speditionskaufmann, denn dies war das einzige Angebot, das etwas international ausgerichtet war. Bei seinem ersten Job beim Versanddienst TNT Express sammelte Braith wertvolle Arbeitserfahrung: „Da hilft man Unternehmen dabei, die beste Transportmöglichkeit zu finden, egal ob Luftfracht, Straßentransport oder Seefracht.“ Insgesamt verbrachte Braith sechs Jahre bei TNT Express und begann, die Matura nachzuholen. 2015 absolvierte er an der Fachhochschule des BFI Wien ein Bachelorstudium in Logistik und Transportmanagement, 2016 gründete er noch während seines Masterstudiums Storebox mit.
Derzeit beschäftigt das Unternehmen mit Sitz in Wien rund 50 Mitarbeiter, in den kommenden Monaten soll sich diese Zahl laut Braith verdoppeln. Als Ziel für das kommende Jahr nennt er den Ausbau der Standorte in Deutschland – 2021 will man dort auf 300 Filialen kommen: „Der deutsche Markt wäre groß genug, um die gesamten 52 Millionen €, die wir jetzt bekommen haben, nur dort zu investieren. Im ersten Quartal 2022 haben wir aber schon vor, in ganz neue Länder zu gehen, etwa nach Frankreich und Polen.Das wird eine Herausforderung. Wir freuen uns aber darauf!“
Text: Sophie Spiegelberger
Fotos: Peter Pflüger
Dieser Artikel erschien in unserer Ausgabe 7–21 zum Thema „Smart Cities“.