Der alte Mann und das Mehr

In welchem Unternehmen der Lebensmittelbranche der US-Starinvestor investiert.

Nur wenige Namen sind in der globalen Finanzszene so geläufig wie jener von Warren Buffett: Mit einem laut Forbes Billionaires List geschätzten Vermögen von 84 Milliarden US-$ ist der Investor der drittreichste Mensch der Erde. Buffett ist immer wieder für Überraschungen gut. Legendär ist etwa sein Coup beim US-Investmenthaus Goldman Sachs, als er am Höhepunkt der Finanzkrise 2008 – als kein Mensch auch nur einen Pfifferling für Bankaktien hergeben wollte – rund fünf Milliarden US-$ in die total abgestürzten Aktien des Unternehmens investierte. Das hatte allerdings nichts Wohltätiges an sich: Buffett ließ sich von den Goldmännern knallhart eine Mindestrendite von zehn Prozent zusichern. Das Investment in die US-Bank hatte er sich bei einer Tüte Erdnussflips und einer Packung Lakritzbonbons überlegt, wie Buffett später erzählen sollte.

Stellt sich die Frage: Wie kam der Mann zu seinem überaus beachtlichen Vermögen? Nun, Warren Buffett ist nicht arm geboren. Er erblickte am 30. August 1930 in Omaha, Nebraska, als Sohn eines Kongressabgeordneten das Licht der Welt. Erste Deals mit Colaflaschen verliefen der Erzählung nach erfolgversprechend. Und Buffett blieb seinem Hang zu Nahrungsmitteln ein Leben lang treu. Seine nach heutigen Maßstäben stockkonservativen Strategien setzte er in der von ihm seit 1965 dominierten Investmentfirma Berkshire Hathaway – 1955 aus der Fusion der beiden Textilfirmen Berkshire Fine Spinning und Hathaway Manufacturing entstanden – um, deren Aktien an der Börse notieren und die 1969 43 US-$ wert waren. Heute notiert die Holding, die rund 80 Unternehmen unter sich vereint, als mit Abstand teuerstes Papier des US-Markts bei rund 320.000 US-$ – pro Aktie, wohlgemerkt. Allein während der letzten fünf Jahre verdoppelte sie ihren Kurs. Mitverantwortlich für den Erfolg sind auch Unternehmen aus dem Lebensmittelbereich, beispielsweise der Traditionsbetrieb Coca-Cola. Denn Buffett liebt, wie Mitarbeiter gerne erzählen, Coca-Cola – und hierbei vor allem das fruchtige Cherry Coke. Dem Vernehmen nach trinkt er pro Tag fünf Dosen der braunen Limonade. Das „Orakel von Omaha“ besitzt heute 400 Millionen Aktien des Getränkekonzerns, die ein Gesamtvermögen von rund 18 Milliarden US-$ – oder mehr als neun Prozent der Unternehmensanteile – repräsentieren.

Buffett ist schon seit Jahrzehnten mit dem US-Paradegetränk verbunden: Erstmals erstand er 1981 Coca-Cola-Aktien, nach dem Börsencrash von 1987 fügte er in großem Stil weitere zum Portfolio von Berkshire Hathaway hinzu. Buffett kaufte damals Aktien für rund eine Milliarde Dollar, stets gemäß seiner Strategie „Kaufe Qualität, wenn sie günstig ist“ – zu einer Zeit, als die Preise allgemein niedrig waren. Das Abenteuer machte sich bezahlt. Der Kurs der Papiere des Unternehmens mit Sitz in Atlanta, Georgia, stieg in den auf den Kauf folgenden acht Jahren um fast 20 Prozent jährlich. Der Konzern revanchierte sich vor nicht allzu langer Zeit bei seinem treuen Investor: Zur Markteinführung von Cherry Coke in China am 10. März 2017 brachte Coca-Cola eine limitierte Edition auf den Markt: Die 330-ml-Dosen sind mit Warren Buffetts Gesicht im Comicstil bedruckt.
Die auf den ersten Blick schräge Idee wirkte umsatzfördernd, war also durchaus kein Fehler – Shelly Lin, die chinesische Marketingdirektorin für die Handelsmarke Coca-Cola, ließ in einer Pressemeldung des Konzerns verlauten: „Wir waren tatsächlich überrascht, als Mr. Buffett der Idee zustimmte. Doch wir sind begeistert, und er verkauft sich gut.“ Es sieht auch so aus, als ob die Liaison zwischen Buffett und Atlanta noch eine Weile Erfolg zeitigen dürfte: So gut wie alle Analysten von Rang setzen Coca-Cola auf Hold oder Buy, etwa die US-Investmentbank Morningstar. Dort wurde die Aktie des Getränkekonzerns kürzlich von „Hold“ auf „Buy“ hochgestuft und das Kursziel von 46,50 auf 48,50 US-$ angehoben.

Die lange Zeit mit Abstand wertmäßig wichtigste Position in Buffetts Reich ist die Kraft Heinz Company mit 25,3 Milliarden US-$ Beteiligungswert. Sie wurde erst kürzlich von Apple übertroffen, wo Buffett rund 28 Milliarden US-$ Beteiligungswert hält. 2015 fusionierte die Kraft Foods Group mit der H. J. Heinz Company zur The Kraft Heinz Company. Der Konzern, einst im Mehrheitsbesitz der Altria Group, zu der auch der Zigarettenriese Philip Morris gehört, ist seit März 2007 unabhängig. Die Produkte des Unternehmens entsprechen genau einer der Strategien von Warren Buffett: Man muss sie nicht erklären – und so gut wie jeder besitzt sie.
Da passt der Hersteller von Marken wie Jacobs-Kaffee, Milka-Schokolade, Philadelphia-Frischkäse und natürlich Heinz-Ketchup genau dazu. Kein Wunder also, dass Berkshire Hathaway seine Beteiligung am Lebensmittelriesen Kraft Foods weiter aufgestockt hat und inzwischen mit einem Anteil von 8,6 Prozent am Aktienkapital der größte Einzelaktionär des global zweitgrößten Nahrungsmittelkonzerns mit rund 26 Milliarden US-$ Umsatz und ­einem Reingewinn von 3,45 Milliarden US-$ ist.

Die im Vorjahr geplante, 143 Milliarden US-$ schwere Übernahme von Unilever ging zwar schief, doch Buffett hält sein Pulver vorerst trocken: „Dies war die einzige Transaktion, die ich ernsthaft als sinnvoll erachtet hätte“, sagte der Kraft-Heinz-Großaktionär, der mit Berkshire Hathaway und dem brasilianischen Finanzinvestor 3G Capital 50,9 Prozent an Kraft hält. Die Aktie steht aktuell unter Druck und hat in den letzten Wochen mehr als zehn Prozent an Wert eingebüßt. Doch der überwiegende Teil der Analysten ist positiv gestimmt: Das durchschnittliche Kursziel auf Basis der Analystenmeinungen liegt bei 81,70 US-$. Das bedeutet, dass der aktuelle Kurs von rund 66 US-$ um 22,9 Prozent steigen würde.

Doch das wird Buffett wahrscheinlich egal sein, meint er doch: „Es ist ein Fehler, auf die täglichen Kursschwankungen einer Aktie zu achten.“ Viel mehr könnte ihm die Aussicht auf die heuer prognostizierten vier Prozent Dividendenrendite von Kraft Heinz gefallen.
Manche Unternehmen aus dem Lebensmittelbereich waren für Buffett gar so attraktiv, dass er sie gleich ganz schluckte, so zum Beispiel Dairy Queen – in den USA oft abgekürzt mit DQ –, das hierzulande weniger bekannt ist. Buffett stieg im Oktober 1997 mit 585 Millionen US-$ bei der 1938 gegründeten Kette (Softeis und Fast-Food-Restaurants) ein und hält 99 Prozent an dem in mehr als 25 Ländern – von den Bahamas bis Vietnam – tätigen Unternehmen mit rund 6.400 Filialen. Die Aktivitäten in Europa waren nicht von großem Erfolg gekrönt und so wurde der Standort in Österreich 1999 wieder geschlossen, Filialen in Ungarn und Italien bereits davor. Das letzte Restaurant in Europa wurde 2016 in Polen geschlossen. Umsatz- oder Gewinnzahlen zu DQ werden von Berkshire Hathaway übrigens nicht veröffentlicht.

Das Gleiche gilt für The Pampered Chef, einen Kauf, den Buffett 2002 über die Bühne gehen ließ. Das 1980 gegründete Unternehmen ist eine multinationale Multi-Level-Marketing-Firma, die eine Reihe von Küchengeräten, Lebensmittelprodukten und Kochbüchern für die Zubereitung von Speisen im Haushalt anbietet. See’s Candies, ebenfalls zur Gänze und seit 1972 im Besitz von Berkshire und daher ohne veröffentlichte Zahlen, ist ein 1921 gegründeter, in den USA ansässiger Hersteller und Vertreiber von Süßigkeiten, insbesondere Schokolade, mit Sitz in Kalifornien.

In Sachen süße Versuchungen gab es auch bei den jungen Beteiligungen Zuwachs: Seit 2016 ist Buffett mit Berkshire Hathaway auch bei Mondelez an Bord – jedoch nur mit einem Minianteil von 0,04 Prozent der Aktien, was rund 578.000 Stück beziehungsweise rund 25 Millionen US-$ Gesamtinvestment bedeutet. Mondelez ist ein weltweit tätiger US-amerikanischer Lebensmittelkonzern mit Sitz in Deerfield, Illinois – und einer der weltweit größten Hersteller von Lebensmitteln. Das Unternehmen machte 2017 mit 99.000 Mitarbeitern rund 26 Milliarden US-$ Umsatz und ist ein „Verwandter“ von Kraft Heinz und überhaupt erst durch die Aufspaltung von Kraft entstanden.

Der Name ist ein Kunstwort aus „Welt“ (mondo) und deliziös. Bei dieser Kreation war auch der Wiener IT-Mitarbeiter Johannes Schmidt beteiligt, was Warren Buffett nicht hinderte, den Namen bei seinem Einstieg heftig zu kritisieren. Der Umsatz ist in den letzten Jahren bis auf 21,5 Milliarden US-$ (2017) zurückgegangen, gleichzeitig stieg der Bilanzgewinn von 1,6 Milliarden US-$ im Jahr 2016 auf 2,4 Milliarden US-$ 2017. Die Aktie – seit 2015 von 25 bis auf zuletzt 43 US-$ geklettert – erhielt im Vorjahr einen Dämpfer, als Warren Buffett nach der geplatzten Unilever-Übernahme einen von Investoren erwarteten großen Einstieg bei Mondelez entschieden ablehnte.

Trotzdem gibt es für die Monde­lez-Aktie aktuell zehn „Buy“-, neun „Outperform“- und vier „Hold“-Bewertungen von Analystenseite. Das durchschnittliche Kursziel für diese Aktie auf Basis der Analystenmeinungen liegt bei 51,60 US-$. In diesem Szenario würde der aktuelle Kurs um 17,67 Prozent steigen. Eine der jüngsten Aktivitäten des Investmentgurus war der Einstieg beim Saatgutproduzenten Monsanto im vierten Quartal 2016 – kurz vor der geplanten Übernahme durch den deutschen Chemieriesen Bayer. Die Deutschen hatten im Mai 2016 ein offizielles Angebot vorgelegt, Monsanto für 62 Milliarden US-$ übernehmen zu wollen. Das Management von Monsanto entschied sich einstimmig für eine Ablehnung des Angebots; man erachtete die Offerte als zu niedrig. Gleichzeitig ließ man verlauten, man sei offen für konstruktive Gespräche. Im September präsentierte Bayer ein erhöhtes Angebot, das angenommen wurde. Berkshire Hathaway kaufte kurz darauf acht Millionen Aktien und erhöhte im dritten Quartal 2017 seinen Anteil um weitere zehn Prozent. Wenige Monate später wurde nochmals um rund 35 Prozent aufgestockt, sodass Buffett nun 11,7 Millionen Stück im Gesamtwert von 1,36 Milliarden US-$ hält.

Der Hersteller von Saatgut und Herbiziden, darunter das umstrittene Glyphosat, ist auch bei genetisch verändertem Saatgut aktiv und machte 2016 bei einem Umsatz von 13,5 Milliarden US-$ einen Nettogewinn von rund 1,4 Milliarden US-$. Die Aktie des 1901 gegründeten Unternehmens mit Sitz in St. Louis, Missouri, ist im Augenblick mit einem Kursziel von 122 US-$ als „Sell“ eingestuft; allerdings wäre sie ab einem Kurs unter 90,80 US-$ wieder unterbewertet. Das Papier wird dennoch als „Outperform“ bewertet, man rechnet mit einem Kursziel von 126 US-$.
Wenn Sie sich nun fragen, wie man ein solch großes Firmenimperium leiten und sich auch mit 88 Jahren noch bester Gesundheit erfreuen kann, sollten Sie sich das höchst ungewöhnliche Ernährungskonzept der Investorenlegende mit ihrem Hang zu Fast Food und Cola, von dem Buffett drei Dosen während des Tages und zwei am Abend zu sich nimmt, anhören: „Ich habe die versicherungsmathematischen Tabellen überprüft, und die niedrigste Sterberate liegt bei Sechsjährigen. Also beschloss ich, wie ein Sechsjähriger zu essen.“ Denken Sie aber auch an einen weiteren Buffett-Spruch: „Auf dem Friedhof gibt es keine Forbes-Liste.“

Text: Reinhard Krémer
Illustration: Valentin Berger

Dieser Artikel ist in unserer März-Ausgabe 2018 „Food“ erschienen.

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