DER KRISE DIE ZÄHNE ZEIGEN

Corona und kein Ende – sollte man meinen. Doch obwohl Unternehmen weltweit unter der schwersten Krise seit Jahrzehnten leiden, gibt es auch solche, die ihre Anleger mit oft unerwarteten Renditen erfreuen.

Die Pandemie ist in den vergangenen Wochen wieder zu Höchstform aufgelaufen – die zweite ­Welle schwappt derzeit über sämtliche Länder und Kontinente. Das trifft die Wirtschaft, die sich gerade ein wenig erholt hat, ins Mark. Der französische Kreditversicherer Coface erwartet, dass die Wirtschaftsleistung der Welt im Vergleich zum Vorjahr um 4,4 % abnimmt. Trotz der für 2021 erwarteten Erholung (+5,1 %) werde das BIP in den Ver­einigten Staaten, der Eurozone, ­Japan und Großbritannien im Vergleich zu den ­Niveaus von 2019 um zwei bis fünf Punkte niedriger bleiben. Dies wurde jedoch unter der ­Annahme errechnet, dass es ­keine ­zweite ­Welle der Coronavirus-Pandemie gibt – diese Hoffnung hat sich nicht ­be­stätigt.

Zu den am stärksten betroffenen Branchen gehören – so die ­Coface-Experten – der Handel und die Automobilbranche. Doch trotzdem gibt es auch in diesen Sektoren Aktien, die allen Widrigkeiten trotzen und saftige Renditen abwerfen.

Dazu gehört etwa das Papier von Daimler. Der Stuttgarter Hersteller von Personenkraftwagen und Nutzfahrzeugen überraschte zuletzt mit einem saftigen und wohl für viele unerwarteten Plus. Der Konzern hat nämlich im dritten Quartal vor Steuern und Zinsen einen Gewinn von 3,1 Milliarden € eingefahren, insgesamt 772.700 Fahrzeuge, Trucks und Vans verkauft und einen Umsatz von 40,3 Milliarden € erzielt. Damit ist der Gewinn – Wirtschaftskrise hin oder her – sogar noch etwas höher als im Vorjahr.

Wie das gelang, ist zum einen Grund zur Freude, wird zum anderen aber auch kritisiert: Der Konzern hat gewaltige 37,7% seiner ­gesamten Produkte im Reich der Mitte abgesetzt. Im Vorjahr lag dieser Wert noch „nur“ bei 28,3%; das ist ein Wachstum von fast zehn Prozentpunkten in einem einzigen Jahr. Weil China sich von der Pandemie bereits erholt hat, sind die Daimler-Absätze dort gestiegen – das ließ die Kassen der Schwaben klingeln.

Diese Abhängigkeit gibt aber auch Grund zur Kritik, denn mehr als 80 % aller Fahrzeuge, die Daimler in China verkauft hat, ­wurden von dem Konzern auch vor Ort produziert. Diese Entwicklung ­sehen Experten als besorgniserregend, weil die Produktionskosten in ­China deutlich niedriger sind als in Deutschland und die Produktionsdichte von Daimler dort zunimmt.

Der Konzern will jedenfalls im Pkw-Geschäft Fixkosten, Investitionen und Entwicklungsausgaben bis Mitte des Jahrzehnts um ein Fünftel senken und Personal abbauen. Die Rendite soll damit, so der Plan, auf bis zu 10 % gesteigert werden.

All dies machte die Daimler-Aktie zum meistempfohlenen Papier der letzten 30 Tage (Stand Redaktionsschluss) – gleich 26 Pro-Stimmen von Analysten konnten die Schwaben einsacken. So hat das Analysehaus Jefferies das Kursziel für Daimler von 53 auf 60 € angehoben und die Einstufung auf „Buy“ belassen. Das würde zum aktuellen Kurswert von 48 € einen Gewinn von 25 % ermöglichen. Die Aktie hat ihren Wert seit dem Tiefstand von 22 € am 18. März bereits mehr als verdoppelt.

Die Gewinn- und Cashflow­aussichten des Autobauers rechtfertigten einen höheren Aktienwert als bislang von ihm ­angenommen, meinte Analyst Philippe ­Houchois. Der Konzern sei erst in einem ­frühen Stadium, was eine weit­reichende und dringend ­nötige Neuausrichtung betrifft. Auch die einflussreiche US-Investmentbank Goldman Sachs hat Daimler auf „Buy“ und einem Kursziel von 60 € belassen. ­Diese Einschätzung hätten die bereits veröffentlichten Eckdaten bestätigt, schrieb Analyst George Galliers in einer Studie. Die positive Geschäftsdynamik sollte im Schlussquartal andauern, ist Galliers überzeugt.

Die Aktie des Onlinehändlers Zalando hat sich in den letzten zwölf Monaten bereits verdoppelt – weitere Kursgewinne werden erwartet.

Social Distancing und der starke Trend zum Kauf via Internet sorgten auch beim Online­versandhändler Zalando für Champagnerlaune. 2008 gegründet, werden nach dem großen Erfolg in Deutschland seit 2009 auch ­europäische Nachbarländer beliefert – seit 2012 ist ­Zalando in Schweden, Belgien, Spanien, ­Dä­nemark, Finnland, Polen, Norwegen und Luxemburg (2013) ­online.

Das Unternehmen ­erzielte 2019 mit fast 14.000 ­Mitarbeitern rund 6,5 Milliarden € Umsatz und rechnet nach aktuellen Prognosen in diesem Jahr mit einem Wachstum des Bruttowarenvolumens (Gross Merchandise Volume, GMV) von 25 bis 27 %, einem ­Umsatzwachstum von 20 bis 22 % sowie ­einem bereinigten EBIT ­zwischen 375 und 425 Millionen €.

Der Aktienkurs des ­Berliner Unternehmens hat sich angesichts dieser Aussichten in den letzten zwölf Monaten bereits verdoppelt, doch Analysten trauen ihm durchaus noch mehr zu. Insgesamt 14 Experten hoben im letzten ­Monat den Daumen für den Online­versandhändler – das macht das Papier zur Nummer fünf der meistempfohlenen Aktien in diesem Zeitraum.

So hat das Analysehaus In­de­pendent Research das Kursziel für Zalando nach Eckdaten für das dritte Quartal und Anhebung der Unternehmensziele von 85 auf 99 € erhöht und die Einstufung auf „Buy“ belassen. Der Kurs lag zuletzt bei 82 €. Die Zahlen hätten eindrucksvoll gezeigt, dass das Geschäftsmodell und die Strategie des Onlinemodehändlers intakt seien, meinte Analyst Lars Lusebrink. Die Verschärfung der Covid-19-Situa­tion in Europa sollte den Trend zum Onlineeinkauf weiter unterstützen.

Noch optimistischer ist die Privatbank Hauck & Aufhäuser: Analyst Christian Salis hat die Einstufung für Zalando auf „Buy“ mit einem Kursziel von gleich 110 € belassen. Das Kosmetiksegment des Onlinemodeanbieters sei eine exzellente Ergänzung des Portfolios, ist Salis überzeugt. Die sich wieder verschärfende Coronakrise spiele dem Unternehmen in die Hände.

Ein Dauerbrenner bei ­Aktionären ist zweifellos ­Nestlé, der weltgrößte Nahrungsmittelkonzern und das größte Indus­trieunternehmen der Schweiz. Mit einem Umsatz von 90,8 Milliarden US-$ bei einem Gewinn von 8,7 Milliarden US-$ steht Nestlé laut Forbes Global 2000 mit Stand 2019 auf Platz 42 der ­weltgrößten Unternehmen. Der Konzern beschäftigt 291.000 Mitarbeiter rund um den Globus.

Die Krise mit ­geschlossenen Restaurants, Cafés und Läden hat auch bei Nestlé Spuren hinterlassen. So gingen etwa die ­Verkäufe von Wasser und Schokolade in die Knie. Doch die breite Aufstellung kommt dem Nahrungsmittel­konzern in der Coronakrise ­zugute: Während die Umsätze bei der französischen Danone um 1,1 % schrumpften, ­konnte die ­globale Nummer eins in der ersten Jahres­hälfte sogar organisch um 2,8 % wachsen. Die Nestlé-Aktie hat in den letzten drei Jahren um knapp 30 % zugelegt; seit der scharfen ­Zäsur im März stieg sie von 90 auf zuletzt 106 CHF.

Für Nestlés Stabilität hagelt es jetzt Analysten­empfehlungen: So meinte UBS-Analyst Guillaume Delmas, dass der Lebensmittel­hersteller das beste Quartal seit über sechs Jahren hinter sich habe, und beließ das Papier auf „Buy“ mit einem Kursziel von 130 CHF.

Die US-Bank JPMorgan hat ebenfalls Appetit auf die Schweizer und hat die Einstufung auf „Overweight“ mit einem Kursziel von 123 CHF belassen. Nestlé ist nach JPMorgan-Analystin Celine Pannuti sogar die „Top Idea“ unter den Konsumgüterwerten.

Text: Reinhard Krémer
Illustration: Valentin Berger

Dieser Artikel erschien in unserer Ausgabe 10–20 zum Thema „Handel“.

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