DER REMOTE-WORK-ABSOLUTIST

Der in den Niederlanden geborene Sid Sijbrandij hat mit Gitlab eines der wertvollsten Jungunternehmen der Welt aufgebaut – welches 2019 mit 2,8 Milliarden US-$ ­bewertet wurde –, ohne dabei jemals ein physisches Büro für die rund 1.300 Mitarbeiter eröffnet zu haben. Jetzt warnt er andere ­Firmen davor, ­Homeoffice nur halbherzig ­umzusetzen. Denn geht es nach ­Sijbrandij, dann ist das Pro­blem nicht die Arbeit aus dem Home­office, sondern die Umsetzung.

Wer nicht bei einer jener Firmen angestellt ist, die die ­Realität der neuen Arbeitswelt ­vollständig verstanden haben, macht es aus Sijbrandijs Sicht wahrscheinlich falsch. Sein radikaler Ansatz zur Arbeit von zu Hause: Sie ist nur wirklich effektiv, wenn man vollständig darauf setzt. Partielle Maßnahmen führten demnach nur dazu, dass ­unterschiedliche Ebenen von Angestellten entstünden – und dadurch dann auch eine Spaltung in der Belegschaft. Das könne dazu führen, dass Homeoffice-Mitarbeiter mit sehr hoher Arbeitsleistung die Firma verlassen, weil sie mit weniger erfolgreichen Kollegen im Büro in den Wettbewerb treten müssen.

Bei Gitlab geht es um ­radikale Transparenz: Das Unternehmen ­publiziert all seine Ansätze zu verschiedensten Themen online und macht sie so zugänglich für die ­Öffentlichkeit – zwar nicht die konkreten Gehälter aller ­Mitarbeiter, wohl aber die exekutiven Strategien und Ziele für jedes Quartal ­sowie die Formel zur Berechnung der ­Gehälter für alle 67 Länder, in denen Gitlab vertreten ist. Sij­brandij setzt auch auf eine detaillierte ­Dokumentation, um die fehlerfreie Zusammenarbeit der Mitarbeiter zu ermöglichen.

Es ist hilfreich, dass GitLab – das eine Reihe von Software-Tools anbietet, die Entwicklern bei der Erstellung, Verwaltung und Sicherung ihrer Anwendungen helfen –, in einer High-Tech-Kategorie spielt, die immer wichtiger wird, da Unternehmen ihre Aktivitäten im Internet weiter vorantreiben.Vor allem in Zeiten der Coronapandemie haben viele Firmen ihre operative Tätigkeit ins ­Internet verlagert – für Gitlab ist das ein Vorteil. Das Arbeiten von zu ­Hause bringt jedoch auch Hürden mit sich, wie zum Beispiel das corona­bedingte Reiseverbot sowie die höheren Kinderbetreuungskosten für Mitarbeiter mit Familie. Im Zuge dessen hat Gitlab das ­Wochenende verlängert, indem es den Freitag zum freien Tag erkoren hat und die Angestellten ermutigt, sich mehr Auszeiten zu nehmen.

Eine Folge der Pandemie sei, dass immer mehr Unternehmen das Gitlab-Modell von ­Remote Work übernehmen. „Wenn man ­bisher ­außerhalb einer Metro­pole gewohnt hat, gab es sehr ­wenige ­Möglichkeiten, bei einer schnell wachsenden Firma zu arbeiten. Jetzt gibt es für uns mehr Wett­bewerb. Da werden auch die Löhne steigen“, sagt Sijbrandij. „Ich denke, das wird für die Welt eine ­tolle Entwicklung sein. Ich freue mich schon darauf.“

Text: Alex Konrad / Forbes US
Foto: Timothy Archibald / Forbes US

Dieser Artikel erschien in unserer Ausgabe 1/2–21 zum Thema „Innovation & Forschung“.

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