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Mit gerade einmal zwanzig Jahren will Paul Louis Kiesow die globale Wasserstoffwirtschaft revolutionieren: Sein Unternehmen Hytra entwickelt Technologien, die den Transport von grünem Wasserstoff günstiger und effizienter machen sollen – und damit ein Problem beseitigen, das bislang selbst die großen Player der Branche ungelöst ließen.
Wenn Paul Louis Kiesow über Wasserstoff spricht, dann klingt es nicht nach einem Zukunftstraum, sondern nach der Gegenwart. Schon als Jugendlicher faszinierte ihn das kleinste Atom des Universums. Zunächst war es die Astrophysik, die ihn anzog, später die Frage, wie dieser unscheinbare Stoff Energie tragen kann. Früh erkannte er, dass Wasserstoff enorme Chancen birgt: Er ist vielseitig einsetzbar, kraftvoll, klimafreundlich – und zugleich von einer logistischen Schwäche geprägt, die seine Rolle in der Energiewende bislang limitiert: Während die Produktion in sonnen- und windreichen Regionen wie Nordafrika oder der Golfregion vergleichsweise kostengünstig möglich ist, stellt der Transport die Branche vor große Herausforderungen. Genau hier setzt Hytra an, das Unternehmen, das Kiesow 2023 zusammen mit seinem Mitgründer Christof Schramm ins Leben rief.
Das Ziel ist klar: den Transport von flüssigem Wasserstoff effizienter, schneller und günstiger machen. Flüssiger Wasserstoff muss auf minus 253 Grad Celsius heruntergekühlt und über lange Distanzen stabil gehalten werden – bisherige Transportlösungen sind teuer, verlustreich und kaum in der Lage, den globalen Markt zu bedienen. Hytra entwickelt Spezialtanker, die nicht nur über patentierte Tanksysteme verfügen, sondern auch deutlich schneller fahren sollen als bisherige Modelle – 22 statt 14 Knoten. „Je kürzer die Reisezeit ist, desto geringer sind die Verdampfungsverluste, desto besser ist also die Energiebilanz“, erklärt Kiesow. Während die Branche bislang zwischen Ammoniak, Methanol oder gasförmigen Lösungen schwankt, bekennt sich Hytra zum flüssigen Wasserstoff. Kiesow ist überzeugt, dass er die besten Voraussetzungen bietet, um den Wasserstoffmarkt großskalig zu erschließen.
Doch der Weg von der Idee zum Unternehmen war keineswegs einfach. Als 16-Jähriger sah sich Kiesow zunächst mit Skepsis konfrontiert. Viele rieten ihm, doch erst zu studieren, statt sich in einer so kapitalintensiven und regulierten Branche durchsetzen zu wollen. Investoren reagierten zögerlich, Förderprogramme waren schwer zugänglich, Feedback rar. Was blieb, war Ausdauer: Tag und Nacht arbeitete Kiesow an Konzepten und vertiefte technisches Wissen. Unterstützung fand er schließlich bei Schramm, der mit seiner Erfahrung in Forschung und Schifffahrt die notwendige Ergänzung war. Gemeinsam entwickelte das Duo ein Geschäftsmodell, das nicht nur technologisch ambitioniert, sondern auch betriebswirtschaftlich tragfähig sein dürfte. Der Durchbruch kam im Frühling dieses Jahres: Hytra sicherte sich über zehn Millionen Euro vom katarischen Fonds The Intelligent Network (TIN) – für ein junges Start-up im Energiesektor eine außergewöhnliche Summe, die es ermöglicht, Prototypen zu bauen, Patente voranzubringen und die Grundlagen für die erste Schiffsgeneration zu legen.
Die Perspektive ist groß: In etwa dreieinhalb Jahren soll das erste Schiff zwischen Afrika, der Golfregion und Europa pendeln. Oman, einer der Hotspots der globalen Wasserstoffwirtschaft, wird vermutlich zum Knotenpunkt. Parallel dazu laufen Gespräche über Hafeninfrastruktur und Produktionspartnerschaften in weiteren Golfstaaten, Marokko und Namibia.
Mit diesen Plänen positioniert sich Hytra nicht nur als technischer Entwickler, sondern als künftiges Logistikunternehmen – ein „Shell des Wasserstoffs“, wie Kiesow es formuliert. Der Anspruch ist hoch, doch er folgt einer klaren Logik: Nur wenn Transportketten effizient und skalierbar funktionieren, kann Wasserstoff eine echte Alternative zu fossilen Energieträgern werden.
Wir bringen neue Mengen auf den Markt, damit er sich weiterentwickelt.
Paul Louis Kiesow
Dabei bleibt die Unternehmenskultur von Hytra stark geprägt durch die Jugend des Gründers – Enthusiasmus und Tempo treffen auf die Erfahrung von Schramm. Kiesow selbst sieht seine Rolle nicht in der Technik (die überlässt er zunehmend seinem Team), sondern in Strategie, Management und Repräsentation. Als CEO sitzt er drei bis vier Tage pro Woche im Flugzeug, zwischen Investorengesprächen, Konferenzen und Standortbesuchen. Die Energie dafür schöpft er aus einer Kombination von innerem Antrieb und klarer Überzeugung. Es sei die Vorstellung, tatsächlich etwas Gutes für die Welt zu tun, sagt er, verbunden mit dem Anspruch, einer der Ersten zu sein, die die Branche prägen.
Dass er jung ist, sieht er längst nicht mehr als Schwäche. Skepsis begegnete ihm zu Beginn häufig – heute gilt sie eher als Treiber; denn Jugend bedeutet auch, weniger Ballast zu tragen, alte Muster leichter infrage stellen zu können und mutig zu handeln, wo andere zögern. „Lasst euch nicht aufgrund des Alters in eine Schublade stecken“, gibt er jungen Gründern mit auf den Weg. Kontakte zu knüpfen, Netzwerke aufzubauen, auch wenn Türen sich zunächst nicht öffnen, gehört für ihn genauso dazu wie der Wille, Niederlagen auszuhalten und aus Kritik zu lernen.
Die Ambitionen sind groß, die Herausforderungen auch. Doch gerade in dieser Gemengelage liegt die Chance für Hytra, in wenigen Jahren zu einem globalen Faktor im Wasserstoffgeschäft zu werden. Im Oktober ist Kiesow dieser Vision einen Schritt näher, wenn Hytra das erste Büro in Dubai eröffnet. „Wir machen es so wie damals die Rockefellers in der Ölbranche“, sagt Kiesow: „Wir bringen neue Mengen auf den Markt, damit er sich weiterentwickelt.“
Foto: Gianmaria Gava