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Bei den Enhanced Games sollen gedopte Sportler gegeneinander antreten. Doch die Vision von Co-Präsident Maximilian Martin geht weit über den Sport hinaus. Ein Blick in eine Welt der Optimierung des eigenen Körpers und der Grenzverschiebung – und der vielen Widersprüche.
Maximilian Martin ist verliebt, sagt er. Das merkt man ihm auch an, wenn er über sein Herzensobjekt spricht: die Enhanced Games, jenes Sportevent, bei dem im kommenden Jahr in Las Vegas Athleten gegeneinander antreten sollen, die sich zuvor medizinisch optimiert haben. „Enhanced“ bedeutet, dass das erlaubt ist, was im regulären Sport verboten ist: leistungssteigernde Medikamente und Methoden – im Volksmund auch „Doping“ genannt.
Es ist wohl keine einfache Liebesbeziehung, in der Martin steckt: Bereits wenige Wochen nachdem die Enhanced Games in den Fokus der Öffentlichkeit geraten sind, ist die Kritik massiv. Wissenschaftler warnen vor den Versprechungen der Organisatoren über Sicherheit und Nutzen solcher Eingriffe im Sport; Athletenverbände distanzieren sich massiv, drohen „ihren“ Sportlern sogar mit Ausschluss, wenn sie die Enhanced Games auch nur unterstützen. Martin hält dagegen; mit viel Leidenschaft für die Sache und einem unermüdlichen Repertoire an Antworten und Argumenten – und der großen Vision von der „verbesserten Menschheit“. Für ihn geht es um alles.
Martin ist stellvertretender Präsident der Enhanced Games. Der gebürtige Münchner wurde an Wirtschaftsuniversitäten in Frankfurt und den USA (Santa Barbara und Philadelphia) ausgebildet. Nach dem Studium arbeitete er im Investmentbanking und fand sich dann schnell in der Welt der Start-ups wieder. Zusammen mit dem Investor und Milliardär Christian Angermayer gründete Martin die Firma Bitfield, die sich mit dem Mining von Kryptowährungen befasste. Beide Unternehmer kannten sich aus früheren Projekten, Angermayer wurde Martins Mentor. Laut Martin drängte Angermayer auch viele Jahre darauf, den jungen Protegé Martin einzustellen. Nach seinem zweiten Jahr im Investmentbanking gab Martin Angermayers Drängen nach: „Weil mir seine Investment-Thesis, ‚The Next Human Agenda‘, so gut gefallen hat.“

Bitfield schwamm zum Beginn der Pandemie auf einer Erfolgswelle günstiger Bitcoin-Kurse. Ein gutes Jahr später wurde die Firma verkauft, und Martin und Angermayer begaben sich auf die Suche nach neuen Investments. Im August 2023 kreuzten sich ihre Wege mit Aron D’Souza, dem Mann hinter der Idee der Enhanced Games. „Und wir haben uns total in die Idee verliebt“, sagt Martin.
Angermayer und Martin investierten Unsummen in das junge Unternehmen mit dem Namen Enhanced. Martin war zunächst nur Teil des Boards, wurde dann aber schnell Co-Präsident. „Ich habe schnell bemerkt, dass Enhanced für mich die aufregendste Firma ist, die ich je gesehen habe“, sagt er. Die Liebe ging so weit, dass Martin den gesamten Erlös seines vorherigen Firmenverkaufs in Enhanced investierte, sagt er; und zusätzlich noch einen Kredit. „Auf dem Risikobarometer bin ich im tiefroten Bereich“, so der Investor. Martin setzt alles auf die Zukunft, wie er sie sich vorstellt.
Er beschreibt eine Ära der Menschheit, in der Leben mit den Mitteln der Wissenschaft verbessert und verlängert werden – Longevity ist der Megatrend der Tech-Branche, dem auch Martin verfallen ist. Die Enhanced Games sollen dabei die Tür zur Öffentlichkeit aufstoßen; sollen zeigen, was möglich ist – und vielleicht auch austesten, was vertretbar ist. Die Welt der medizinisch optimierten Supersportler ist ein kleiner Teil im Zeitalter der Optimierung. Es ist eine Welt, die ihren Besuchern viel Offenheit und Neugierde abverlangt – und gleichzeitig voller Widersprüche und Zweifel ist.
Die Enhanced Games stehen für den ultimativen Tabubruch, findet zum Beispiel der internationale Schwimmverband World Aquatics. Gemäß einer neuen Richtlinie sollen jene Sportler ausgeschlossen werden, die an Events wie den Enhanced Games teilnehmen, sie unterstützen oder befürworten. Konkret verweist die Richtlinie auf Events, bei denen „wissenschaftliche Fortschritte oder andere Praktiken Anwendung finden, die möglicherweise verbotene Substanzen und/oder verbotene Methoden beinhalten“. Martin sieht darin einen Versuch der etablierten Verbände, die Kontrolle über den Sport zu behalten und Athleten zu überwachen und einzuschüchtern.
Was im Sport verboten und was erlaubt ist, regelt die World Anti-Doping Agency (WADA). Sie veröffentlicht jedes Jahr eine aktualisierte Liste von verbotenen Substanzen und Methoden. Ob eine Substanz oder Methode in die Liste aufgenommen wird oder nicht, entscheidet sich anhand dreier Kriterien: Erstens: Sie hat das Potenzial, Leistungen zu verbessern bzw. eine sportliche Performance zu erhöhen. Zweitens: Sie stellt ein tatsächliches oder potenzielles Risiko für die Athleten dar. Und drittens: Sie untergräbt die Moral des Sports. Sind zwei der drei Kriterien erfüllt, gilt ein Verbot.
Doch was nach klaren Regeln klingt, lässt durchaus Raum für eine vertretbare Debatte. So könnte man argumentieren, dass „potenzielle Risiken“ bereits in der Teilnahme am Event selbst liegen, dass die „Moral des Sports“ eher eine persönliche Auffassung als ein gesetzliches Statut ist – und dass ein Verbot aufgrund von „Verbesserung“ auch bei gesalzenem Wasser oder einem Energydrink anwendbar wäre.
Martin hält die Grenzen des Dopings für willkürlich. Was zum Beispiel früher mal verboten war, ist heute erlaubt – etwa der übermäßige Konsum von Koffein. Kreatin sei in den frühen 90er-Jahren als „Devil’s Drug“ proklamiert worden, sagt Martin, und sei heute im Nutzen klar anerkannt. Entscheidend sei nicht der Gebrauch, sondern der Missbrauch.
Die Enhanced Games öffnen die Tür für diese Debatten. Denn viele dieser Konversationen drehen sich um theoretische, geradezu nebulöse Ansichten zu unbenannten Vorgängen und weniger um die Fakten der spezifischen kontrollierten Substanzen.
Enhanced bleibt bewusst vage, wie „Enhancement“ genau aussieht. Das Unternehmen informiert nicht darüber, welche Art von leistungssteigernden Substanzen ein Athlet eingenommen hat – um zu vermeiden, dass der Eindruck entsteht, ein bestimmtes Vorgehen habe allgemeine Gültigkeit. Bei den Enhanced Games stellen Ärzte auf Grundlage der spezifischen Daten eines Athleten ein Programm zusammen; in erster Linie, um Sicherheit zu gewähren. Die Geheimniskrämerei um die Art der angewandten Substanzen soll bei den Enhanced Games also im Dienst der Seriosität stehen – Martin betont immer wieder, dass strikte Regularien und minutiöse medizinische Überwachung die notwendigen Rahmenbedingungen für ein sicheres Sportevent bringen.

Ich habe schnell bemerkt, dass Enhanced für mich die aufregendste Firma ist, die ich je gesehen habe.
Maximilian Martin
Forscher sind skeptisch, inwieweit diese Versprechungen zu halten sind. In einem Paper der britischen University of Birmingham wird vor allem auf eine mangelnde Daten- und Studienlage hingewiesen, die notwendig wäre, um Sicherheit wirklich zu gewährleisten. Die Studienautoren nehmen darin explizit zu den Regularien der Enhanced Games Stellung und schreiben: „Wir hingegen argumentieren, dass die derzeitige Studienlage unzureichend ist, um ein funktionierendes Schadensminderungsmodell in diesem Kontext belastbar zu untermauern.“ Martin gibt zu bedenken, dass bei den Enhanced Games nur Substanzen eingesetzt werden, die zugelassen sind und deren Sicherheitsprotokolle demnach bekannt sind. Zudem werden Athleten vor, während und nach dem Einsatz der Enhancements engmaschig überwacht. Damit seien „höchste Standards“ erfüllt.
Die Enhanced Games dringen in einen Teil der Wissenschaft und des Sports vor, der neu ist – denn nur, weil Doping im regulären Sport verboten ist, heißt es freilich nicht, dass es nicht stattfindet. Martin sagt, „die Hälfte der Athleten schummeln“. Genau benennen kann diese Zahl wohl niemand. Von der WADA erwischt werden nur rund 2 % der Profisportler – doch in anonymen Umfragen gestehen rund die Hälfte der Profisportler ein, schon einmal gedopt zu haben, schreibt die University of Newcastle.
Das zweite Standbein der vermeintlichen Revolution im Sport ist für Enhanced die Bezahlung der Athleten. Für einen Sieg gibt es 500.000 US-$ Preisgeld, für einen Weltrekord sogar eine Mio. US-$. Zum Vergleich: In den USA bekommen Athleten für eine Goldmedaille ein Preisgeld von 37.500 US-$; in Österreich erhalten Gold-Sieger 20.000 €. „Wenn du ins Dschungel-Camp gehst, verdienst du mehr!“, sagt Martin.

Doch die hohen Preisgelder bei den Enhanced Games entschädigen wohl nicht nur für die Leistung im Moment, sondern auch für die Zukunft – wer den Weg der medizinischen Optimierung mit den Enhanced Games geht, schließt die Tür zum konventionellen Sport. Für „natürliche“ Athleten, die bei den Enhanced Games auch antreten können, steht eine Rückkehr weiterhin offen. Auch sie haben nun die Möglichkeit, Zugang zu einer besseren Bezahlung zu erhalten – vorher müssen sie allerdings gegen Konkurrenten gewinnen, die gedopt sind.
Doch für manche Enhanced-Athleten könnte das Event die Krönung einer Karriere sein. Der griechische Schwimmer Kristian Gkolomeev brach vor wenigen Wochen den Weltrekord für die 50-Meter-Distanz im Freistil-Schwimmen – „enhanced“ durch ein medizinisches Programm der Enhanced Games-Experten. Er erhielt ein Preisgeld von einer Mio. US-$ und einen Eintrag in die Geschichtsbücher.
Martin sieht das Potenzial der medizinischen Optimierung jedenfalls weit über den Sport hinaus: Enhanced plant mit dem Standbein „Performance Products“, Enhancements auch an Nicht-Athleten zu verkaufen. Das Sportevent wird so zu einem Marketingvehikel für den Traum von einer durchoptimierten Physiologie und eines längeren und besseren Lebens.
Die Spiele holen die perfekte Utopie in die fehlerhafte Realität – das polarisiert. Was bleibt, ist die Debatte, ob die Enhanced Games visionär oder extremistisch sind; ob es diese Reibung braucht, um die Menschheit für das zu sensibilisieren, was möglich ist, oder ob sie ein Warnsignal dafür ist, dass hier die Grenzen dessen, was vertretbar ist, verschoben werden.
Für Martin ist die Sache freilich klar: Auch er selbst sei bereits „enhanced“ sagt er. Wie genau dieses Enhancement aussieht, verrät er nicht, wohl aber: „Ich fühle mich super.“
Maximilian Martin studierte an Wirtschaftsuniversitäten in Frankfurt und den USA. Nach dem Studium arbeitete der gebürtige Münchner im Investmentbanking, bevor er sich der Start-up-Welt zuwandte. Gemeinsam mit dem Investor und Milliardär Christian Angermayer gründete er die Kryptowährungs-Firma Bitfield, die später verkauft wurde. Seit 2023 ist Martin stellvertretender Präsident der Enhanced Games.
Text: Sarah Sendner
Fotos: Jason Crowley