die falschen fragen

Der Forbes Women’s Summit in Zürich eröffnete mit einem Panel von drei Gründerinnen – drei Technologien, drei Visionen: Sabrina Badir (Pregnolia) erkennt Frühgeburten frühzeitig, Daniela Marino (Cutiss) macht personalisierte Haut transplantierbar, Samantha Anderson (Depoly) macht Kunststoff chemisch recycelbar. Drei Technologien, die in Summe zeigen, wofür Europa im Technologiewettlauf stehen könnte: Sinn, Wissenschaft, Skalierung – und auch Diversität.

Doch genau da ist das Problem: Denn das Gespräch in solchen Settings dreht sich viel zu oft – wenn nicht auf der Bühne, dann spätestens danach – um etwas anderes: das Frausein. Oder präziser gesagt: das ständige Thematisieren des Frauseins.

In einem Vorgespräch zum Panel sagten die drei Gründerinnen sinngemäß: Es sind immer wieder dieselben Fragen: Wie ist es als Frau in der Tech-Branche? Hätte ein Mann mehr Kapital bekommen? Wie ist es, Mutter zu sein und zu gründen? Die Antworten gibt es längst, doch die Frage reproduziert sich ständig.

Die Debatte ist gut gemeint, aber schlecht kali­briert – und langweilig. Sichtbarkeit ist wichtig, doch wer Frauen ständig als Ausnahme rahmt, macht sie genau dazu. Statt Normalität zu fördern, betonen wir unbewusst das Besondere. Nach acht Jahren Forbes Women’s Summit kann auch ich sagen: Es langweilt mich. Oder etwas freundlicher: Es gibt relevantere Themen.

Niemandem ist es zu verdenken, über diese Themen sprechen zu wollen, denn sie sind gelebte Realität. Es ist immer nur die Frage, wann und wie das passiert. Und auch die Gründerinnen teilten auf der Bühne von sich aus persönliche Erfahrungen, die etwa auch ihre Rolle als Mutter miteinbeziehen. Das Problem liegt vielmehr in der ständigen Schwerpunktsetzung auf ein singuläres Thema.

Denn das, woran die Gründerinnen tatsächlich arbeiten, hat ein ganz anderes Gewicht. Marino ent­wickelt bio-engineer­te Haut, die Menschen mit schweren Verbrennungen eine zweite Chance gibt; Badir rettet mit Präzisionsdiagnostik Leben; Anderson baut ein Unternehmen, das Kunststoff in seine chemischen Bestandteile zerlegt – eine Idee, die die Grundlagenindustrie verändern kann. Und genau darin liegt die Ironie des Moments: Im Versuch, Diskriminierung zu überwinden, konstruieren wir neue Differenzen. Vielleicht wäre der echte Fortschritt an diesem Punkt, das Thema nicht mehr zum Thema zu machen.

Der Anteil der Gründerinnen in Europa lag laut Dealroom 2024 bei rund 17 %, bei Deeptech-Unter­nehmen nur bei knapp 8 % – also kein Grund zur Selbstzufriedenheit. Doch wenn man die Performance isoliert betrachtet, zeigen gemischte Gründerteams und von Frauen geführte Start-ups laut Boston Consulting Group und First Round Capital seit Jahren höhere Kapitalrenditen pro investiertem Dollar. Mit anderen Worten: Das Geschlecht erklärt den Markterfolg nicht, aber die Vielfalt erklärt die Resilienz.

Und: Es gibt durchaus Akteure bzw. in dem Fall Akteurinnen, die sich ganz bewusst in ein weiblich dominiertes Umfeld begeben – etwa VCs, die ausschließlich in weibliche Teams investieren. Dort lässt sich die Diskussion ohne diesen Fokus gar nicht führen. Doch Tech-Gründerinnen, die an großen Lösungen arbeiten? Da kann man andere Fragen stellen.

Selbst wenn einem Diversität nicht wichtig ist oder die Debatte insgesamt redundant vorkommt: Andere Fragen führen zu besseren Gesprächen – und zu echten Erkenntnissen. Und das hilft allen.

Klaus Fiala,
Chefredakteur

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