Die fröhliche Bierbaronin

Eigentlich wollte sie nur zwei Monate für Ottakringer arbeiten, doch dann wurden es 25 Jahre. Heute zählt Christiane Wenckheim zu den erfolgreichsten Unternehmerinnen des Landes, sie hat der Gruppe neuen Glanz verliehen und sie für die Wiener geöffnet.

Es war im Jahr 1997, Christiane Wenckheim war gerade aus den USA zurückgekehrt, als ihr Vater sie um Unterstützung bat: Der Marketingleiter war ausgefallen und die Tochter sollte einspringen. Zwei Monate lang würde sie bleiben, das war ihr Plan. Doch sie war von der Ottakringer-Welt bald fasziniert. „Ich habe alle Mappen durchge­blättert, der Vater hat schon früher immer wieder Etiketten oder Bierflaschen mit nach Hause gebracht“, erzählt Wenckheim; es habe schon immer eine Nähe zu dem Unternehmen gegeben. Von ihm hat sie das Geschäft von der Pike auf gelernt und ist dadurch richtig „hineingekippt“. Und bald sollte sie dort auch Karriere ­machen: Nach drei Jahren hat Wenckheim das Zepter übernommen und war 17 Jahre lang Vorstandsvorsitzende des Unternehmens, danach weitere acht Jahre Aufsichtsratsvorsitzende. In dieser Zeit ist viel passiert: „Wir haben die Brauerei für die ­Wiener geöffnet, Events gemacht und die Marke verjüngt.“ Es habe ihr Spaß gemacht, lustige Dinge zu tun. Die Brauerei wurde heraus­geputzt und sichtbarer gemacht. Heute kommen bis zu 300.000 Besucher pro Jahr auf das Gelände und amü­sieren sich auf Events wie dem Feschmarkt, dem FM4-Clubbing oder dem Rum-Festival; meist geht es um Mode, Essen oder Trinken. Ottakringer organisiert auch immer öfter selbst Events, wie ein Maifest, ein „Erntetankfest“ (kein Rechtschreibfehler!) und ein Bierfest im Sommer. „Wir haben einen tollen Ort, und das ist auch eine tolle Verbindung zum Wiener Markt“, sagt die 58-Jährige.

Lange war Ottakringer die beliebteste Biermarke in Wien, heute liegt sie immer noch auf Platz zwei bis drei. Die Ottakringer Brauerei hat in Wien eine große Tradition: Sie wurde 1837 gegründet und von ­ihren zweiten Besitzern, der ­Familie ­Kuffner, zur Großbrauerei ausgebaut. Wegen ihrer jüdischen Herkunft mussten die Kuffners die Brauerei 1938 abgeben, die Familie Harmer übernahm den Betrieb. Laut einem ­Historikergutachten soll es während der Nazi-Zeit nur selten eine so korrekte Über­nahme ge­geben haben: Die Harmers sollen demnach nicht nur 1938, sondern auch noch nach 1945 alles daran­gesetzt haben, die Kuffners bzw. die Nachfahren fair zu ent­schädigen. In den frühen 60er-­Jahren tauchte dann erstmals der Name Wenck­heim auf: Engelbert ­Wenckheim heiratete damals in die Harmer-­Familie ein und übernahm schrittweise die Führung, bis seine Tochter Chris­tiane folgte. Heute besteht die Gruppe aus den Marken Ottakringer Bier, Vöslauer Mineralwasser und dem Getränkehändler Del Fabro Kolarik.

Nach 17 Jahren als Vorstandschefin ist Christiane Wenckheim heute Aufsichtsratsvorsitzende der Ottakringer Getränke AG.

Dass Wenckheim es als Frau in dieser männerdominierten Branche schwerer hatte, kann sie nicht bestätigen, im Gegenteil: „Es war eigentlich immer ein Asset, weil es so ungewöhnlich war.“ Sie habe als Frau immer bei allen Kunden rasch Termine bekommen, es sei eigentlich sogar ein Vorteil gewesen. Die Wirte hätten es lustig gefunden und es sei ihr leicht gefallen, neue Kunden zu akquirieren. Schon damals sei die Gleichstellung der Geschlechter ein Thema gewesen, doch habe sie nicht darauf geachtet, wenn ihre männ­lichen ­Geschäftspartner das nicht so recht beachtet hätten. „Ich habe es mit Humor genommen“, sagt Wenck­heim. Nur bei Herren über 60, die keine Töchter hatten, hat sie ihre männlichen Kollegen geschickt. „Da hatte ich meine Grenzen.“

Heute sieht sie das Gender­thema allerdings kritischer und findet es positiv, dass immer mehr auf Gleichberechtigung geachtet wird. Doch das gilt nicht nur für Frauen; generell sollte mehr gegen Ausgrenzung und Andersbehandlung getan werden, wo immer es geht, meint die Ottakringer-­Aufsichtsrat-Chefin. Von Quoten­regelungen hat sie ursprünglich nichts ge­halten, jedoch bemerkt, dass es ohne sie nicht geht: „Wir ­haben ­nur ­wenige Frauen in Aufsichtsräten in ­börsennotierten Unternehmen, wir sind da noch Schlusslicht in ­Europa“, sagt Wenck­heim. Wie sie es trotzdem bis in die oberste Chefetage geschafft hat? Wichtig sei es, mit den Menschen auf Augenhöhe zu kommunizieren und den Humor nicht zu ver­gessen. Man müsse es aushalten, dass es viele verschiedene Stimmen gebe, und Toleranz für Anders­denkende zeigen. Andere Meinungen sollen laut Wenck­heim eher als Chance und nicht als Be­drohung gesehen werden. In ihrer Familie wurde ­sogar eine Familiencharta geschrieben, in der all diese Werte enthalten sind. Sie wurde von allen 15 Familien­mitgliedern unterschrieben. Auf ein Miteinander und auf Zuhören wird in der Charta großer Wert gelegt – und das ist Wenck­heims Meinung nach auch für den Erfolg von Ottakringer verantwortlich: „Dass wir ein Unternehmen ­haben, das Marken besitzt, die nicht wegzudenken sind, ist ein Team­erfolg.“ Wenckheim sieht auch ­einen gesellschaftlichen Beitrag darin, den ­Menschen Freude an Getränken zu machen.

Lange war Ottakringer die beliebteste Biermarke in Wien, heute liegt sie immer noch auf Platz zwei bis drei.

Christiane Wenckheim

Einen großen Anteil am Erfolg hätten die Menschen, die in der Gruppe arbeiten, sagt Wenckheim. Sie würden sich mit dem Unter­nehmen stark identifizieren, das habe fast schon etwas Familiäres. Sie gingen gerne in die Arbeit und hätten das Glück, immer mit einem Bier anstoßen zu können, wenn es etwas zu feiern gebe. Anders als andere Unternehmen findet Ottakringer leicht Mitarbeiter: „Wir haben viele Talente“, sagt Wenck­heim. Außerdem sei man in der Region als Familienunternehmen präsent, sei es bei Festen oder Events, sei es in der Staatsoper oder beim Nova-Rock-Festival. Doch das alles half während der Corona­pandemie nichts, denn da hat auch Ottakringer schwer gelitten. Grund für die Flaute: Die Wirtshäuser waren geschlossen; für eine Brauerei ein Albtraum. Der Umsatz ging von 242 Mio. € im Jahr 2019 auf 181 bzw. 193 Mio. € in den folgenden beiden Jahren zurück. 2022 ging es dann wieder bergauf (238 Mio. €), auch 2023 soll wieder ein gutes Jahr geworden sein.

Auf der Gewinnseite ist aller­dings noch kaum ­Erholung einge­treten, die enormen Preissteigerungen belasten das Ergebnis. Das Unternehmen sei zwar wieder gut, aber nicht exzellent unterwegs, so Wenckheim. Auch der Biermarkt macht ihr keine große Freude, denn dieser ist rückläufig. Dennoch sind einige interessante Trends zu erkennen: Es wird immer öfter zu ­alkoholfreiem Bier gegriffen, dessen Anteil am Absatz sich in den vergangenen zehn Jahren auf 3,3 % mehr als verdoppelt hat. Weiters begeistern sich immer mehr Frauen für Bier, erzählt ­Wenckheim. Vor ­allem das ­süßere Zwickl sei für Frauen trinkbarer, aber auch Radler, wie die neuesten Kreationen mit Wasser­melonen- und Mangogeschmack. Darüber ­hinaus werden immer häufiger hellere und leichtere Biere mit einem Alkoholgehalt von unter 5 % nachgefragt. Nicht ganz reibungslos läuft es im Wassersegment: Hier machen die Wassersprudler, wie sie etwa in ­Supermärkten ­angeboten ­werden, den ­Mineralwasserherstellern ­immer mehr zu schaffen. Nach der Stagnation 2021 ist der Mine­ralwassermarkt in Österreich 2022 aber wieder gewachsen. Steigerungen gab es vor allem im Con­venience-Segment, etwa bei ­Kleingebinden, sowie im Near-­Water-Markt (­Getränke, die mit Frucht- oder Kräuterzusätzen ­aromatisiert ­werden).

Die Ottakringer-Gruppe verkauft jährlich rund 550.000 Hektoliter Bier und zählt damit zu den Top Five der Brauereien in Österreich – und das trotz starker internationaler Konkurrenz auf dem heimischen Biermarkt.

Für die Zukunft sieht sich die Ottakringer-Gruppe dennoch gut aufgestellt, denn der Getränke­handel wächst und wächst, die eigene Marktposition ist laut Wenckheim stark. 2022 hat die Ottakringer-Gruppe in Österreich fast 550.000 Hektoliter Bier verkauft. Nach dem Einbruch, bedingt durch die Covid-Pandemie, hat sich der ­Bierkonsum weitgehend normalisiert. Der Absatz hat sich vom Lebensmitteleinzel­handel wieder mehr in Richtung Gastro­nomie verlagert.

Dennoch ist es in Österreich nicht leicht, sich gegen die starke Konkurrenz zu behaupten. „Als ­österreichisches Familienunter­nehmen spielt man in unserer Branche natürlich stark gegen internationale Konzerne, aber ich bin sehr stolz, dass wir uns sehr gut behaupten“, sagt Wenckheim. Vor ­allem mit Qualität, Innovationen und Nach­haltigkeit kann sich das Unter­nehmen gegen die starke Konkurrenz stemmen. Auf Platz eins liegt in ­Österreich mit großem Abstand die Brau Union, gefolgt von Stiegl auf Platz zwei. Ottak­ringer befindet sich ­unter den Top Five, zu ­denen auch ­Egger und Zwettler zählen, wie ­Daten des Verbands der Brauereien Österreichs zeigen. Der Bierausstoß der österreichischen ­Brauereien lag laut WKO 2022 bei zehn Mil­lionen Hektolitern, der Umsatz bei mehr als 1,4 Mrd. €. Die Steuern auf Bier bringen dem ­österreichischen Staatshaushalt jährlich rund 700 Mio. € ein. Die Branche be­schäftigt 3.500 Mitarbeiter.

Was Wenckheim abseits des Bier- und Wassermarkts Sorgen macht, sind die aktuellen globalen Konflikte. Der wieder aufgeflammte Nahostkonflikt könnte ihrer Meinung nach noch viel größere Kreise ziehen, indem er etwa rechtsradikale Kräfte stärken könnte. ­Darüber sollte mehr gesprochen werden, meint Wenckheim. Sie selbst befinde sich in einer Whatsapp-Gruppe mit ehemaligen Studienkollegen. Kein einziges der zahlreichen und internationalen Mitglieder habe sich darin nach Ausbruch der Aggressionen zu Wort gemeldet – bis ein jüdischer Studienkollege verwundert darauf hingewiesen habe. Das zeige, wie wichtig Kommunikation sei.

Auch der Krieg in der ­Ukraine bewegt sie, und das nicht nur ­wegen der Kostensteigerungen. „Wir ­haben Mitarbeiter aus der ­Ukraine, die dort Familie ­haben. Wir konnten den Leuten helfen, hier eine Wohnung zu finden.“ Die Wohnung ist übrigens nicht von ­ihrem Mann ­Eugen Otto, der im ­Immobiliengeschäft ­tätig und Geschäftsführer von Otto Immobilien ist; sie befindet sich im Privateigentum der ­Familie ­Wenckheim. Wie es ist, wenn zwei ­Unternehmer am Familientisch ­sitzen? „Es wird viel über das Geschäft geredet. Meine Schwester hat immer gesagt, dass unsere Kinder schon mit vier Jahren eine Business-School besuchten – zu Hause nämlich“, sagt ­Wenckheim.

Christiane Wenckheim hält das Unternehmen durch Qualität und Nachhaltigkeit auf Kurs. Auch Innovationen sind ihr wichtig – so entstanden unter anderem Kreationen wie Radler mit Wassermelonen- oder Mangogeschmack.

Ihren weiteren Weg bei Otta­kringer hat sie schon genau geplant: „Ich will in den nächsten fünf bis sieben Jahren die nächste Genera­tion vorbereiten und unser Unternehmen in einem tollen Zustand übergeben.“ Sie selbst hat zwei Kinder, aber insgesamt gibt es viele Nachfolgekandidaten von zwei bis 33 Jahren innerhalb der gesamten Familie. „Wir haben da aber noch keinen bestimmten Nachfolger im Auge, das ist derzeit noch nicht spruchreif“, sagt Wenckheim. Wichtig sei es, den Jungen zu verstehen zu geben, dass es um Verantwortung gehe und das Unternehmen nicht als Geld­­maschine zu sehen sei. „Damit muss man achtsam umgehen; man soll tolle Ideen haben, und die Menschen und die Umwelt sollen im Mittelpunkt stehen.“ Und wenn das die Jungen genauso sehen, dann werden sie vielleicht auch nicht nur ein paar Monate, sondern ebenfalls viele Jahre im Unternehmen bleiben.

Christiane Wenckheim ist Aufsichtsratsvorsitzende der Ottakringer Getränke AG. Davor war sie Vorstandsvorsitzende der Ottakringer Brauerei AG. Wenckheim wurde 1965 geboren, ist mit dem Immo-Experten Eugen Otto verheiratet und hat eine Tochter und einen Sohn.

Fotos: Katharina Gossow

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