DIE KULTUR­SCHAFFENDE

Sie gilt als namhafte Expertin für Markenbildung in der digitalen Transformation, zuletzt war sie CEO von Condé Nast Germany: Jessica Peppel-Schulz läutete für die 300 Mitarbeiter des traditionsreichen Verlags mit Kultmarken wie Vogue neue Zeiten ein – und geht nun eigene Wege.

Die einfachen Dinge sind Jessica Peppel-Schulz’ Sache nicht. Sie sei in der „alten Welt“ sozialisiert worden und habe dennoch stets das Glück gehabt, die „Challenger-­Position“ in unterschiedlichen Unternehmen eingenommen zu haben – beim Telekomkonzern Hansenet/AOL, bei der UDG United Digital Group und zuletzt als CEO bei Condé Nast Germany.

Von April 2019 bis Mai 2021 war Peppel-Schulz beim letzt­genannten Unternehmen damit ­beauftragt, den traditionsreichen Verlag – ­bekannt für Publikationen wie GQ, Architectural Digest, Glamour sowie die Kultmarke Vogue – in ein modernes Medienunternehmen zu transformieren. Kein leichtes Unterfangen; manche behaupten, ein besonders schwieriges in ­Verlagen, da – kurz gefasst – die höheren ­Margen in der alten Welt zu finden sind und die Kundennähe, die beim digitalen Content fokussiert wird, oft als Gratwanderung zwischen Berichterstattung und Marketing wahr­genommen wird.

„Wir müssen natürlich sehr darauf achten, Journalismus und Werbung weiter stark zu trennen. Journalismus muss frei, unabhängig und kritisch berichten dürfen. Eine starke Marke mit Kundenfokus steht aber nicht im Widerspruch dazu“, ist Peppel-Schulz überzeugt. Schon früh sei sie gezwungen gewesen, digital zu denken, so die Volkswirtin. Besonders zu Beginn ihrer Karriere, als die größte Konkurrenz des Digitalen das Fernsehen war und Digitalabteilungen nicht einmal ansatzweise über ähnlich große Budgets wie das traditionelle Marketing verfügten, konnte man nur über den USP einen Unterschied machen. Die Dinge „digital zu denken, hieß damals schon, kreativ zu sein – und heute mutig auch notwendigerweise auf höhere Margen zu verzichten, zugunsten von Kundenfokussierung und damit einem nachhaltigen Unternehmenswachstum“, sagt Peppel-Schulz. „Den Kunden ins Zentrum des Denkens und Handelns zu setzen ist letztendlich Teil und Vorteil der Digitalisierung.“

„Eines ist und war immer klar: Digitalisierung findet statt – mit mir oder ohne mich“, sagt Jessica Peppel-Schulz.

Natürlich gehe es da vor allem um eine individuelle Customer Journey unter Nutzung der technischen Möglichkeiten selbst, sagt Peppel-Schulz. „Ich sehe aber die Digitalisierung nicht nur als Schaffung von Technologie per se. Für mich ist sie tatsächlich immer nur Mittel zum Zweck. Pro­dukte zu digitalisieren, Prozesse zu digitali­sieren, eine Technik zu schaffen, um Daten und Informationen so zu generieren, dass wir diese ziel­­­gerichteter nutzen können – hier sind wir auf einem guten Weg. Was mir zu kurz kommt, ist das Thema Human Digital Transformation. Wir können Prozesse und Produkte digitalisieren und einen optimierten Kundenfokus schaffen, aber an erster Stelle steht der Kulturwandel. Die Menschen müssen sich mitverändern und den Veränderungsprozess mitgestalten“, so Peppel-Schulz.

Es sind keine leeren Worte aus dem Mund der Managerin, deren Arbeit erstmals größere Aufmerksamkeit erlangte, als sie CEO der UDG war. „Damals wurden neun der besten Spezial-Digitalagenturen im deutschsprachigen Raum gekauft, mit dem Ziel, große Kunden mit einem Full-Service-Angebot zu bedienen“, blickt Peppel-Schulz zurück. (Später gingen weitere Agenturen in die UDG ein, 2019 wurde UDG von der PIA Group übernommen, die zu den größten Digital-Dienstleistern Deutschlands zählt.) Aus vielen kleineren Marken sollte eine große werden – mit eigenem Namen, eigener Führung, eigener Kultur. „Es ging darum, eine gemeinsame Vision und Strategie zu erarbeiten und für große Kunden die digitale Klaviatur zu spielen“, so die Hamburgerin. Mit einer ganzheitlichen Expertise und Spezialisierung in den Bereichen Experience, Technology, Performance, Communication und Consulting hat das Unternehmen Services für Kunden in einer Agentur vereint und ist zum führenden Player gewachsen, erklärt Peppel-Schulz. Die PIA Group setzte 2020 kolportierte 114 Millionen € um (Honorarumsatz, Anm.).

Bei Condé Nast Germany wiederum bestand die Aufgabe darin, alte Geschäftsmodelle und ikonische Marken in ein digitales Zeitalter zu über­führen. „Die beiden Aufgabenstellungen waren sehr unterschiedlich, haben aber einen gemeinsamen Nenner: die ­Human Digital Transformation, Human Business. Dafür stehe ich. Im Kern stecken immer die Transformation der Kultur, der Mitarbeiter, des Geschäfts­modells, die Digitalisierung der Produkte und deren Diversifizierung sowie neues, modernes Leadership“, so die Managerin. „Kein Ego, das Team steht im Fokus. Es sind oft ähnliche Themen, die ein solcher Veränderungsprozess mit sich bringt.“

Jessica Peppel-Schulz
...ist Volkswirtin und startete ihre Karriere 2001 bei Hansenet/AOL, danach folgte eine weitere Station beim Kabelnetzbetreiber Kabel BW/Unitymedia. Fünf Jahre lang führte die Hamburgerin danach als CEO die Digitalagentur UDG United Digital Group, bevor sie der Ruf als CEO von Condé Nast Germany ereilte.

Letzteres wurde durch den ersten corona­bedingten Lockdown gleich auf die Probe gestellt. „Ich denke, diese Situation hat mir persönlich, so schwierig sie war und noch immer ist, teils auch geholfen – in meiner Glaubwürdigkeit für das Team, der Transparenz und der Durchsetzung der dringend notwendigen Veränderungen in diesem damals noch sehr klassisch aufgestellten Verlag. Und manchmal sind es schon die ganz einfachen Dinge, die in einer solchen Ausnahmesituation helfen: Denn an Homeoffice wäre unter den alten Bedingungen nicht zu denken gewesen, da das Team groß-teils überhaupt nicht dafür ausgestattet war, remote zu arbeiten. Das haben die Leute sehr wertgeschätzt.“

Unter dem Arbeitstitel „Beau­ti­ful Growth“ wurde der alte Verlag in ein neues Medienhaus umgebaut. Dabei galt es, aus allen Marken einen gemeinsamen Markenkern zu ge­nerieren, mit jeweils individuellen Umsetzungsphasen. „Wichtig ist, dass dabei Print wie Online in den gleichen Markenkern einzahlen. Beides ist als Teil einer Customer Journey zu sehen“, so Peppel-Schulz. Denn nicht zuletzt: „Digi­talisierung findet statt – mit mir oder ohne mich.“

Zum Zeitpunkt unseres Gesprächs waren nur zwei Wochen seit Peppel-Schulz’ Abgang als CEO von Condé Nast Germany vergangen. Es war ein schon ­länger ge­plantes Weggehen: Der Europamarkt soll nun von London aus zentral gemanagt werden –eine Entscheidung des US-Mutter­konzerns, der sich von dieser Stra­tegie Kosteneffekte verspricht.

Pläne für danach hat Peppel-Schulz noch nicht gemacht. „Ich bin jetzt bis zum letzten Tag Marathon und Sprint gleich­zeitig gelaufen. Das war ich meinem Team schuldig. Jetzt atme ich durch und konzentriere mich auf andere Sachen“, sagt sie. Ihr Werte­­gerüst neu zu ordnen und mit ihrem Mann und ihren drei Kindern zu verreisen stehe jetzt auf ihrem Plan: „Danach mache ich mir dann Ge­danken, wo ich mich künftig sehe und was mich reizt. Das wird sich dann ergeben.“

Text: Heidi Aichinger
Fotos: Dirk Bruniecki

Dieser Artikel erschien in unserer Ausgabe 8–21 zum Thema „Women“.

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