DIE RENAISSANCE VON E-MAILS

Das Todesurteil für die ­traditionelle Variante – gemeint sind E-Mails – wurde immer wieder aufs Neue verkündet. Doch die elektronische Post zeigte sich überraschend resilient und ­feiert derzeit sogar ein ­großes Comeback.

E-Mails feiern ein Comeback – dies nicht zuletzt dank der Gründer von Front, einem Start-up, das den klassischen E-Mail-Posteingang in einen gemeinsamen Arbeitsbereich umwandeln will. Vor allem etablierte Unternehmen sind auf die Hilfe von Front angewiesen – doch auch jüngere Tech-Start-ups wie zum Beispiel die E-Commerce-Plattform Shopify oder der Zahlungsdienstleister Stripe arbeiten mit der Technologie.

Binnen sieben Jahren hat das Unternehmen 5.500 Kunden gewonnen, der Umsatz vervierfachte sich seit 2018; zuletzt verdiente Front geschätzt 32 Millionen ­US-$. Besonders wichtig für Front sind seine Investoren – mit Sequoia Capital sowie den Gründern hinter den Softwareriesen Atlassian, Qualtrics und Zoom setzen namhafte Geldgeber auf Front. Auch der „E-Mail-Killer“ Slack wettet, dass das Unternehmen mit Sitz in San Francisco in Zukunft Erfolg haben wird. Während viele den „Tod“ von E-Mails eben auf Slack und Konsorten schieben, sehen Front-CEO Mathilde Collin und ihr Mitgründer Laurent Perrin das Problem eher am Image und der Aufmachung elektronischer Post. Der Markt wird heute von zwei Spielern dominiert: Microsoft mit ­Outlook und Google mit Gmail. Die Front-Gründer, beide Franzosen, lernten einander 2013 kennen und merkten schnell, was die Lösung des Imageproblems brauchte: einen gemeinsamen Posteingang.

Vor Front konnte eine ­einzige Kundenanfrage innerhalb ­eines Unternehmens eine E-Mail-Flut aus­lösen. Die Nachricht wurde weiter­geleitet, mehrere Kollegen in CC gesetzt, um Feedback zu erhalten und zu einer Antwort zu kommen. Mit Front erhalten Benutzer Zugang zu einem gemeinsamen Konto, das eingehende Nachrichten wie Livedokumente behandelt und die Möglichkeit bietet, Notizen anzufügen und Kollegen zu markieren, ohne zusätzliche Mails zu versenden. Durchstarten wollten die Gründer in den USA: In Kalifornien bewarben sie sich für das prestigeträchtige Inkubatorprogramm von Y Combinator.

Geoff Ralston, der Yahoo Mail erschuf und heute Y ­Combinator leitet, fand die Idee spannend. „Mails als Grundlage für das nächste Milliardenunternehmen? Das erschien uns nicht intuitiv“ – aber die Gründer überzeugten. In der Tat ist Front dank seiner Investoren und Kunden auf dem besten Weg, ein Unicorn zu werden. Das Ziel von Collin und Perrin ist es, Gmail und Outlook abzulösen und zugleich zahlreiche Produktivitäts-Apps mit Front zu verknüpfen. Ob das gelingt, ist noch unklar – Analysten bleiben skeptisch, denn viele Unternehmen haben mit den Mailprogrammen von Google und Microsoft komfortable Anbieter gefunden. Doch in letzter Zeit haben laut Collin einige der größten CEOs der Techbranche ihre Hand ausgestreckt, etwa Satya Nadella von Microsoft. Verkaufen möchte sie jedoch nicht: „Wir sind erst bei 0,0001 % von dem, was möglich ist.“

Text: Alex Konrad / Forbes US
Foto: Eric Millette / Forbes US

Der Artikel ist in unserer Mai-Ausgabe 2020 „Geld“ erschienen.

Forbes Editors

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