DIE SINNGETRIEBENE

Mit positivem Blick und Hands-on-Mentalität zeigt Gabriela Sonnleitner, Geschäftsführerin des Magdas Hotels in Wien, wie ein Sozialunternehmen am Markt reüssieren und Geflüchteten Ausbildungs- und Arbeitsplätze verschaffen kann. Doch die Vision der Kärntnerin geht weit über Wien hinaus.

Gabriela Sonnleitner ist in diesen ­Tagen viel unterwegs in Wien. Mit ihrem Faltrad und der Schnellbahn pendelt die Geschäftsführerin der Magdas Social Business Gruppe, ­einer Tochter der Caritas der Erz­diözese Wien, zwischen ihrem Büro im Magdas Hotel im Prater und der Firmenzentrale in einem Randbezirk der österreichischen Bundeshauptstadt. „Ich switche gerade zwischen vielen Themen hin und her. Wirklich viel Zeit verbringe ich aber mit unserem neuen Hotelprojekt“, erzählt Sonnleitner. Die Planung der ­neuen Unterkunft im Stephanushaus in Wien-Landstraße, für das sie mit dem Architekturbüro BWM und dem Designer Daniel Büchel zusammenarbeitet, liegt in der Endphase. Im kommenden Frühjahr soll dann der Bau des Drei-Sterne-plus-Stadthotels im ehemaligen Priesterwohnheim gestartet werden. 90 Zimmer, ein ­eigenes Restaurant sowie ein ­Schani- und Gastgarten sollen dort entstehen. „Du brauchst eine 1-a-­Lage mit perfekter Erreichbarkeit und ein ­cooles Designkonzept, alles andere ist Zu­gabe“, so Sonnleitner.

Wie bereits im bestehenden Magdas Hotel realisiert die Caritas hier einen Social-Business-Betrieb, der den Schwerpunkt auf die Ausbildung junger Menschen mit Fluchthintergrund in Hotellerie- und Gas­tronomieberufen legt. „Wir haben bei der Caritas die Erfahrung gemacht, dass der Einstieg in den Arbeitsmarkt trotz positiven Asylbescheids für viele noch immer nicht funktioniert. Daraus hat sich dann unsere Idee entwickelt. Wenn niemand das Potenzial der Geflüchteten sieht, zeigen wir, wie es gehen kann“, erzählt Sonnleitner über die Anfänge des Magdas Hotels, das im Jahr 2015 mit 20 Mitarbeitern mit Fluchthintergrund und drei Hotelfachleuten unter ihrer Leitung in Betrieb ging und sich seitdem wirtschaftlich tragen muss.

Soziale Fragen, wo es sinnvoll und möglich erscheint, unternehmerisch zu lösen – das ist das Ziel der Social-Business-Sparte der Caritas Wien, die vor acht Jahren gegründet wurde und 2019 14 Millionen € Umsatz erwirtschaftete. Neben Geflüchteten werden Langzeitarbeits­lose und Menschen mit Behinderung, die am Arbeitsmarkt kaum Chancen ­haben, unter der Dach­marke Magdas in den vier Geschäftsbereichen ­Hotel, Essen, Recycling und Reinigung ­beschäftigt. „In jedem Menschen ­stecken Talente – es geht darum, den richtigen Platz für sie zu finden. Bei uns bekommen sie eine zweite und wenn nötig auch eine dritte und vierte Chance. Das ist ­unser Auftrag“, so Sonnleitner. Der Tätigkeitsumfang der 200 Mitarbeiter wächst stetig. Die jüngsten ­Erfolge: Magdas Essen, das unter anderem die Firmen Ottakringer und Vöslauer bekocht, konnte die Ausschreibung für die Kantinen im Burg- und Akademietheater gewinnen, und das Reinigungsgeschäft hat die WU Wien als neuen Auftraggeber.

Das Magdas Hotel bildet junge Menschen mit Fluchthintergrund in Hotellerie und Gastronomieberufen aus.

Im Magdas Hotel wurden ­bislang 181.000 Gäste aus aller Welt begrüßt, und mehr als 70 Menschen aus 20 Ländern haben ihren Einstieg ins Berufsleben hier absolviert. Fünf Jahre nach der Eröffnung und an ­vielen Lernschritten und Erfahrungen reicher, arbeitet Sonnleitner nun mit ihrem Team mitten in der Covid-­Krise an der Eröffnung des ­zweiten Magdas Hotels. Denn der Bedarf sei immer noch hoch – auf eine freie Ausbildungsstelle kommen rund 40 Bewerber. Die Pandemie hat indes das Hotelgeschäft ausgebremst; ein kostendeckender Betrieb ist seit Monaten nicht möglich. Acht Wochen blieb das Hotel im Prater geschlossen, die aktuell sieben Lehrlinge mussten zur Kurzarbeit angemeldet werden. Ende Mai ­beherbergte Sonnleitner dann wieder die ersten ­Gäste, der Sommer ­brachte eine 40-prozentige Auslastung, jedoch nur für kurze Zeit: „Was sich langsam wieder aufgebaut hat, ist jetzt durch die steigenden Infektionszahlen und Reise­warnungen für Wien wieder weg. Nun muss das Team wieder in Kurzarbeit gehen“, sagt Sonnleitner. Die Mitarbeiter konzentrieren sich indes ganz auf den Lokalbetrieb des Hotels. Kleine Feiern und der in der Nachbarschaft beliebte tägliche Mittagstisch bringen wichtige ­Umsätze. Gemäß ihrer Natur behält sich die Kärntnerin den positiven Blick. „Es gibt immer einen Weg; wir kommen da durch und werden es schaffen“, ist Sonnleitner überzeugt.

Gabriela Sonnleitner
...absolvierte ihren Magister in Publizistik- und Kommunikationswissenschaft sowie Musikwissenschaft an der Universität Wien. Für mehrere Jahre engagierte sie sich in diversen sozialen Einrichtungen, seit 2015 führt sie die Geschäfte von Magdas Social Business.

Dieses Motto begleitet die heute 53-Jährige seit Jugendtagen. Nach der Matura in Klagenfurt-Viktring wollte Sonnleitner eigentlich die Musikhochschule besuchen, um Querflöte zu studieren und Profimusikerin zu werden – doch sie scheiterte. „Ich war todtraurig, dass es nicht geklappt hat. Gott sei Dank, sage ich heute, mein Leben ist somit viel bunter verlaufen“, so Sonnleitner. Sie sattelte auf Musikwissenschaft und Publizistik um, arbeitete bereits ­während des Studiums bei Wien Tourismus in der PR- und Werbe­abteilung und ging danach für einige Jahre nach London. Dort sammelte sie Berufserfahrung in einer Werbe­agentur und bei der ­Kaufhauskette Marks & Spencer. Bevor sie nach Wien wechselte und beim Österreichischen Hilfswerk die Leitung der Kommunikationsabteilung übernahm, ­reiste Sonnleitner einige Monate durch Ostafrika. „Der Kontinent fasziniert mich, das ist ein absoluter Kraftort für mich. Man kann besonders hinsichtlich der Lebenseinstellung viel von den Menschen lernen“, sagt Sonnleitner.

Vom Hilfswerk in Wien wechselte sie später zur Caritas Österreich, wo diese inländische und internationale Kampagnen, Fundraising sowie die Medienarbeit verantwortete. Damals initiierte sie mit dem ORF und der Post das Spendenprojekt „Ö3 Wundertüte“ zugunsten der ­humanitären Hilfskampagne Licht ins Dunkel, welches heute von Magdas Recycling umgesetzt wird. Rund 450.000 Alt­handys werden jährlich von zwölf Mitarbeitern sortiert, in ihre Einzelteile zerlegt und wenn ­möglich von Partner­firmen zur Weiter­verwendung repariert. „Ein Projekt, das Ökonomie, Ökologie und Soziales optimal verbindet. Und genau das strebe ich mit meiner Arbeit an“, so Sonnleitner. Nach einer dreijährigen Tätigkeit als Kreativdirektorin für die Werbeagentur Ketchum Publico ­wechselte sie erneut in den NGO-Bereich, zur Hilfsorganisation Licht für die Welt, die sich für augenmedizinische Versorgung vor allem in ­afrikanischen Ländern einsetzt. „Ich bin ein sinngetriebener Mensch und möchte einen Millimeter ­Gutes zu dieser Welt beitragen. Mein Herz hängt am sozialen Tun“, erklärt Sonnleitner. Mit dieser Hands-on-Mentalität sei sie schon aufgewachsen. „Egal, wer was gebraucht hat, es war für meine Eltern selbstverständlich, anzupacken“, erzählt die in Feldkirchen geborene Tochter eines Gendarmen und einer Schneiderin.

Heute verwirklicht sie dies bei Magdas. Neun Millionen € sollen nun in das neue Hotelprojekt investiert werden, die Kreditverhandlungen mit Banken laufen. Beim Umbau stehen Recycling und Wiederverwendung der Einrichtung im ­Fokus, auch die Kapelle wird erhalten bleiben. Zur Nachhaltigkeit soll eine ­Photovoltaikanlage für die Energiegewinnung in dem 1964 errichteten Haus beitragen; dafür ist Sonnleitner auf Sponsorensuche. Als Eröffnungstermin peilt sie den Valentinstag 2022 an. „Dass unser Konzept funktioniert, haben wir bewiesen. Wien verträgt ein zweites Magdas Hotel, und wir können unseren Effekt in der Gesellschaft damit vervielfachen“, meint Sonnleitner. Welches ­Projekt sie danach anstößt, ist noch ­unklar – zunächst stehen dann Neuerungen im Magdas Prater an. Aber einen Wunsch formuliert die passionierte Bergwanderin deutlich: „Meine Vision ist, dass unser Projekt zur Ausbildung und Teilhabe von Geflüchteten am Arbeitsmarkt in den europäischen Großstädten Schule macht.“

Text: Christiane Kaiser-Neubauer
Fotos: Peter Barci

Dieser Artikel erschien in unserer Ausgabe 9–20 zum Thema „Women“.

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