DIE WEICHEN FÜRS VERMÖGEN

Ein Gastkommentar von Florian Prucker, Gründer und Geschäftsführer von Scalable Capital.

Mein erster Gehversuch an der Börse war lehrreich, aber schmerzhaft. Mit 21 kaufte ich Aktien des US-Unternehmens GameZnFlix, das DVDs per Postversand verlieh. Das Geschäftsmodell klang vielversprechend – trotzdem stellte GameZnFlix 2008 den Betrieb ein. Die Aktien wurden wertlos aus meinem Depot ausgebucht, das Geld war weg. Ein anderes Unternehmen, das Ende der 90er-Jahre mit einem ähnlichen Angebot startete, ist heute an der Börse mehr als 125 Milliarden US-$ wert: Netflix. Der eine geht unter, der andere blüht auf. Wer sich durchsetzt, ist kaum vorhersehbar. Auf einzelne Firmen zu setzen
ist daher riskant. Ich bin froh, dass ich diese Lektion schon jung lernen durfte.

Junge Menschen können nicht früh genug anfangen, sich mit Finanzen, der Börse und Vermögensaufbau zu befassen. Ein Student oder Berufseinsteiger hat vielleicht wenig Geld, aber eine entscheidende Ressource, die doppelt wirkt: Zeit. Wer früher anfängt, kann länger anlegen, was Risiken verringert. Und er profitiert stark vom Zinseszinseffekt. Mit einer Investition in den MSCI World ließen sich etwa von Ende 1988 bis Ende 2018 in Euro gerechnet im Schnitt jährlich rund 7 % Rendite erzielen. Ziehen wir von dieser Rendite
1 % jährliche Kosten für die Geldanlage ab, dann werden aus 10.000 € in 30 Jahren mehr als 57.000 €. Wer später mit dem Vermögensaufbau startet und dieselbe Summe bloß 20 Jahre lang anlegt, käme nur auf 32.000 €.

Wer sich regelmäßig Zeit nimmt, baut Wissen auf – und steht bald besser da als jenes Fünftel der Österreicher zwischen 18 und 29 Jahren, das sich laut dem Österreichischen Bankenverband nicht in der Lage sieht, wichtige Finanzentscheidungen selbstständig zu treffen.

Sechs Regeln erleichtern den Start

Geldanlage und Vermögensaufbau sind keine Hexerei. Ein paar einfache Regeln helfen, die Weichen richtig zu stellen. Die erste: keine Konsumschulden machen. Mit Geld, das man anlegen könnte, jahrelang einen Kredit zu tilgen, frustriert. Wer regelmäßig Geld zurücklegt, der sollte Regel zwei beachten: nicht mit Girokonto oder Sparbuch sparen. Dorthin gehört der Notgroschen, mehr nicht, denn die Zinsen sind meist niedriger als die Inflationsrate. Ein Vermögen lässt sich so nicht aufbauen. Hierfür braucht es Anlageformen, bei denen die Aussicht auf höhere Renditen besteht, etwa eine Investition an der Börse.

Florian Prucker
... ist Gründer und Geschäftsführer von Scalable Capital, einem Anbieter für digitale Vermögensverwaltung mithilfe eines Robo Advisors. Der gebürtige Innsbrucker studierte Betriebswirtschaft und Elektronik an der TU München.

Wer einwendet, das sei nur etwas für Menschen, die ein großes Vermögen haben, irrt. Schon mit zweistelligen Beträgen pro Monat lässt sich an der Börse investieren. Hierfür sollten Studenten und Berufseinsteiger einen Sparplan einrichten (Regel drei). Ohne hohe Einstiegshürde verankern sie das Anlegen so in ihrem Leben. Meinen Fehler, in ein einzelnes Unternehmen zu investieren, sollten junge Leute vermeiden. Eine gute Geldanlage ist breit diversifiziert – das ist Regel vier. Mit einem Investment in den MSCI World streut ein Anleger sein Risiko über gut 1.600 Unternehmen in 23 Ländern. Regel fünf lautet: die Kosten der Geldanlage niedrig halten. Das heißt nicht nur, teure Finanzprodukte zu meiden, sondern auch, unnötig häufiges Kaufen und Verkaufen zu unterlassen.

Schutz vor Fehlentscheidungen

Letzteres klingt leichter gesagt als getan, wenn es an der Börse auf und ab geht. Doch Anleger sollten sich vor ­emotionalen Fehlentscheidungen schützen. Daher Regel sechs: regelbasiert anlegen. Bei regelbasierten Anlage­modellen entscheiden weder Bauchgefühl noch die Meinung eines Fondsmanagers über Kauf oder Verkauf. Stattdessen überwacht eine Software das Portfoliorisiko und schichtet bei Bedarf automatisch um. Am einfachsten geht regelbasiertes Anlegen mit einem sogenannten „Robo Advisor“, einem digitalen Vermögensverwalter.

Die sechs Regeln zu beherzigen ist nicht schwer – kein Grund also, sich von einer Geldanlage an der Börse abhalten zu lassen. Schaut man sich die niedrige Aktienquote in Österreich an, scheinen die Vorbehalte jedoch groß. Dabei sind Ängste bei einem langfristigen Anlagehorizont in der Regel unbegründet. Wer als Student oder Berufsanfänger mit der Vorsorge fürs Ruhestandsalter beginnt, hat mehr als 30 Jahre Zeit. Ein Rückblick auf den MSCI World seit 1975 zeigt: Wer in den Index investiert hat, hat in Euro gerechnet bei einer Anlagedauer von mindestens 15 Jahren nie einen Verlust gemacht. Selbst wer Ende 2007, also kurz vor der Finanzkrise, eingestiegen ist, kam in den elf Jahren bis Ende 2018 auf eine durchschnittliche Jahresrendite von 6 %.

Eine Garantie für die Zukunft ist das natürlich nicht. Es zeigt aber, dass langfristige Anleger mit einer breit gestreuten Anlage zuletzt gut gefahren sind. Mit diesem Wissen im Hinterkopf sollten sich junge Leute ihrer Alters­vorsorge widmen. Der beste Zeitpunkt, damit anzufangen, ist heute.

Gastkommentar: Florian Prucker

Der Gastkommentar ist in unserer Forbes Daily erschienen.

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