Die Zukunft der Finanzbranche

Ramin Niroumand, Gründer des „Company Builder“ Finleap glaubt, dass die Zukunft der Finanzbranche in einem europäischen Ökosystem liegt.

Wie viele Finanz-Apps haben Sie auf Ihrem Smartphone? Wenn ich raten darf: eine von Ihrer Hausbank, dann noch Paypal, eine zum Portfoliomanagen, eine für die Spesenabrechnung, eine fürs digitale Zweitkonto. Die Liste lässt sich beliebig fortführen. Wenn man jetzt die Smartphones eines deutschen und eines französischen Nutzers nebeneinanderlegen würde, würde man wahrscheinlich auf die gleiche Anzahl an Apps kommen, nur mit anderem Namen. Es gibt in Europa derzeit viele verschiedene Player, die sich direkt an den Endkunden wenden und fast genau das gleiche Angebot haben – nur in unterschied­lichen Ländern. Ergibt das Sinn?

Ich denke, dass sich in Zukunft der Markt dieser nationalen „Endkunden-Fintechs“ anders aufstellen wird: Die Fintechs werden sich durch Kooperationen immer mehr in Plattformen verwandeln und ihr Serviceangebot massiv erweitern. So könnte ein digitaler Geschäfts­kontoanbieter seine Kunden neben einem Bankkonto auch noch mit Versicherungen, Rechtshilfe und Buchhaltungsdienstleistungen versorgen.

Ramin Niroumand
... gründete 2014 den „Company Builder“ Finleap, der bisher 16 Fin- und Insurtechs gegründet hat. Niroumand war davor unter anderem Senior Consultant bei Deloitte.

Wenn man nun die vertikale Wertschöpfungskette weiterdenkt, werden sich nicht nur die Fintechs breiter aufstellen, sondern insbesondere das, worauf sie gebaut wurden: die Technologie- und Infrastruktur-Fintechs. Viele der B2C-Geschäftsmodelle haben zwar ein nutzerfreundliches Angebot, im Hintergrund aber kooperieren sie mit Technologie- und Infrastruktur-Fintechs, die wiederum über die notwendigen Systeme und Lizenzen verfügen. Wenn sich nun also ein Endkunden-Fintech in einer jeweiligen Sparte anschickt, den gesamten europäischen Markt zu erobern, braucht es Technologie- und Infra­struktur-Fintechs, die mithalten – sprich: den besten technologischen Service und die meisten Kapazitäten EU-weit bereit­stellen – können. Zusammen­gefasst werden wir also den Aufstieg des sogenannten kontextuellen Bankings – sprich: des Finanzangebots genau in der Situation, in der der Kunde es braucht – mit den besten europäischen Playern erleben: die Endkunden-Fintechs mit dem optimal kuratierten Angebot, die Technologieanbieter mit den schnellsten Lösungen und die Infrastruktur-Fintechs mit den meisten Kapazitäten für neue Partner. Dadurch entsteht ein europäisches Finanzökosystem, in dem sich die verschiedenen Unternehmen über nationale Grenzen hinweg vernetzen und neue Angebote schaffen. Das Schöne: Dieses Ökosystem, wenn es denn aus der Konsolidierung des Marktes heraus entsteht, gehört keinem Konzern, sondern ist eigenständig.

Und quo vadis, traditionelle Banken und Versicherer? Sie sind derzeit noch die Platz­hirsche, wenn es um die Zahl der Kunden und die Größe der Infrastruktur geht, aber Fintechs holen auf. Den traditionellen Finanzdienstleistern muss es gelingen, sich ebenfalls – sowohl in der Breite des Angebots als auch in der vertikalen Wertschöpfungskette – anderen Anbietern zu öffnen, um Teil des Ökosystems zu sein. Andernfalls werden sie zu Verwaltern einer Banking-Ära, die ihren Zenit überschritten hat. Das nationale „Klein-Klein“ mit eigenen Fördertöpfen, Lösungen und doppelten Dienstleistungen hat in meinen Augen jedenfalls keine Zukunft mehr.

Gastkommentar: Ramin Niroumand

Der Gastkommentar ist in unserer November-Ausgabe 2019 „Next“ erschienen.

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