Die Zukunft unserer Ernährung

Wer über die Zukunft des Essens spricht, landet schnell bei Fleisch aus dem Labor oder personalisierten Ernährungsalgorithmen. Doch der größte Wandel beginnt woanders: in unserem Alltag. Unsere Gesellschaft wird älter, Familienstrukturen lösen sich auf, urbane Lebensstile prägen den Rhythmus. Unser Essen – und unsere Art, zu essen – passen sich an.

Immer mehr Menschen leben alleine oder in kleinen Haushalten. Gemeinsame Mahlzeiten verlieren an Bedeutung, feste Tagesstrukturen weichen flexiblen Routinen. „Snackification“ beschreibt diesen Wandel: Statt klassischer Mahlzeiten essen viele Menschen heute häufiger, aber kleiner – unterwegs, am Schreibtisch oder vor dem Bildschirm.

Hinzu kommt: In unsicheren Zeiten steigt das Bedürfnis nach Selbstkontrolle. Gesundheit wird als kontrollierbar wahrgenommen und somit zur Projektionsfläche. Proteinreiche, zuckerarme oder funktionale Produkte boomen. Nahrungsergänzungsmittel, alkoholfreie Alternativen und Clean-Label-Snacks versprechen Leistungsfähigkeit, Balance und Kontrolle.

Während die Start-up-Aktivität im deutsch­sprachigen Raum wieder zunimmt, etablieren sich Marken mit Fokus auf „Better for you“-Eigenschaften. Sie starten oft im eigenen Onlineshop, bauen starke Communitys auf – und wagen dann den Schritt in den Handel. Der stationäre Einkauf bleibt dabei trotz aller Innovationen dominant: Die entscheidende Hürde ist und bleibt das Regal.

Hier beginnt auch die Neuordnung: Händler wie Aldi Süd oder Rewe experimentieren bereits mit neuen Sortierungen nach Lebensstilen und Bedürfnissen – etwa „Tierwohl“, „Preisbewusst“, „Nachhaltig“. Die klassische Sortierung nach Warengruppen wird zunehmend durch Narrative angereichert.

Genau hier liegt eine Chance für Markenhersteller: Wer seine Produkte nicht mehr nur über Eigenschaften, sondern über Bedeutungsräume positioniert – etwa „Geborgenheit“, „Stabilität“ oder „Balance“ –, liefert dem Handel echten Mehrwert. Insights werden zum Schlüssel für Differenzierung.

Gleichzeitig entwickelt sich der B2B-Sektor leise mit: Start-ups wie Planet A Foods liefern Schokoladealternativen, die als Zutaten in Handelsmarken auf­tauchen – effizient, skalierbar und ressourcenschonend.

Die Zukunft unserer Ernährung entscheidet sich demnach nicht nur im Labor, sondern auch am Regal. Für Händler und Hersteller ist die Herausforderung,
die Kunden, ihre Bedürfnisse und ihren Blick aufs Regal besser zu verstehen, früher zu antizipieren – und im Markt durch neue Kategorisierungen und sinnstiftende Narrative neue Impulse zu setzen.

Boris Planer
Sprecher für Handel und schnelllebige Konsumgüter
Zukunftsinstitut

Forbes Contributor

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