Mit dem FORBES-NEWSLETTER bekommen Sie regelmässig die spannendsten Artikel sowie Eventankündigungen direkt in Ihr E-mail-Postfach geliefert.
Langsam steigt der Frauenanteil in Führungspositionen österreichischer Unternehmen, doch die Barrieren sind hartnäckig. Martina Huemann, Akademische Leiterin des Executive MBA Strategic Project Management an der WU Executive Academy, erklärt im Gespräch mit Forbes, warum die bekannten Pain Points so persistent sind – und wie Frauen und Unternehmen sie überwinden können.
Langsam, sehr langsam wandern Frauen an die Spitzen österreichischer Unternehmen und in ihre Aufsichtsräte: In den 200 umsatzstärksten Unternehmen des Landes sind 27,7 % Frauen, fand der „Frauen Management Report 2025“ der Arbeiterkammer Wien heraus – auf eine Mindestbeteiligung von 40 % Frauen in der Geschäftsführung kommen nur 29 dieser Organisationen. Das Ungleichgewicht ist besonders deutlich in den Vorständen börsennotierter Firmen, wo nur 12,8 % der Vorstände Frauen sind. Im internationalen Vergleich hinkt Österreich ebenfalls hinterher. „Es ist schon längst allen bekannt, aber es geht einfach so wenig weiter“, klagt Martina Huemann.
Sie ist Akademische Leiterin des Executive MBA Strategic Project Management der WU Executive Academy und leitet die Projektmanagement-Group an der WU Wien. Seit Jahren beschäftigt sie sich mit Diversität in Unternehmen und hat gemeinsam mit dem Female-Leaders-Netzwerk der WU Executive Academy die größten Hindernisse für Frauen in Führungspositionen analysiert. Die Barrieren sind eigentlich nicht neu (Konzepte wie die „gläserne Klippe“ sind vielen ein Begriff) – und doch sind sie hartnäckig.
Der Mangel an Frauen in Führungspositionen ist nicht nur ein gesellschaftliches Problem, sondern auch ein wirtschaftliches: Dass ein höherer Frauenanteil in Führungsteams die Produktivität und Profitabilität von Unternehmen steigert, ist altbekannt – mehr Frauen in Führungspositionen bedeuten oft nicht nur höhere Umsätze, sondern auch einen stärkeren Fokus auf Themen wie Nachhaltigkeit, sagt Huemann. Warum also sind diese „Pain Points“ von Frauen in Unternehmen so hartnäckig?
Diversität muss in der DNA einer Organisation sein, sonst fällt das Thema in Krisenzeiten vom Tisch.
Martina Huemann
Huemann ordnet die Hindernisse grob in drei Bereiche, die aber wie Zahnräder ineinandergreifen. Die „gläserne Decke“ beschreibt die unsichtbare Barriere, die Frauen daran hindert, ins Top-Management aufzusteigen. Sie beruht, erläutert die Professorin, auf unbewussten Vorurteilen, Geschlechterstereotypen und strukturellen Ungleichheiten.
„Männernetzwerke sind in Unternehmen deutlich prominenter als Netzwerke für Frauen“, nennt Huemann einen zweiten Punkt im selben Bereich. Diese Netzwerke funktionieren nach dem Prinzip der Ähnlichkeit, sagt sie: Männliche Manager befördern eher andere Männer, denn: „Jeder Mensch fühlt sich wohl, wenn er oder sie von ähnlichen Menschen umgeben ist.“ Genau weil die oberen Etagen von Männern besetzt sind, ist es für Frauen schwierig, in sie vorzudringen.
Dasselbe Problem gibt es auch aus der anderen Richtung: Das Phänomen der „Broken Rung“ beschreibt, dass – eben weil Frauen seltener befördert werden und in den Organisationen oft „unten“ bleiben – ein kleineres „Angebot“ an Frauen für die obersten Führungspositionen infrage kommt. Hinzu kommt, dass Frauen häufig keinen Mentor finden, der ihnen in der Karriere weiterhilft.
Der zweite Pain Point, den Huemann und ihre Kolleginnen identifizieren, liegt in der Sozialisation und Bildung. Im Kindergarten werden Mädchen anders behandelt als Buben – ihnen werden andere Spielzeuge gereicht und andere Qualitäten zugeschrieben. Das hört auch in späteren Jahren nicht auf. „Als ich Mathematik studieren wollte, haben mich Mitschüler und manche Lehrer gefragt: ,Willst du wirklich das studieren?‘ Niemand hat abgestritten, dass ich die Klassenbeste in dem Fach war. Aber ich habe damals einen Pushback gespürt“, erzählt Nina Schweighofer, die den Global Executive MBA an der WU Executive Academy abgeschlossen hat und auch im internationalen Advisory Board der Executive Academy sitzt, im Gespräch mit Forbes. Heute, 25 Jahre nachdem sie ihr Studium begann, ist sie Senior Team Lead der Bankenaufsicht der EZB.
Die Prägung aus den frühen Jahren, so Huemann, führe dazu, dass Frauen dazu neigen, ihre Fähigkeiten in bestimmten Bereichen geringer einzuschätzen, als sie tatsächlich sind. Studien zeigen: Während Männer sich für Stellen bewerben, ohne alle Anforderungen zu erfüllen, zögern Frauen selbst dann, wenn sie überqualifiziert sind. „Ich sehe das auch bei meinen PhD-Studenten“, erzählt Huemann: „Frauen, die fachlich besser sind als ihre männlichen Kollegen, brauchen oft einen Schubs, um auf die Bühne zu treten.“
Frauen in Führungspositionen berichten häufiger als ihre männlichen Kollegen, dass ihr Geschlecht oder ihre Rolle als Mutter (bzw. Vater bei Männern) der Grund war, warum sie keine Gehaltserhöhung oder Beförderung erhalten haben. Hinzu komme, dass weibliche Führungskräfte sich mehr um das Wohlbefinden von Mitarbeitern kümmern und Vielfalt, Gleichberechtigung und Integration fördern – eine Arbeit, die die Mitarbeiterbindung und -zufriedenheit erheblich verbessert, aber in den meisten Unternehmen nicht formell belohnt werde, erklärt Huemann.
Ich war nicht lange in Karenz und wollte relativ schnell wieder zurückkommen. Aber ich habe aufgeschnappt, dass das vielen in meinem Umfeld gar nicht so recht war.
Nina Schweighofer
Huemanns dritte Kategorie ist „Familie und Betreuungspflichten“ – Letzteren kommen Frauen nach wie vor deutlich öfter nach als Männer. Verschiedene Studien belegen, dass Frauen auch dann mehr unbezahlte Arbeit leisten als ihr männlicher Partner, wenn beide Vollzeit angestellt sind.
Besonders belastend ist das Phänomen der „Mom Guilt“ – Schuldgefühle, weder den Kindern noch dem Job wirklich gerecht zu werden. Die Folgen sind oftmals verminderte Arbeitszufriedenheit, geringere Produktivität und chronischer Stress bis hin zu Burnout-Symptomen. „Väter hingegen werden sehr selten hinterfragt, ob sie gute Väter sind“, sagt Huemann.
Auch Schweighofer schildert, dass ihr nach ihrer ersten Schwangerschaft abgeraten wurde, „zu schnell“ zum Arbeitsplatz zurückzukehren: „Ich war nicht lange in Karenz und wollte relativ schnell wieder zurückkommen. Aber ich habe aufgeschnappt, dass das vielen in meinem Umfeld gar nicht so recht war.“
Bevor sie für ihren Job bei der EZB nach Frankfurt zog, lebte sie in Luxemburg, wo das Angebot an Kinderbetreuung besser ausgebaut ist als in Österreich. Der Anteil an Kleinkindern (unter drei Jahren) lag dort 2023 laut Eurostat bei 60 % – weit über dem EU-Schnitt von 37,5 % und noch weiter über dem österreichischen von 24,1 %. Eine professionelle Kinderbetreuung habe ihr geholfen, die Karriereleiter zu erklimmen, erklärt Schweighofer: „Dass mich keiner schief angeschaut hat, als ich mein Kind mit drei Monaten in die Betreuung gegeben habe, war für mich ein komplett neues Erlebnis – und die hohe Qualität der Kinderbetreuung hat mir die Entscheidung leicht gemacht, ob ich sie nutzen möchte.“
Um die Pain Points zu überwinden, so Huemann, müssen Frauen und Männer bei sich selbst anpacken: Führungskräfte müssen Organisationen anders aufstellen; Unternehmen müssen eine Kultur etablieren, in der Diversität nicht als Kostenfaktor oder To-do-Liste wahrgenommen wird, sondern als wirtschaftlicher Vorteil. „Diversität muss in der DNA einer Organisation sein, sonst fällt das Thema in Krisenzeiten vom Tisch“, sagt die Professorin. Das bedeutet konkret: Mentorship-Programme aufsetzen, Netzwerke auf die Beine stellen, flexible Arbeitsmodelle implementieren. Neue Führungsformen wie Shared Leadership – bei dem sich zwei Personen die Aufgaben einer Position teilen – sollten verstärkt gefördert werden, sagt sie.
Frauen können selbst aktiv in Netzwerke investieren, sich weiterbilden und sichtbar machen, sagen Huemann und Schweighofer. Fortbildungsprogramme bieten beides – nach ihrer ersten Schwangerschaft hat Schweighofer deshalb ein MBA-Programm an der WU Executive Academy begonnen.
Was macht ein gutes Netzwerk aus? Für Huemann sind es mehrere Faktoren: regelmäßige Treffen, Kontakt zu Vorbildern und Mentoren und Zugang zu Ressourcen und Jobs. Vor allem aber gehe es darum, Vertrauen aufzubauen. „Im Female Leaders Network der WU Executive Academy kann ich mich frei mit Frauen über Themen austauschen, mit denen wir in Führungspositionen konfrontiert sind“, so Schweighofer, die im Board des Netzwerks sitzt.
Sie selbst hat sich mehrere Netzwerke aufgebaut. Sie ist nicht nur Teil des Female Leaders Network, sondern hat mit anderen Eltern ein Elternnetzwerk aufgebaut, dessen Mitglieder sich gegenseitig bei der Kinderbetreuung helfen. Sie betont, dass gemischte Netzwerke mit Frauen und Männern genauso wichtig sind wie reine Frauennetzwerke.
Mentoring spiele ebenso eine Schlüsselrolle – Huemann selbst hatte in ihrer Karriere männliche Mentoren, die sie gefördert haben. Heute nimmt sie vor allem Studentinnen unter ihre Fittiche: „Wenn ich von jemandem das Potenzial sehe, dann möchte ich das auch fördern.“ Sie zitiert Studien, die zeigen: Wer in der eigenen Karriere einen Mentor hatte, wird mit höherer Wahrscheinlichkeit selbst zum Mentor.
Huemann sieht aber durchaus positive Entwicklungen: Frauen in Führungspositionen werden nicht nur mehr, Männer gehen heute auch öfter in Karenz als noch vor 30 Jahren. „Ein Freund von mir war vor 30 Jahren der erste Mann in seinem Unternehmen, der in Karenz gegangen ist. Er musste das wirklich durchboxen“, erzählt Huemann. Heute sei das in vielen Unternehmen selbstverständlicher geworden. Im Schnitt sind es aber nach wie vor Frauen, die länger und öfter in Karenz gehen. Es geht also in die richtige Richtung – das Tempo ist allerdings nach wie vor langsam.
Text: Forbes-Redaktion
Fotos: Gianmaria Gava