Ein Schritt nach dem anderen

On-Running ist eine der am schnellsten wachsenden Laufschuhmarken der Welt. Auch die Konkurrenz ist bereits auf die eigens entwickelte Technologie des Zürcher Gründertrios aufmerksam geworden.

Anders. Das ist das Wort, mit dem die Produkte der Zürcher Laufschuhmarke On laut den Gründern oft beschrieben werden. Und es ist wohl auch das Wort, das das Team selbst wählen würde, um sich zu beschreiben – seine Produkte, Mitarbeiter, das Unternehmen als Ganzes.

Zugegeben: Die Wortwahl ist nicht ganz unberechtigt. Denn die Technologie, auf der die Zürcher Laufschuhmarke basiert, unterscheidet sich tatsächlich von allem, was bis dahin auf dem Markt zu finden war. Der gern erzählte Gründermythos lautet – stark verkürzt natürlich – folgendermaßen: Weltklasseläufer klagt über Laufbeschwerden. Weltklasseläufer trifft ETH-Ingenieur. ETH-Ingenieur will Schuh entwickeln, der Weltklasseläufer mit seinen Beschwerden hilft. Ingenieur zerschneidet Gartenschlauch und klebt die Teile auf Schuhsole. Prototyp kommt gut an und wird stets weiterentwickelt – Revolution des Laufschuhs abgeschlossen.

So oder so ähnlich sahen die Anfänge der Laufschuhmarke On aus. Olivier Bernhard war mehrfacher Schweizer Meister und Weltmeister im Triathlon, Duathlon und wird auf der Bestenliste der Schweizer Ironman-Teilnehmer auf Platz 6 geführt. Nach jahrelangen Laufeinheiten wollte Bernhard etwas entwickeln, was ihm am Markt fehlte: Die von Läufern gewünschte Stabilität beim Abstoßen mit der ebenfalls herbeigesehnten Dämpfung beim Aufkommen zu verbinden. Heute, rund sieben Jahre später, ist On eine der am schnellsten wachsenden Laufschuhmarken der Welt – vielleicht sogar die am schnellsten wachsende. Bis dahin brauchte es aber zahlreiche Prototypen, Patente und zwei neue Gründer an der Seite des schon als „King of Zofingen“ betitelten Bernhard.

Einer der „Neuen“ war David Allemann, der uns an einem sonnigen Montagmorgen in einem hellen, fast (garten-)schlauchartig angeordneten Büro inmitten von Zürich gegenübersitzt. Allemann, der sich vor allem um die Marketingaktivitäten kümmert, war vor seiner Zeit bei On vier Jahre lang Marketingchef beim Möbelunternehmen Vitra und bei der Werbeagentur Advico Y&R sowie McKinsey tätig. „Als Olivier (Bernhard, Anm.) erstmals auf mich und Caspar (Coppetti, der dritte Mitgründer, Anm.) mit seiner Idee zukam, dachten wir: ‚Du spinnst doch komplett.‘ Doch dann standen wir in dem Schuh und haben gemerkt, dass das Gefühl wirklich ganz anders ist.“ Da ist es wieder, dieses „anders“.

Als Olivier erstmals mit seiner Idee
 auf uns zukam, dachten wir uns: ,Du spinnst doch komplett!‘

Laien würden das Gefühl, in einem On-Schuh zu stehen, wohl eher mit „weich“ beschreiben. Gedämpft. Gepolstert. Der Name, den sich das Unternehmen selbst dafür gibt, lautet „Cloud“ – eine Wolke. Die Sohle eines On-Schuhs besteht aus Hohlelementen, den sogenannten Clouds. Diese sollen ein ideales Laufgefühl bescheren. Und das muss jeder, der mit On spricht, erst mal selbst erleben. Denn für Gesprächspartner – seien es Journalisten, Händler, Partner – ist es bei On Pflicht, die Schuhe anzuprobieren, bevor die Gespräche beginnen. Allemann: „Es macht sonst keinen Sinn, sich über unsere Produkte oder das Unternehmen zu unterhalten.“

Die Sohle der On-Schuhe besteht aus Luftkissen, die eine optimale Dämpfung bei stabilem Abstoß gewährleisten sollen. Die „Clouds“ geben auch den Modellen ihre Namen: On Cloud, Cloudracer, Cloudflash etc.

Heute zählt On rund 150 Mitarbeiter, die ausgehend von Zürich quer über die ganze Welt verstreut sind. Chronologischer Ausgangspunkt des Unternehmens war der Dreikönigstag 2010, als das Unternehmen von den drei Gründern – Allemann, Bernhard, Coppetti – ins Leben gerufen wurde. Kurz zuvor hatte das Trio bereits den Prototypen des Schuhs, der noch immer stark an einen Schuh auf Gartenschläuchen erinnerte, an die Sportmesse Ispo in München geschickt. Dort gewann man recht unerwartet den Newcomer-Award, was zu ersten Aufträgen führte. Die Geschwindigkeit des Unternehmens änderte sich dadurch schlagartig: Innerhalb von sechs Monaten musste On eine Produktion auf die Beine stellen. Allemann: „Wir waren damals extrem viel unterwegs und bauten ein erstes Netzwerk in Deutschland, der Schweiz, in Österreich, aber auch Großbritannien und Norwegen auf. Zürich war die Homebase – unser Büro war damals aber noch auf Stufe Wohnzimmer.“

Es folgten weitere Märkte: Japan wurde von On vor rund zwei Jahren erschlossen, in den USA startete man im Sportartikelmekka Portland 2012 mit ersten Aktivitäten. In Portland ist man somit aber nicht nur hautnah an den Kunden, sondern auch an den Konkurrenten dran – denn bekanntlich ist dort auch Nike zu Hause. Überhaupt ist die Konkurrenz im Laufschuhmarkt nicht klein. Neben Nike und Adidas gibt es auch Marken wie New Balance, Skechers oder Asics. Dabei dominiert der „Swoosh“ den Markt deutlich: Laut Statista hat Nike rund 20 Prozent Marktanteil, Adidas kommt auf rund zehn Prozent. Es folgen Skechers, Asics, Puma und Under Armour. Auf alle anderen Marken entfallen rund 50 Prozent – darunter auch On.

Am Markt gibt es aber trotz harter Konkurrenz genug zu holen. Der globale Markt für „Footwear“ beträgt laut Berechnungen von Euromonitor und Transparency Market Research rund 200 Milliarden US-$. Rund 40 Prozent davon entfallen Schätzungen zufolge auf den Bereich „Athletic footwear“ – was einen Gesamtmarkt von 80 Milliarden US-$ ergeben würde. Dabei ist das Wachstum relativ stark, auch stärker als das sonstiger Mode­artikel. Um fünf bis acht Prozent wuchs der Markt in den letzten Jahren im Schnitt. Doch inwiefern dieses Wachstum nachhaltig anhält, lässt sich nur schwer sagen – denn eine gewisse Sättigung ist zumindest regional nie auszuschließen.

Wie sieht also die Prognose aus? Allemann: „Wir glauben, dass in den kernwestlichen Ländern das Bedürfnis nach Bewegung und Gesundheit ein langfristiges Boomthema ist. Und wir haben den Vorteil, dass wir mit einem Innovationsprodukt in den Markt kommen, das sich differenziert und ein neues Laufgefühl gibt.“ Zumindest die Wachstumszahlen geben Allemann und seinem Team recht: Von 2015 auf 2016 wuchs der Umsatz von On in Deutschland um 88 Prozent, in den USA gar um 182 Prozent. Damit ist On die am zweitschnellsten (Deutschland) bzw. am schnellsten (USA) wachsende Laufschuhmarke in diesen Ländern. Wie viel Geld dieses neue Laufgefühl dem Unternehmen jedoch bringt, lässt sich Allemann – wie seinen Mitgründern – nicht entlocken. Bezüglich Umsatzzahlen herrscht eisernes Schweigen. Andere Zahlen helfen aber, die Größe etwas einzuschätzen: Laut dem Unternehmen tragen rund 2,5 Millionen Menschen On-Schuhe. Zudem habe man 3.000 Händler in insgesamt 50 Ländern. Die 150 Mitarbeiter sind über mehrere Länder, etwa die USA, Japan, Deutschland und Österreich verteilt.

Dazu kommen die Athleten. „Wir haben etwa 100 Topathleten, die Teil der On-Familie sind“, sagt Allemann. Dazu gehört etwa die Schweizerin Nicola Spirig, die als Triathletin stets mit einer Spezialanfertigung des oftmals von Kunden als Sneaker getragenem „On Cloud“ unterwegs ist; oder der ­kolumbianische Klippenspringer Orlando Duque. Auch das Red-Bull-Skydiving-Team ist Teil der On-Athletenfamilie.

David Allemann
„Sport ist nicht mehr etwas, was ich mal sonntags mache, sondern wird in das tägliche Leben eingebaut. Am Morgen zur Arbeit laufen etwa, oder Freeletics oder Yoga machen. Ein Schuh soll nicht mehr nur Marathonschuh sein, sondern Menschen in ihrem aktiven Leben unterstützen.“

Doch nicht nur Sportler tragen die Schuhe. Der deutsche Regisseur Wim Wenders trug On-Schuhe beispielsweise zum Smoking auf dem roten Teppich. Denn auch vor On macht der Trend hin zu „Athleisure“ nicht halt. Sportschuhe sind längst nicht mehr Sportschuhe. Rund die Hälfte aller verkauften Paare wird in der Freizeit getragen. Und auch On-Schuhe sind nicht nur bei Marathons, sondern immer öfter auch als Freizeitschuhe zu sehen. Regional konzentriert sich das Unternehmen derzeit auf die bestehenden Märkte. „Unser Fokus liegt derzeit auf unseren Kernmärkten. Mit einer höheren Penetration in diesen Ländern kann On eigentlich fast unlimitiert wachsen.“
 Doch Allemann schließt weitere Expansion keinesfalls aus. „Wir sind eine globale Sportmarke. Lateinamerika ist ein Thema, in Mexiko und Brasilien sind wir schon vertreten. Auch China beobachten wir, haben diesbe­züglich aber noch keine Entscheidung getroffen.“ Zudem diversifiziert On die eigene Produktlinie. Neben den klassischen Laufschuhen gibt es Outdoorschuhe – und seit Kurzem eine Kleidungskollektion für Läufer. Dabei ist es Allemann jedoch wichtig, zu betonen, dass hier nicht die Zyklen eingehalten werden, die die Modewelt vorschreibt. „Wir wollen nicht ständig neue Artikel produzieren. Vielmehr sollen unsere Kunden Lieblingsshirt, Lieblingshose, Lieblingsjacke kaufen können. Unsere Kollektion besteht nur aus 13 Teilen.“

Wir suchen nach Mitarbeitern mit einem breiten Radar und unternehmerischem Feuer. Bei On bist du, was du machst.

Weiterentwickeln sollen sich übri­gens auch die Mitarbeiter. Denn On setzt stark auf die eigene Unternehmenskultur. So ist es hilfreich, dass alle Mitarbeiter im Zürcher Büro Laufschuhe tragen. Denn der bereits erwähnte schlauchartige Aufbau des Büros macht den Weg zur Kaffee­maschine zu einem langen. So komme man jedoch, sagt Allemann, an Kollegen vorbei und würde sich besser austauschen. Überhaupt fördert On stark eine moderne Organisation. Fixe Sitzplätze gibt es nicht, Chefs und Praktikanten sitzen nebeneinander an den „Benches“, wie die langen Tische genannt werden. Der Arbeitsplatz wird täglich gewechselt. Die Mitarbeiter müssten einen „breiten Radar und dieses unternehmerische Feuer“ haben, so Allemann. „Bei On bist du, was du machst.“ Für die Zukunft ist der Mitgründer zuversichtlich – und macht den bereits gegangenen und den noch vor dem Unternehmen liegenden Weg an Marathons fest: „Es ist sicher schon jetzt ein gewisses Gefühl da, dass wir es geschafft haben. In unseren Kernmärkten haben wir den Proof of Concept geschafft. 15 bis 20 Prozent der Leute am Zürich Marathon sind mit On-Schuhen unterwegs. Doch es liegt auch ganz viel Arbeit vor uns, denn am Marathon in Boston sind vielleicht nur zwei Prozent der Läufer mit On-Schuhen unterwegs.“

Dieser Artikel ist in unserer Sommer-Ausgabe 2017 „Keep it movin'!“ erschienen.

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