Ein Seltener Boom

Nachdem er letztes Jahr bereits den ersten Platz erreichte, landet der Schweizer Urs Gmür mit seinem Rare Earth Elements Fund heuer auf dem fünften Platz des Forbes-Rankings der besten Fondsmanager der deutschsprachigen Region. Der Sektor der kritischen Rohstoffe steht laut ihm kurz vor einem gewaltigen Boom – doch gleichzeitig ist er geplagt von Kontroversen.

Urs Gmür hat viel zu erzählen, ist er doch bereits seit 1985 im Investmentbanking. Er hat den Black Monday 1987 miterlebt, den 1989er-Mini-Crash, die Savings-and-Loan-Krise in den USA, die Dotcom-­Bubble und natürlich die Great Financial Crisis von 2007/08.

Heute leitet der Schweizer Financier sein eigenes Fonds­managementunternehmen Dolefin, das er 2000 gemeinsam mit Stefan Steinemann gründete. Anfangs noch auf Marktanalysen und die Beratung anderer Finanzhäuser spezialisiert managt Gmür mit seinem Team heute zwei Fonds. Einer davon ist der Rare Earth Elements Fund, mit dem Gmür in Unternehmen investiert, die im Bereich der seltenen Erden tätig sind.

Dabei wird in Titel entlang der ganzen Wertschöpfungskette investiert, also vom Abbau der seltenen Erden über den Handel und die Produktion bis hin zum Recycling. Unter den Top-Ten-­Holdings von Dolefin befinden sich jedoch nur zwei Unternehmen, die nicht im Bergbau tätig sind, denn genau von diesem Sektor – der den Abbau und Handel kritischer Rohstoffe betreibt – wird in den nächsten Jahren ein gewaltiger Boom erwartet. Materialien wie Nickel, Kobalt, Kupfer oder Lithium sind nämlich für Technologien wie Batterien, Windturbinen, Elektromotoren und Solarzellen essenziell. Gmür sagt es kurz und knapp: „Wollen wir den Umstieg auf eine grüne Wirtschaft schaffen, sind wir auf diese Rohstoffe angewiesen.“

Doch in dieser Abhängigkeit liegt auch ein massives humanitäres und ökologisches Problem. In Australien, China, Südamerika und der westlichen Welt ist die Berg­bauindustrie mittlerweile streng reguliert, doch in Ländern wie Indien oder Pakistan werden die Rohstoffe teils noch unter Bedingungen abgebaut, die sowohl den Arbeitern als auch der Umwelt schaden. Es kommt zu Rodungen großer Waldflächen, um Minen freizulegen und eine Infrastruktur zu schaffen, die den Abbau der seltenen Erden ermöglicht; giftige Substanzen werden während des Abbaus freigesetzt und verschmutzen Grundgewässer und schaden den Bergbauarbeitern. Immer wieder wird von Unfällen in Minen berichtet – dem WWF zufolge tragen sich circa 8 % aller tödlichen Arbeitsunfälle im Bergbau zu.

Das scheint zumindest den Aktienpreis der größten Minen­firmen in Gmürs Portfolio nicht zu betreffen. Die meisten seiner Top-Ten-Titel haben seit Anfang des Jahres – welches für die globalen Aktienmärkte ein brutales war – ­einen positiven Return gebracht. Die Aktien der größten drei (Arafura Resources, Lynas Rare Earths und Sylvania Platinum, die je 9,9 %, 9,7 % und 9,1 % des Portfolios ausmachen) haben in den letzten Jahren ein durchschnittliches Plus von 440 % verzeichnen können – und es ist zu erwarten, dass die Nachfrage nach seltenen Erden in den nächsten Jahren zunehmen wird, da die Bemühungen um eine grüne Wirtschaft intensiver werden müssen, wenn westliche Länder ihre Klimaversprechen einhalten wollen.

Doch ein weiteres Risiko die­ses Booms besteht darin, dass die Quellen der kritischen Rohstoffe stark konzentriert sind und sich viele Depots innerhalb der Grenzen autokratischer Regimes befinden: Der Kongo besitzt 42 % der globalen Kobaltreserven, China ist weltweit der größte Aluminiumproduzent. Der Ukraine-Krieg zeigt, was passieren kann, wenn sich Demokratien für die Lieferung essenzieller Rohstoffe zu sehr auf einzelne Länder verlassen, insbesondere jene, die autokratisch geführt werden – die starke Abhängigkeit Europas von russischem Gas bietet Wladimir Putin schon seit Jahren einen gewaltigen Hebel im Machtkampf mit dem Westen. Heute nutzt er diesen aus und versucht, mithilfe von hohen Gaspreisen Europas Unterstützung der Ukraine zu schwächen.

Laut Gmür hat der Westen jedoch Möglichkeiten, beide dieser Probleme zu lösen. „Wir haben in Europa sehr interessante Minen“, erzählt der Investor. „In Schweden gibt es zum Beispiel Vorkommen, in denen sich seltene Erden finden.“ Doch der Staat und Umweltbehörden haben den Abbau aufgrund von Bedenken über Umweltschäden blockiert. Auch in Grönland, welches zum Territorium Dänemarks gehört und eine riesige Schatztruhe an wertvollen Roh­stoffen ist, zögert man aufgrund der dort lebenden indigenen Bevölkerung, große Minenprojekte zu starten. In den USA streiten Minenfirmen und die lokale Bevölkerung seit Jahren darüber, wo und wie neue Minen eröffnet werden dürfen.

Gmür fordert einen realistischen und weniger heuchlerischen Ansatz: „Wir kaufen diese Materialien von Ländern, in denen unter weit schlimmeren Bedingungen produziert wird, als es hier in Europa möglich wäre. Die seltenen Erden sind da. Wir sollten pragmatisch vorgehen und einen konkreten Plan aufstellen, wie wir sie abbauen können, ohne der Umwelt und den Arbeitern unnötig zu schaden.“ Dafür fordert er einen Dialog zwischen Politik, Umwelt-NGOs und Minenbetreibern: „Wir sind auf diese Unternehmen angewiesen, dennoch behandelt man sie wie Stiefkinder“, moniert der Schweizer.

Auf die Frage, wie Dolefin mit den rasant steigenden Leitzinsen umgehen wird, antwortet Gmür entspannt. Aufgrund einer Krise in den 2010er-Jahren sei der Verschuldungsgrad im Critical-Raw-Materials-Sektor sehr gering. Stattdessen sieht der Investmentbanker rasante Wachstumsraten in den Bereichen E-Mobilität, erneuerbare Energien und Energiespeicher – alles Sek­toren, die eng mit seinem Gebiet verknüpft sind. Gmür: „Wir steuern schnell auf eine Phase zu, in der unsere Gesellschaft den Übergang zu einer grünen Wirtschaft um­setzen kann. Das bindet zwar viel Kapital, aber viele sind auch bereit, zu investieren, weil die Gewinnaussichten sehr gut sind.“ Bleibt nur noch abzuwarten, ob das viele Geld die Kontroversen rund um seltene Erden lösen oder verstärken wird.

Text: Erik Fleischmann
Foto: Killian Kessler

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