Eine Glasklare Vision

Seit fast 60 Jahren fertigt Silhouette in Linz Premium­brillen. Die Tradition des Unternehmens wird bis heute hochgehalten – doch Michael Schmied, der das Unternehmen als CMO und Vorstandsmitglied seit 2019 in dritter Generation führt, hat durchaus neue Ideen, um Silhouette zum nächsten Wachstumsschub zu verhelfen. Nur die eigene Unabhängigkeit will er auf gar keinen Fall aufgeben.

Als wir ihn fragen, wie viele Brillen er selbst eigentlich besitzt, muss Michael Schmied erstmals im Gespräch kurz nachdenken. „Rund zehn Brillen“, sagt er dann nach einer kurzen Pause, bevor er erklärt: „Ich trage drei optische, zwei Sonnen- und zwei Sport­brillen aktiv. Meine Sehstärke hat sich nicht zu stark verändert.“

Dass Schmied auch an die­sem Dienstag zum Interview mit Sehbehelf erscheint, überrascht nicht – denn die Silhouette International Schmied AG, kurz Sil­houette, ist einer der führenden Hersteller von Premiumbrillen weltweit. Schmied leitet den 1964 gegründeten Familienbetrieb als CMO und Mitglied der Geschäftsführung in dritter Generation. 160 Mio. € setzt das Linzer Unternehmen jährlich mit seinen drei Marken Silhouette, Neubau und Evil Eye um, wovon der Löwen­anteil des Umsatzes, nämlich rund 85 %, auf die Stammmarke Sil­houette entfällt. 1,3 Millionen Brillen verkauft Silhouette pro Jahr und die Tendenz dürfte nach oben zeigen: Heute umfasst der globale Markt für Brillen („Eyewear“) welt­weit bereits ein Volumen von 140 Mrd. US-$, Prognosen zufolge dürfte das Wachstum weitergehen: Bis 2030 könnte sich das Markt­volumen 200 Mrd. US-$ annähern.

Das sieht auch Schmied so: „Wir gehen von einer sehr posi­tiven Entwicklung auch in der Zukunft aus.“ Woran genau der Boom im Brillenmarkt liegt, ist unklar. Eine Erklärung wäre der Fokus auf Videocalls während der Coro­na­virus-Pandemie – denn plötzlich gab es in Sachen Accessoires kaum noch Optionen, die auch gesehen wurden. Der Absatz bei Brillen stieg 2020, 2021 und 2022 über­proportional an.

Dass die letzten Jahre aber nicht nur Videocalls, sondern auch höhere Kosten und unter Druck geratene Lieferketten mit sich brachten, ist auch an Michael Schmied nicht vorbeigegangen. Doch hier kommt ein Vorteil von Silhouette zum Tragen: Im Gegensatz zu vielen anderen Herstellern fertigt das Unternehmen weiterhin ausschließlich in Mitteleuropa. „Forschung und Entwicklung, Design, Technik und ein Großteil der Produktion sind in Österreich, einige Prozessschritte, wie etwa das Assembling, passieren dann in Tschechien“, erläutert Schmied.

Rund 1.000 der insgesamt 1.400 Mitarbeiter arbeiten an den beiden Standorten, wovon alleine 700 am Hauptsitz in Linz ange­siedelt sind. Während andere Unternehmen also zunehmend versuchen, ihre global verfloch­tenen Lieferketten zu lokalisieren, hatte Silhouette mit diesen Themen nicht zu kämpfen. Schmied: „Wir hatten zum Glück keine Probleme in der Lieferkette, wir haben eine sehr hohe Fertigungstiefe am eigenen Standort. Als die Lieferketten global gesehen sehr volatil waren und auch mal abgerissen sind, konnten wir nahtlos fortsetzen.“

Dennoch bleibt auch Schmied nicht von den Herausforderungen des Weltmarkts unberührt – wobei Silhouette versucht, auf Probleme schnell eine Antwort zu finden. Die gestiegenen Energiekosten werden durch den zunehmenden Ausbau von Photovoltaikanlagen am Linzer Standort etwas abgefedert, und der Konkurrenz im Premium­segment begegnet Silhouette mit einer klaren Positionierung als Premiumhersteller sowie einem noch engeren Austausch mit den eigenen Fachhändlern – rund 22.000 „Partner“ verkaufen Silhouette-Brillen weltweit.

Dabei spinnt Schmied auch hier schon Gedanken in die Zukunft: „Ich glaube, dass es in der heutigen Welt wichtig ist, eine Marke multidimensional zu be­greifen und zu erleben. Da wäre der eine oder andere Marken-Flagship-Store interessant; dafür wären Stores in beispielsweise Wien, Lon­don und Shanghai gut, um die Mar­ke zu emotionalisieren.“

Wir setzen auf unsere Qualitäten als unabhängiges Familienunternehmen. Das hat auch am Weltmarkt einen gewissen Charme.

1964 in Linz gegründet war Silhouette von Anfang an darauf ­bedacht, die Dinge anders zu machen. Die Gründer Anneliese und Arnold Schmied wollten von Beginn an dafür sorgen, dass sperrige Seh­behelfe zu modischen Accessoires werden. Einer der Erfolgsfaktoren: Innovationen, die im Haus statt­fanden. 1983 ent­­wickelte das Unternehmen den Kunststoff SPX (S steht für Sil­houette, P für Polyamid und das X für einen ge­heimen Zusatzstoff), der es ermöglichte, leichte und stabile Brillen zu fertigen. 1999 gelang dann der große Coup: Mit dem Modell „Titan Minimal Art“ schuf Silhouette die erste aus Titan gefertigte, schrauben- und scharnierlose Brille. Ein Jahr später reiste das Modell auch in den Weltraum und war seither auf zahl­reichen Missionen unterwegs.

Schmied: „Wir sind mit un­seren Produkten über 70-mal im Weltraum gewesen. Die ‚Titan Minimal Art‘ ist eines der ganz wenigen Produkte, das man als Konsument so kaufen kann, wie es auch im Weltraum war.“ Diese Tradition lebt Silhouette bis heute: So ist unter anderem Alyssa Carson Markenbotschafterin – die 21-Jährige, die 2022 auch beim Forbes Women’s Summit als Speakerin vertreten war, hat sich zum Ziel gesetzt, zu den ersten Menschen zu gehören, die auf dem Mars landen.

Dass genau Carson gesponsert wird und kein „typischer“ Astronaut (die in der Regel männlich und mittleren Alters sind), hat auch mit den veränderten Kundenschichten zu tun – denn Brillenträger werden zunehmend jünger. Silhouette hat darauf mit einer eigenen Marke reagiert: Neubau Eyewear. Unter dem Motto „Sustainable Avantgarde“ soll nicht nur jünger, sondern auch mit einem starken Fokus auf Nachhaltigkeit agiert werden.

Dabei will Schmied aber nicht alle Tugenden der „alten Welt“ über den Haufen werfen. So ist er etwa zögerlich, was den Verkauf von insbesondere optischen Brillen über E-Commerce angeht. „Ich habe den Anspruch, dass wir B2C-fähig sind. Wir müssen nicht zwin­gendermaßen direkt an den End­kunden verkaufen, aber wir müssen unsere Konsumenten verstehen, mit ihnen kommunizieren und sie begeistern können.“ Heute erwirtschaftet Silhouette im Direkt­geschäft bei optischen Brillen einen einstelligen Prozentbereich des Umsatzes im E-Commerce.

Vielmehr will das Unternehmen seinen Partnern, in der Regel optische Fachhändler, auch in Zukunft treu bleiben. Schmied betont die Buy-Local-Initiative, die er auch als mögliche Alternative zu großen E-Commerce-Spielern sieht: „Das ermöglicht uns, die Wertschöpfung im lokalen Fachhandel zu belassen, und ist ein toller Gegenentwurf zu Geschäftsmodellen wie etwa Amazon, wo alles zentralisiert wird. Unsere Buy-Local-Initiative wurde schon in mehreren Märkten ausgerollt, ich sehe da großes Wachstumspotenzial.“

Dass Silhouette „ein optisches Unternehmen“ ist, zeigt auch eine Entscheidung aus dem Jahr 2017: Mit dem Lens Lab wurde am Standort in Linz die Produktion erweitert, um neben Fassungen auch Brillengläser herzustellen. Bei Sonnenbrillen ist die Situation jedoch eine andere als bei optischen Brillen – hier sieht Schmied nicht nur mehr Möglichkeiten im E-Commerce, sondern überhaupt ein großes Potenzial für Expansion. Schmied: „Wir sind sehr stark ein optisches Unternehmen, aber Sonnenbrillen sind für uns ein Wachstumsfeld. Das Bewusstsein nimmt zu, die Marktstudien zeigen auch, dass speziell optische Kunden mit Sonnenbrillen unterversorgt sind.“

Michael Schmied führt Silhouette in dritter Generation.

Und auch die Marke Evil Eye, die sich laut Schmied gerade in der Ausrollung befindet, soll in Zukunft eine wichtige Rolle spielen. Hier setzen die Linzer auf Sportbrillen, die von den klassischen Marken nicht mehr abgedeckt werden: „Das wollen wir fokussiert und Schritt für Schritt angehen.“

Dass Schmied im Familien­unternehmen landen würde, war nicht immer klar. Nach dem Studium sammelte er erste Erfahrungen bei der mittelständischen Hipp GmbH, dem weltweit führenden Hersteller von biologischer Babynahrung. 2017 kam er zur Silhouette-Gruppe zurück, 2019 übernahm er als Teil des Vorstands die Rolle als CMO. „Für mich war der Weg ins Fami­lienunternehmen nicht vorgezeichnet – bis zur tatsäch­lichen Entscheidung. Das muss für alle Seiten passen: für das Unternehmen, für die Familie und für einen selbst. Nur so kann es eine Win-win-Situation werden“, so Schmied.

Im Gespräch wird deutlich, dass Schmied, der das Unternehmen in dritter Generation führt, zwei Dinge gleichzeitig will: Naht­los an die Tugenden der Vergan­genheit anschließen – und dem Unternehmen dennoch seinen eigenen Stempel aufdrücken. Ganz alleine ist er dabei jedoch nicht: Vater Arnold und Onkel Rupert Schmied halten weiterhin die Anteile des Unternehmens, Arnold Schmied ist auch noch im Aufsichtsrat aktiv. Schmied junior sieht das jedoch eher als Vorteil: „Das ist schon auch befruchtend, über den Austausch gewisse Fehler zu vermeiden, die gemacht wurden. Aber natürlich habe ich auch den Anspruch, gewisse Dinge anders und besser zu machen.“

Seine Ziele sind, neben nach­haltigem Wachstum, auch die Stei­gerung der Profitabilität sowie eine weitere internationale Expansion. Insbesondere in Asien, wo eine wachsende Mittelschicht auch zu­sätz­liche Käufer für Marken wie Silhouette bedeuten könnte, hat der Unternehmer große Ambitionen, doch auch die bestehenden Märkte, darunter (nach Umsatz­anteil gereiht) die USA, Deutschland, China, Italien, Spanien und Großbritannien, sollen stärker bespielt werden. Und: Schmied will die drei hauseigenen Marken nebeneinander positionieren und wachsen lassen.

Definitiv nicht geplant ist – neben einer Abkehr vom Fokus auf leichte, komfortable und hoch­wertige Brillen – ein Verkauf des Unternehmens oder eine Betei­ligung eines Private-Equity-­Investors. Schmied: „Das ist gar kein Thema. Wir setzen auf unsere Qualitäten als unabhängiges Fa­milienunternehmen. Das hat auch am Weltmarkt einen gewissen Charme.“

Michael Schmied studierte an der Wirtschaftsuniversität Wien und startete seine Karriere beim Babynahrungshersteller Hipp. 2017 kam er zur Silhouette International Schmied AG, 2019 übernahm er die Führung des Familienunternehmens als CMO und Vorstandsmitglied in dritter Generation.

Fotos: Christian Huber

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