EINE MARKTWIRTSCHAFT FÜR DATEN

Daten zum Wohle der Allgemeinheit kommerzialisieren – bald Realität? Ein Gastkommentar von Jürgen Schmidhuber.

Es besteht kommerzieller Druck hin zu menschenfreundlicher künstlicher Intelligenz (KI), denn die großen Firmen wollen ihre KI-Produkte verkaufen. Derzeit dreht sich fast die gesamte KI-Forschung darum, Menschenleben leichter, länger und gesünder zu machen.

Insbesondere wird fast die ganze medi­zinische Diagnose bald übermenschlich gut sein. Unser preisgekröntes tiefes künstliches neuronales Netz am Schweizer KI-Labor IDSIA gewann schon im September 2012 erstmals durch „Deep Learning“ einen Wettbewerb zur medizinischen Bildanalyse. Es ging darum, auf Mikroskop­bildern von Brustgewebe Vorstufen von Krebszellen zu erkennen. Damals waren die Rechner noch etwa 30 Mal teurer als heute – das bedeutet, wir können nun für denselben Preis schon 30 Mal mehr. Inzwischen arbeiten damit nicht nur viele Start-ups, sondern auch große Unternehmen wie Siemens, IBM oder Google.

Doch zum Trainieren der Netze braucht man Daten von vielen Patienten. Woher soll man diese nehmen? Schaffen wir Anreize durch einen Markt für Daten, an dem alle teilhaben und profitieren können! Zentral sind zunächst natürlich die Patienten als „Datenproduzenten“. Zudem werden Krankenhäuser und ihre Geräte benötigt, um die Daten zu extrahieren, zum Beispiel durch Radiologie oder Magnetspintomographie et cetera. KI-Firmen brauchen gut annotierte Daten, um ihre künstlichen neuronalen Netze daraufhin zu trainieren, vorherzusagen, welche Aussichten welche Patienten haben – und wie sie auf Therapien ansprechen könnten.

Jürgen Schmidhuber
gilt als Vater der modernen KI. Die KI seiner Teams wird auf Abertausenden von Smartphones täglich milliardenfach genutzt.
Sein Schweizer Unternehmen NNAISENSE will die erste praktische Allzweck-KI erschaffen. Er berät zudem Regierungen.

Dies kann unter Wahrung der Anonymität geschehen. In China etwa gibt es keinen umständlichen Datenschutz. Dies scheint ein Vorteil für chinesische KI-Firmen zu sein. Doch der Westen könnte davon profitieren, dass er sich auf seine Stärken besinnt – auf die Prinzipien der Marktwirtschaft. Man müsste eine Marktwirtschaft für Daten einführen, in der jeder Patient als Kleinunternehmer vom Wert seiner Daten profitieren kann.

Die Daten eines Patienten mit einer seltenen Krebsart sind wertvoller als die eines Patienten mit „Allerweltskrebs“. Aber auch die Gesunden produzieren wichtige Daten, etwa darüber, warum sie gesund sind. Die unsichtbare Hand des Marktes wird den Preis der Daten regeln durch Angebot und Nachfrage. Auf der Nachfrage­seite werden konkurrierende Unternehmen etwas für die Daten anbieten – etwa Versicherungsgesellschaften, die die Profitabilität ihrer Patientenportfolios vorhersagen wollen. Datenextraktoren wie Hospitäler werden im Wettbewerb davon profitieren, dass sie Vertrauen für gute Daten­erhebung zum angemessenen Preis gewinnen.

Ein solches System scheint dem Interesse bestimmter Firmen abträglich zu sein, da sie für die Daten bezahlen müssten – manche hätten lieber kostenlose Daten und ein Monopol. Da jedoch im Markt jeder gesunde und kranke Mensch plötzlich einen Anreiz hätte, seine Daten unter bestimmten Anonymitätsbedingungen zu teilen, wird es bald sehr viel mehr brauchbare Daten geben – und viele Unternehmen sowie das gesamte Gesundheitswesen werden davon profitieren.

Gastkommentar

Kontributor: Jürgen Schmidhuber

Der Artikel ist in unserer März-Ausgabe 2019 „KI“ erschienen.

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