EINSAME SPITZE

Es gibt nur wenige, und wenn, haben sie ihr Vermögen meist geerbt: Frauen sind unter den Milliardären dieser Welt in der Minderheit, Selfmademilliardärinnen sind noch viel seltener. Obwohl der Trend nach oben geht, ist er dennoch zu langsam, um den Vorsprung der Männer einzuholen. In Europa ist die Situation besonders herausfordernd.

2.095 Menschen auf der Welt sind es, deren persönliches Ver­mögen die Grenze von einer Milliarde US-$ übersteigt. Die Forbes Billionaires List wird angeführt von bekannten Gesichtern, ganz vorne Amazon-
Chef Jeff Bezos mit 186 Milliar­den US-$ (alle Zahlen Stand Redaktionsschluss), gefolgt von Microsoft-Gründer Bill Gates mit 115 Milliarden US-$ und LVMH-Eigentümer Bernard Arnault, der es auf 113 Milliarden US-$ bringt. Auch die Plätze vier bis elf gehen an Männer, bevor mit der Walmart-Erbin Alice Walton auf Platz zwölf erstmals eine Frau auf der Liste auftaucht.

Was sich im Spitzenfeld der Reichsten der Welt zeigt, zieht sich durch die gesamte Liste: Nur rund 11 % der Milliardäre dieser Welt sind Frauen – 234, um genau zu sein. Davon wiederum haben sich 67 ­ihren Reichtum selbst aufgebaut, zählen also nach Forbes-Definition als Selfmade-Billionaires. Der Trend nimmt zu, sowohl in Europa als auch in den USA und insbesondere in ­Asien und China – doch die Veränderung ist zäh. Luisa Kroll, Executive Editor bei Forbes US und seit 20 Jahren für die Billionaires List verantwortlich: „Wir haben gesehen, dass Geld für Frauen einfach nicht so eine große Motivation ist wie für Männer. Frauen starten ihre Unternehmen, um Probleme zu lösen oder eine flexible Arbeit zu haben.“ Marcel Tschanz, Partner and Head ­Wealth Management Consulting bei PwC Schweiz und zuständig für den mit der Großbank UBS publizierten ­Billionaires Report, sieht die Situation weniger dramatisch: „Ich denke nicht, dass man von einem Mangel an Self­mademilliardärinnen sprechen kann. Wir haben insgesamt sechs in Europa identifiziert, deren Unternehmen von Onlinegambling über Finanzdienstleistungen bis hin zu E-Commerce reichen.“

Doch Tschanz gibt zu, dass die Situation in Europa nicht rosig ist: „Was jedoch stimmt, ist, dass Europa den niedrigsten Anteil an Self­mademilliardärinnen hat. Einerseits liegt das daran, dass in Europa Vermögen oft in den Händen von Familien liegt, die dieses über mehrere Generationen weitergeben. Zudem ist das Umfeld in Europa ganz allgemein weniger freundlich, wenn es darum geht, neue Unternehmen zu gründen.“ Tatsächlich hinkt Europa im Gegensatz zu den USA und China hinterher: Prominente Milliardärinnen gibt es zwar, diese sind aber eben meist Erbinnen. Darunter befinden sich die BMW-Anteilseignerin Susanne Klatten, die österreichische Milliardärin Heidi Horten oder die Schweizerinnen Dona Bertarelli sowie Magdalena Martullo-Blocher und ihre Schwester Rahel Blocher.

Zu den wenigen Ausnahmen von Selfmadeunternehmerinnen in Europa, die ein Vermögen von einer Milliarde US-$ oder mehr besitzen, gehört die Britin Denise Coates. Ihr Reichtum basiert auf der Gründung der Wettplattform Bet365.com, die sie im Alter von 32 Jahren startete – heute beträgt ihr Vermögen rund 9,2 Milliarden US-$. Auch die Russin Tatyana Bakalchuk, eine ehemalige Englischlehrerin, hat sich ihr Vermögen ohne fremde Hilfe aufgebaut – eine Milliarde US-$ ist ihr Onlinehändler Wildberries wert. Eine prominente Ex-Milliardärin gibt es auch noch: Joanne K. Rowling, Autorin der Harry-Potter-Romane, schaffte es 2011 auf die Forbes Billionaires List, ein Jahr später war die Schriftstellerin jedoch wieder unter die Schwelle gefallen.

In den USA ist die ­Situation ­etwas dynamischer. Zu den bekannteren Selfmadefrauen mit mehr als einer Milliarde US-$ Vermögen gehören TV-Ikone Oprah Winfrey (2,6 Milliarden US-$), Meg Whitman, ehemalige IBM-CEO und ­mittlerweile Gründerin des Streamingportals Quibi (3,8 Milliarden US-$), Facebook-COO Sheryl Sandberg (1,7 Milliarden US-$) und die ­Gründerin der Unterwäschemarke Spanx, Sara Blakely (eine Milliarde US-$). Wirklich viel in Sachen weibliches ­Vermögen hat sich in den letzten Jahren jedoch in China getan: Von den 67 Selfmade­milliardärinnen der Welt kommt knapp die Hälfte – 33, um genau zu sein – aus dem Großraum China (28 stammen aus Mainland-China, fünf aus Hongkong). Unter den zehn größten von Frauen aufgebauten Vermögen finden sich sieben aus China und eines aus Hongkong.

Die US-Amerikanerin Sara Blakely hat gut lachen: 2012 wurde diese zur damals jüngsten Selfmade-Milliardärin im Forbes Ranking gekürt.

Doch warum genau ist ­China, das ja eigentlich ein kommunistischer Staat ist, das Mekka für Unternehmerinnen? Auffallend ist, dass die chinesischen Milliardärinnen alle­samt mindestens 50 Jahre alt sind. Sie haben somit als Kinder die Mao-Diktatur erlebt. Laut Ming-Jer Chen, Professor an der Darden School of Business der University of Virginia, hatte das Erleben der Mao-Diktatur einen prägenden Einfluss auf diese Frauen. Gegenüber der Nachrichtenagentur Newswise sagte Chen: „Diese Frauen haben die harten, turbulenten Zeiten der Diktatur miterlebt. Sie waren aber auch dabei, als China 1979 seine Türen gegenüber ausländischen Investitionen öffnete.“ Oftmals wollten diese Frauen ihren Kindern ein besseres Leben bieten – und wählten das Unternehmertum als Schlüssel dazu.

Unter ihnen finden sich Zhong Huijuan, die den Pharmakonzern Hanson Pharmaceutical gründete und heute 19,4 Milliarden US-$ besitzt. Die Gründerin von Longfor Properties, einem Immobilien­entwickler, Wu Yajun, kommt auf 16,2 Milliarden US-$, und Lu Zhongfang machte ihre 12,3 Milliarden US-$ mit dem Bildungsunter­nehmen Offcn, das Schüler und ­Studenten auf Tests vorbereitet. Ein weiterer Grund ist natürlich das ­unvergleichliche Wirtschaftswachstum Chinas in den letzten 30 Jahren: Dieser Aufschwung ist eng mit dem Entstehen neuer Vermögen – eben auch jenem von Frauen – verknüpft.

Dass sich eine Trendumkehr abzeichnet, glaubt Tschanz nicht. „Wir gehen davon aus, dass die USA, Greater China und Südostasien weiterhin die Nase vorn haben ­werden.“ Doch Tschanz warnt auch davor, zu stark zwischen Männern und Frauen zu unterscheiden: „Ich denke nicht, dass man zwischen männlichen und weiblichen Unternehmern unterscheiden kann. Unsere mittlerweile sieben Billionaires Reports zeigen, dass die wichtigsten Eigenschaften geschlechtsneutral sind: die Entwicklung innovativer Ideen, das Eingehen klug kalkulierter Risi­ken, langfristige Planung und eine starke Überzeugung sowie Umsetzungsstärke.“

Luisa Kroll erwähnt, dass die betroffenen Frauen selten über ­ihren Reichtum sprechen: „­Frauen sprechen gerne über ihr Unternehmen, ihren Einfluss, die Art und Weise, wie sie jungen Unternehmern helfen können. Sie sprechen aber nicht gerne über die ­Tatsache, dass sie Milliardärinnen sind.“ Doch auch, wenn die Veränderungs­geschwindigkeit noch nicht hoch ­genug ist – und der Wandel vor allem anderswo passiert –, sollte man nicht verzweifeln, so Tschanz: „Ich selbst bin sehr optimistisch. Wir werden weiterhin einen Anstieg der Zahl weiblicher Persönlichkeiten unter den Ultrareichen dieser Welt ­sehen.“

Text: Lukas Ofenböck / Klaus Fiala
Fotos: Martin Schoeller/Forbes US

Dieser Artikel erschien in unserer Ausgabe 9–20 zum Thema „Women“.

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