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Hydrosolid speichert grünen Wasserstoff – sicher, recycelbar und ohne seltene Erden. Die Nachfrage wächst, erste Projekte laufen. Die Technologie hat das Potenzial,
ein Kernproblem der Energiewende zu lösen. Unterstützt wird das junge Unternehmen dabei von einem Biotech-Milliardär und der EU.
Der SAN Biotech Park wirkt wie aus dem Ei gepellt. Das helle, kreisförmige Holzgebäude steht in Herzogenburg, etwa zehn Kilometer nördlich der niederösterreichischen Landeshauptstadt St. Pölten. Im April vergangenen Jahres ist das Start-up Hydrosolid hier in die Räumlichkeiten der SAN Group, eines global agierenden Biotechnologie-Konzerns mit Fokus auf Tiergesundheit und Pflanzenschutz, eingezogen.
„Aktuell bringen wir die Logos an“, sagt Hydrosolid-Mitgründer Lukas Renz, „alles ist brandneu.“ SAN-Group-Gründer Erich Erber ist mit 10 % als einziger Investor an der Hydrosolid-Tochterfirma Hydrosolid Hive Flexco beteiligt.
In den 80er-Jahren baute er die Biomin GmbH auf, ein Unternehmen, das später zu den global führenden Futtermittelherstellern gehören sollte. 2020 verkaufte er es weiter und gründete im selben Jahr die SAN Group.
„Wir sind dankbar, jemanden gefunden zu haben, der so aufgeschlossen für die Energiezukunft ist“, sagt Renz. Denn Hydrosolid ist dabei, umzusetzen, woran andere gescheitert sind: Energie in Form von Wasserstoff nachhaltig und risikoarm zu speichern.
Aktuell befindet sich das Start-up in der Upscaling-Phase. Eine Preis-Jury attestierte Hydrosolid kürzlich eine Zukunft als „nächstes Wasserstoff-Unicorn“. Renz hält das wenig überraschend für möglich: Die Ausgangsbedingungen für Hydrosolid könnten nicht besser sein, sagt er. Wenige Wochen zuvor hat sein Team eine Pre-Seed-Finanzierungsrunde mit einem mittleren achtstelligen Betrag abgeschlossen.
Das Team ist durch Investor Erich Erber, aber auch durch eigenes Engagement auf internationaler Ebene bestens vernetzt: Im Mai reiste Renz in Begleitung der niederösterreichischen Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner zur Weltausstellung in Osaka, um die strategische Partnerschaft mit dem japanischen Technologiekonzern Sumida öffentlich zu machen. Die Liste an Preisen, die Hydrosolid seit seiner Gründung erhalten hat, ist lang; auch das hat die Arbeit des Unternehmens sichtbarer gemacht. Bei Anfragen muss das Team mittlerweile knallhart selektieren: Kürzlich wäre Hydrosolid bei den Decarb Connect Next Gen Awards in Amsterdam im Finale gestanden – doch keiner der Gründer hatte einen freien Platz im Kalender, der die Teilnahme möglich gemacht hätte. Doch weshalb zieht das Start-up internationale Aufmerksamkeit auf sich? Die Antwort liegt in einer Technologie, die eines der drängendsten Probleme der Energiewende zu lösen verspricht.
Grüner Wasserstoff – der ohne Freisetzen von Treibhausgasen aus erneuerbaren Energiequellen wie Wind und Sonnenstrahlen gewonnen wird – wird bereits gelagert. Dafür sind jedoch Hochdruckflaschen mit einem Druck von 300 bis 700 Bar nötig, was die Lagerung energieintensiv, teuer und mitunter gefährlich macht. Das Verfahren von Hydrosolid schafft es, Wasserstoff bei einem Druck von nur 35 Bar als Feststoff zu lagern. Das macht es obsolet, den Wasserstoff mithilfe aufwendiger Kompressionsanlagen zu verdichten – und löst damit ein Kernproblem der Speicherung. Rund 50 Kilogramm Wasserstoff produziert die Anlage in Herzogenburg an einem Tag; Stäbe, die vom Format an einen übergroßen Silberbarren erinnern, saugen ihn wie ein Schwamm auf. Sie enthalten keine seltenen Erden und bestehen aus wiederverwertbaren Materialien. „Unsere Technologie hat das Potenzial, die Klima- und Energiekrise zu bewältigen“, sagt Mitgründer Renz, der uns durch die Anlage führt.

Begleitet werden wir von seinem Bruder, denn die Geschichte von Hydrosolid ist auch eine Familiengeschichte: Die zündende Idee kam Renz und seinem elf Jahre älteren Bruder Michael während eines Familienausflugs auf eine Kärntner Almhütte. Lukas hatte damals schon erfolgreich ein Getränkeunternehmen gegründet, Michael hingegen über 17 Jahre Erfahrung in Projekten rund um erneuerbare Energien gesammelt und war dabei selbst regelmäßig mit der Kernfrage konfrontiert worden: Wie speichere ich überschüssige Energie umweltschonend? Gemeinsam mit dem Juristen Clemens Regehr und dem Chemiker Merkur Smajlaj riefen die Renz-Brüder Hydrosolid ins Leben. Auf die Frage nach seinen Arbeitsstunden kann Renz keine Antwort geben: „In meiner Familie haben wir früh gelernt, dass man etwas tun muss, wenn man die Welt verändern will“, sagt er.
Das Start-up hält Patente in 43 Ländern. Der emissionsfrei produzierte Wasserstoff kann vielseitig eingesetzt werden: zum Beispiel als Prozessgas, in Hochöfen oder in der chemischen Basisindustrie, wo er als Ammoniak einen Grundstoff für Düngemittel liefert. Der in fester Form gespeicherte Wasserstoff bietet aber auch einen Netz-Puffer, indem er es möglich macht, überschüssige Energie zu speichern und in Zeiten hohen Verbrauchs wieder einzuspeisen – das sorgt für niedrigere Strompreise. Fällt der Strom ganz aus, wie Ende April in Spanien und Portugal, kann gespeicherter Wasserstoff helfen, die Energieversorgung sicherzustellen.
Hydrosolid verkauft seine Wasserstoffspeicher einzeln oder in Form von Projekten, aktuell sind vier davon im Gange. Darunter ist das Sportzentrum Niederösterreich, das seine Anlagenbeleuchtung emissionsfrei mithilfe eines Hydrosolid-Wasserstoffspeichersystems abwickelt; das größte Projekt findet aber in den Vereinigten Arabischen Emiraten statt: ein Megawattprojekt, um eine Farm mit nachhaltiger Energie zu betreiben. Die projektbasierte Arbeit sieht Renz als großen Vorteil des Geschäftsmodells: „Wir sehen relativ schnell, wo die Reise hingehen kann“, so der Mitgründer.
Die Energiebranche befinde sich in einem großen Umbruch, sagt Renz, „von zentralisiert zu dezentralisiert“. In diesem Umbruch der Energiebranche, so Renz, könnten österreichische Unternehmen eine Rolle spielen. Doch dazu braucht es Innovationsgelder. Auf EU- Ebene konnte sich das Start-up zwei Förderungen des transnationalen Förderungsprogramms „Horizon Europe“ sichern.
Als Young Energy Ambassador der EU-Kommission gestaltet Renz die europäische Energiepolitik seit Juni für mindestens zwölf Monate selbst mit. Er macht sich nach eigener Aussage aber nicht viel aus Titeln – für ihn steht das Ziel im Vordergrund, und das ist nicht zu klein: „die Welt zu retten“. Zum Zeitpunkt unseres Gesprächs ist Renz gerade von seinem Besuch in Brüssel zurück. Die dort besprochenen Themen arbeiten in ihm – er sieht die EU-Entscheidungsträger in der Pflicht, bei Energieinnovationen vorauszugehen; und plädiert dafür, nicht auf Entwicklungen aus China zu warten. Wenn es nach Investor Erber geht, bedeutet das: „einfach machen“. Es ist genau das, was Renz andernorts vermisst.
Lukas Renz ist einer der vier Gründer von Hydrosolid. Das Start-up entwickelt eine Technologie, die es möglich macht, grünen Wasserstoff vergleichsweise sicher und nachhaltig zu speichern.
Fotos: Gianmaria Gava