FILL IN THE BLAENK

Als CEO von Blaenk revolutioniert Martin Bressem den stationären Handel. Mittels innovativer Technologie werden Flächen nicht mehr für Produkte, sondern für Erlebnisse konzipiert. Die Idee schlägt ein: Mit dem Europäischen Innovationspreis für Handel ausgezeichnet sahnte das Start-up erst kürzlich ein siebenstelliges Investment ab – und startet nun so richtig durch.

Mit Blaenk (Eigenschreibung: _blaenk) vereint CEO Martin Bressem all das, an dem es dem stationären Handel derzeit noch mangelt: die Nutzung innovativer Technologien, hohe Agilität und Flexibilität in der Konzeption, die Umgestaltung des Angebots und die Kreation eines Kauferlebnisses, in dem der Kunde im Mittelpunkt steht. Konkret mietet Blaenk leere Handelsflächen und konzipiert dafür ein stimmiges Raumkonzept – ähnlich ­einem Apartment –, das Marken ­sowie Produkte in den ­jeweiligen Räumen inszeniert und sie direkt ­erfahrbar macht.

Händler können sich mit ihren Produkten in die Blaenk-Stores einmieten – sofern die Marke und die angebotenen Waren dem Anforderungsprofil des Start-ups entsprechen: Die Produkte müssen Innovationscharakter aufweisen und in das Bild eines modernen, ­urbanen Lifestyles passen. „Marken suchen nicht nur eine Fläche für ihre Produkte, sondern das gesamte Konzept dazu. Wir bieten die Lösung mit einem 360-Grad-Retail-as-a-Service-Angebot“, so Bressem. Zudem generiert das Start-up Kundendaten sowohl über die Blaenk-Web-App, mit der Kunden Produkte entdecken, verstehen, bestellen und bezahlen können, als auch den Store, in dem mittels KI-getriebenem Kamerasystem das Kaufverhalten anonym getrackt werden kann. Auf dieser ­Grundlage liefert Blaenk den Händlern anschließend wertvolle Einblicke in das ­Kundenverhalten. Auch die Kunden selbst sollen davon profitieren: „Wir können dem Kunden so neue Produkte anbieten, die zu ihm passen – und durch die er in seinem Leben einen echten Mehrwert kreieren kann“, so Bressem. Je nach Ladenbauelementen und dazu gebuchten Services ergeben sich für den Kunden Preise im Bereich von 1.000 bis 10.000 € pro Monat. Zusätzlich geht pro verkauftem Produkt ein Teil der Verkaufssumme als Provision an ­Blaenk – wie hoch diese ist, verrät Bressem nicht.

„Der entscheidende Fehler vieler Händler ist, dass sie erst mal in Ware und Verkauf denken und nicht in Räumen und Nutzen für Endkunden. Wir starten mit dem Kunden, kreieren dann das Raumkonzept, und dann folgt erst die Ware, bei der wir uns an Mikro- und Makrotrends der Stadt orientieren“, so Bressem. Sogenannte Lifestyle-Coaches sollen das Erlebnis im Store zudem optimieren und den Kunden das beste Produkt empfehlen. Die Kaufabschlüsse selbst werden dann über die Blaenk-Web-App via Self-Check-out abgewickelt. Bressem stellt jedoch klar: „Wir wollen uns nicht mit Amazon Go messen, also keinen rein technologisierten Einkauf ohne zwischenmenschlichen Kontakt aufbauen. Es geht uns um die Verweildauer im Store, Gespräche und Erfahrungen, gekoppelt mit digitalem Content und Check-out.“

Einblick in einen Blaenk-Store: Mittels KI-gestützter Technologie wird das Kauferlebnis optimiert und werden wertvolle Consumer Insights generiert.

In Landsberg am Lech geboren, zog seine Familie für vier Jahre nach Phoenix, Arizona, als Bressem 13 Jahre alt war. Weil seine Mitschüler von der Milka-Schokolade, die Bressem aus Deutschland mitgebracht hatte, begeistert waren, verkaufte er ein paar Tafeln zu einem teureren Preis auf dem Schulhof. „Etwas Eigenes aufzubauen und Sachen zu verkaufen hat mich schon immer interessiert. Das war sozusagen mein Aha-Moment“, erzählt Bressem. Jahre später und wieder zurück in Deutschland veranstaltete er zur Finanzierung seines Bachelorstudiums an der Hochschule Macromedia die „Red Cup“-Partyreihe. Weil das Nacht­leben auf Dauer auf die Gesundheit schlug und Bressem in seinem Masterstudium in Business Administration an der FOM Hochschule für Ökonomie und Management Jonas Höhn kennenlernte – der sich sehr gesund ernährte –, vereinten sie kurzerhand ihre Interessen und gründeten 2015 mit Detoxrebels ein Unternehmen, das zunächst alkoholfreie Partys veranstaltete und das Portfolio später unter anderem auf moderne betriebliche Gesundheits­förderung ausweitete. Die beiden Gründer stellten das Start-up bei der TV-Sendung „Die Höhle der Löwen“ vor, gingen jedoch ohne Investment nach Hause – was laut Bressem absehbar gewesen war; tendenziell sei das eher als Marketingstunt gedacht gewesen. Als die Visionen der Gründer schließlich auseinandergingen, wechselte Bressem 2018 zum deutschen VC-Fonds Bitstone Capital. Dort stieß er schließlich auf das 2014 von Giannis Paraskevopoulos und Philip Schur gegründete Start-up Brickspaces, das Pop-up-Flächen in Städten vermietet. Bressem dockte in einer beratenden Rolle an, bevor er 2019 den Posten des CEOs übernahm. Er entwickelte dort die Idee zu Blaenk. Bereits 2018 startete er mit dem Vorläufer des heutigen Blaenk-Konzepts (damals als „Christmas-Pop-up-Store“ bekannt) in Düsseldorf, ein Jahr später folgte der Umbau einer 1.000 Quadratmeter großen Fläche in der Düsseldorfer Innenstadt. Fünf Monate hatte der Blaenk-Store geöffnet – er zog monatlich über 75.000 Besucher an. Nun, zwei Jahre nach dem ersten Blaenk-Erlebnis, wird Brick­spaces im November 2020 ausge­gliedert, das Unternehmen firmiert in die Blaenk GmbH um.

Martin Bressem
...absolvierte ein Masterstudium in Business Administration an der FOM Hochschule und gründete währenddessen 2015 Detoxrebels. Seit 2019 ist er CEO bei Brickspaces – dort entwickelte er die Idee zu Blaenk, das im November 2020 ausgegründet wurde.

Dass das Konzept funktioniert, zeigen die jüngsten Erfolge: 2020 wurde die Idee mit dem Europäischen Innovationspreis für Handel prämiert, im Oktober folgte ein siebenstelliges Investment. Zu den neuen Kapitalgebern zählen M. A. Ventures, der Corporate-Venture-Capital-Fonds der Schweizer Genossen­schaft Migros, Marks & Spencer im Joint Venture mit Founders Factory aus Großbritannien sowie Ruddat Grund, ein Spezialist für Einzelhandels­immobilien. Damit beweist ­Bressem vor allem eines: Der ­stationäre ­Handel hat Zukunft – wenn er den Sprung in die digitale Ära schafft. „Agiler, flexibler und konzentrierter muss man sein – so wie im ­E-Commerce“, erklärt Bressem.

Weil das Geschäft gut läuft, eröffnet das Unternehmen Blaenk Ende November den dritten Store, der mindestens sechs Monate, eher sogar ein bis zwei Jahre Bestand haben wird – diesmal in der Kölner Haupteinkaufsmeile Schildergasse. „Alles unter drei Monaten ist wirtschaftlich nicht nachhaltig“, so Bressem über die Entscheidung, den Store dieses Mal für einen längeren Zeitraum aufzuziehen. Für 2021 sind zudem Projekte in der Schweiz und in London geplant. Zusätzlich soll die vom Unternehmen entwickelte und in den Blaenk-­Stores genutzte Datenanalyse­software ­lizenziert werden – 2021 wird der erste Pilot für das Softwaregeschäft aufgesetzt; dafür soll das derzeit vierköpfige Team stark ausgebaut werden. Umstände wie eine globale Pandemie trüben Bressems Optimismus nicht: „Bei stärkeren ­Restriktionen werden wir beispielsweise mittels Ticketing-System am Eingang verstärkt Touren anbieten, bei denen Berater kleine Kundengruppen durch den Store führen und ihnen die Produkte erklären.“ Für die Branche selbst findet er klare Worte: „Dass manche Marktteilnehmer derzeit wegbrechen, hat auch seine guten Seiten – manche Konzepte waren schlicht und einfach überholt.“

Text: Andrea Gläsemann
Fotos: Oliver Güth und Blaenk

Dieser Artikel erschien in unserer Ausgabe 10–20 zum Thema „Handel“.

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