Food Delivery

Speisenzustellung ist ein heißer, doch hart umkämpfter Markt.

Es ist eine für Großstädter bekannte Szene, die sich mehrmals pro Tag auf der Straße abspielt: Ein in Rosa gekleideter Radfahrer schießt an einem vorbei, auf dem Rücken einen klobigen Würfel umgeschnallt. An der Seite des Würfels prangt ein Logo („Foodora“­), und der techaffine Beobachter weiß, dass dieser Kurier gerade die nächste Mahlzeit ausliefert. Das Unternehmen Foodora ist Teil eines relativ jungen Phänomens, das in seiner Bedeutung in den letzten Jahren jedoch massiv zugenommen hat: Food Delivery. Damit ist die Bestellung von Essen über Apps und Webplattformen mit folgender Lieferung durch Fahrrad oder Auto fahrende Kuriere gemeint.

Foodora ist aber kein Einzelfall. Denn das Unternehmen steht wiederum in Besitz eines Online-Bestellriesen, nämlich Delivery Hero. Das börsennotierte Unternehmen macht rund 544 Millionen € Umsatz und ist in 40 Märkten auf fünf Kontinenten aktiv. Anderswo dominieren jedoch andere Spieler das Geschehen: In den USA ist Grubhub die Nummer eins, in Großbritannien entwickelte sich Just Eat zum Marktführer und der nieder­ländische Anbieter Takeaway.com will ebenfalls um den Spitzenplatz mitkämpfen.

Die Branche kommt laut dem Datenanbieter Statista 2018 auf ein Volumen von rund 120 Milliarden US-$ (97 Milliarden €), das bis 2022 auf über 230 Milliarden US-$ (186 Milliarden €) steigen dürfte. Das Beratungshaus McKinsey hingegen schätzt das Marktvolumen auf rund 100 Milliarden US-$ (81 Milliarden €); zudem machten demnach Offline-Bestellungen 2016 noch 92 Prozent aus, mittlerweile läge diese Zahl bei 53 Prozent.

Wie Pilze aus dem Boden

Quelle: CB Insights

Kein Wunder also, dass sich zahlreiche Anbieter um den Markt streiten. Dabei muss zwischen drei Modellen unterschieden werden: Plattformen wie Grubhub und Just Eat vermitteln als Intermediäre lediglich zwischen Restaurants und Kunden, liefern aber selbst nicht aus. Unternehmen wie Deliveroo oder Foodora liefern das Essen hingegen zusätzlich noch selbst aus. „Meal Kit“-Anbieter wie Blue Apron oder HelloFresh wiederum liefern keine frischen Mahlzeiten, sondern „Essensboxen“ , deren Inhalt die Kunden dann nur noch zubereiten müssen.

Dabei zeigt sich, dass die Plattform­ökonomie auch in diesem Fall ein lukratives Geschäft ist. John Plassard, der bei Cambridge Securities als Berater für Mirabaud Securities arbeitet: „Plattformen, etwa Grubhub oder Foodpanda, schreiben EBIT-Margen von bis zu 40 oder 50 Prozent. Unternehmen, die selbst ausliefern, müssen hingegen die gesamte Logistik eigenständig aufbauen.“ Da Foodora und Co. die Kuriere selbst einstellen, anstellen und bezahlen müssen, schwinden in diesem Fall natürlich die Margen, da die Kosten deutlich höher sind. Auch deshalb steht etwa Foodora seit Langem in der Kritik, da die Fahrer oft schlecht bezahlt sind und wegen der fehlenden Anstellung keinen Versicherungsschutz bei Berufsunfällen haben.

Der ökonomische Vorteil zeigt sich auch an den Zahlen: Die am US-Markt führende Plattform Grubhub erwirtschaftete 2017 683 Millionen US-$ (553 Millionen €) und erzielte ­einen Gewinn von 100 Millionen US-$ (81 Millionen €). Der Lieferdienst Deliveroo versechsfachte im Jahr 2016 (aktuellere Jahreszahlen waren zu Redaktionsschluss nicht verfügbar) seinen Umsatz auf 129 Millionen Pfund (146 Millionen €), doch auch der Verlust verdreifachte sich – ebenfalls auf 129 Millionen Pfund. Ein ähnliches Bild zeigt sich bei Foodora, wo 2016 unter dem Strich ein Verlust von 58 Millionen € stand.

Warum sollten Unternehmen also überhaupt selbst ausliefern? John Plassard: „Das Wachstumspotenzial im Bereich Selbstlieferung ist deutlich größer, da die Markteintrittsbarrieren für neue Unternehmen viel höher sind als bei Plattformen.“ Das ergibt Sinn, denn eine Flotte an Kuriern aufzubauen ist deutlich schwieriger als eine Plattform hochzuskalieren. Dennoch scheinen die Anleger das Plattformmodell zu favorisieren: Delivery Hero sammelte bei seinem Börsengang im Juni 2017 fast eine Milliarde € ein, Grubhub kommt auf einen Börsenwert von über sechs Milliarden US-$ (4,8 Milliarden €) und Takeaway.com steigerte seinen Börsenwert um 75 Prozent.

Indes musste der ebenfalls als Plattform agierende britische Anbieter Just Eat einen Dämpfer in puncto Aktienkurs hinnehmen, als das Unternehmen zu Jahresbeginn verkündete, das Gewinnwachstum für 2018 würde auf Kosten des Ausbaus einer eigenen Lieferflotte geschmälert. Die Anleger waren „not amused“, sahen sie doch die EBITDA-Marge von 30 Prozent in Gefahr – und schickten den Aktienkurs um 15 Prozent nach unten. Doch nicht nur Just Eat hat Sorgen. Auch der Markt mit den vorgefertigten Meal Kits ist ein harter. So büßte etwa Blue Apron nach einigen Fehltritten viel Reputation ein und musste an den Märkten 2017 ein Minus von rund 70 Prozent hinnehmen – was das Unternehmen 2017 zum schlechtesten Tech-Börsengang in den USA machte. Und es wird nicht leichter, denn die Akquisitionskosten für Neukunden sind hoch – und steigen.

Doch das Problem betrifft nicht nur den Meal-Kit-Sektor. Plassard: „In den letzten Jahren lagen die Kosten bei rund 95 US-$ pro Kunde, 2018 liegt der Wert jedoch bei 460 US-$. Die Konkurrenz wird deutlich härter.“ Und: Die Konkurrenz wird nicht weniger, denn nun melden auch branchenfremde Unternehmen Interesse an: Amazon, Uber, Walmart und Facebook liebäugeln allesamt mit einem Eintritt in den noch jungen Markt. Doch ob die „Großen“ tatsächlich das Sitzfleisch haben, die etablierten Anbieter zu verdrängen? Philip Webster, Director of European Equities bei BMO Global Asset Management: „Die großen Anbieter, etwa Just Eat in Großbritannien, machen rund 540 Millionen Pfund (617 Millionen €) Jahresumsatz. Man muss sich also schon die Frage stellen, ob dieses Geschäft für ein Unternehmen wie Amazon mit 177 Milliarden US-$ Umsatz wirklich derart relevant ist.“

Somit scheint sicher, dass der Markt die Anzahl an Anbietern weder tragen kann noch wird. Analysten sind sich einig, dass die bereits stattfindende Konsolidierung nicht nur weiter­gehen, sondern sich beschleunigen dürfte. Webster: „Die Lieferunternehmen können es sich nicht leisten, noch mehr Geld zu verbrennen.“ Plassard stimmt dem zu: „Von 2012 bis 2014 erlebten wir 28 Merger in dieser Branche. Alleine in den ersten drei Monaten des Jahres 2018 waren es bereits 18 Fusionen.“ Überhaupt, so Webster, werde auf jedem Markt nur Platz für einen großen Anbieter übrig bleiben. Angesprochen auf seine Tipps, wer denn ­überleben wird, sagt Webster: „In den USA würde ich auf Grubhub tippen. In Europa überschneiden sich die Angebote von Just Eat und Takeaway.com kaum. Sie sind in ihren Kerngebieten Marktführer. Die einzige Ausnahme stellt Deutschland dar – ich glaube, dass Delivery Hero an Takeaway.com verkauft wird.“

Und in der Tat gibt es bereits ­Gerüchte, dass Takeaway.com den deutschen Konkurrenten übernehmen könnte. Delivery-Hero-Chef Niklas Östberg sagte, man gehe von einer Konsolidierung aus; Takeaway-CEO Jitse Groen bezeichnete eine Fusion „als Option“. Herauskommen würde ein Zusammenschluss der beiden größten europäischen Anbieter. Es zeigt sich, dass in dieser Branche alle hungrig sind: die Kunden auf die Mahlzeiten, die ihnen vor die Haustür geliefert werden, und die Unternehmen auf ihre Konkurrenten. Bleibt nur zu hoffen, dass sich niemand verschluckt.

Dieser Artikel ist in unserer März-Ausgabe 2018 „Food“ erschienen.

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