Food for Thought

Yfood mischt den deutschen Foodtech-Markt mit seinen Trinkmahlzeiten auf. Das Ziel ist, bewusste Ernährung für alle einfacher und vor allem schneller zu gestalten. Dabei ist Yfood eines von vielen Unternehmen in der Branche, die die Zukunft der Ernährung nachhaltig verändern wol­len – Ernährungswissenschaftler haben jedoch Zweifel.

Noel Bollmann hat jüngst ausgerechnet, wie viele Trinkmahlzeiten von Yfood er am Tag zu sich nimmt. „Es sind im Schnitt 1,2. Damit bin ich wahrscheinlich mein bester Kunde!“, sagt der Gründer des Münchner Foodtech-Unter­neh­mens – und lacht.

Why food? Diese Frage stellten sich die BWL-Absolventen Ben Kremer und Noel Bollmann Anfang 2017. Sie gründeten schließlich Yfood. Das Unternehmen sollte die Lebensmittelbranche revolutio­nieren und zelebrierte Innovationen wie Drinks, Riegel, Pulver und Hot Bowls als neue Art der Ernährung.

Die Produkte von Yfood, vor allem die Trinkmahlzeiten, sollen dabei – anders als Diätshakes –nicht kalorienarm sein, sondern die Energie­menge und Nährstoffe einer aus­gewogenen Ernährung bieten. Das Klischee, Yfood sei ein Diät- oder Fitnessprodukt, wollen die Gründer aus dem Weg räumen: Sie wollen den Konsumenten Zeit sparen, das ist eines der Hauptziele; sie wollen Ernährung effizienter gestalten – es muss nicht mehr eingekauft, gekocht und ge­schnippelt werden, stattdessen schraubt man nur eine Flasche auf. Fertig, satt.

Ihre Vision entstand aus einer Notwendigkeit heraus, wie die beiden sagen. In seiner damaligen Zeit als Investment­banker fand Bollmann kaum Möglichkeiten, den stressigen Alltag und eine bewusste Ernährung unter einen Hut zu bringen: „Damals hatten wir viel Arbeit und keine wirklichen Lösungen für schnelles gesundes Essen.“ Deswegen war es ihm ein Anliegen, diese Marktlücke zu schließen, sagt er.

Die Yfood-Trinkmahlzeiten sind die Bestseller – es gibt sie in zwölf Geschmacksrichtungen zu etwa 7 € pro Liter. Überhaupt scheinen die unorthodoxen Mahlzeiten den Yfood-Kunden gut zu munden, das zeigen die Geschäftsbücher: Im Jahr 2020 hat sich der Umsatz verdreifacht, 2021 mehr als ver­doppelt. Bei über acht Mio. € Monats­umsatz erreicht Yfood mehr als 500.000 Kunden in mehr als 30 europäischen Ländern über den Onlineverkauf und in sechs europäischen Ländern im Einzelhandel. Der Trend „Complete Food“ soll dem Konsumenten Kosten und Zeit sparen – aber ist diese Ernährungsform auch gesund?

Neben Deutschland als Kernmarkt ist Yfood in vielen Ländern Europas vertreten, etwa in Großbritannien, den Niederlanden und Frankreich.

Die Ernährungsexpertin und bekannte Foodtech-Kennerin Hanni Rützler erforscht seit über 25 Jah­ren den Wandel der Esskultur: „Ich glaube ja, dass es Lebensphasen gibt, wo solche All-in-one-Konzepte sinnvoll sind, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass man das Thema Essen auf Dauer ganz aus­lagern will – und schon gar nicht, dass Complete Food in den Mainstream geht“, sagt sie. Hyper­personalisierte Ernährung sehe sie kritisch: „Mir kommt das immer vor wie Asterix und Obelix mit ihrem Wundertrank – diese wundersame Ernährungsweise, die alles löst; unsere innersten Wünsche und Bedürfnisse wie ewige Gesundheit, Schönheit und ewiges Leben. Die große Forschung, die jetzt vonseiten der Wissenschaft und auch von Unternehmen wie Yfood betrieben wird, ist beachtlich, wird aber erst in ein paar Jahren Aufschluss ge­ben“, erklärt Rützler.

Andere Kritiker wiederum sagen, es gehe der Genuss verloren: Essen sei mehr als nur Nährstoff­aufnahme, betonen sie. Aber dieser Auffassung sind Bollmann und Kremer auch: Ihre Trinkmahlzeiten sollen feste Nahrung nicht ersetzen. „Wir lieben gutes Essen und wir lieben es, zu kochen. Wir sind keine Verfechter einer ausschließlichen Ernährung mit Trinkmahlzeiten. Wenn man die Zeit hat, dann sollte man selbst kochen, aber die Realität ist einfach, dass es immer wieder Situationen gibt, in denen man es eben nicht schafft. Und genau diese Situationen wollen wir bekämpfen.“

Yfood springt auf einen Trend auf: Der Complete-Food-Hype begann in den USA mit dem Pulver-Experiment Soylent im Jahr 2013 – heute ist Soylent längst nicht mehr der einzige Anbieter auf dem Markt. Zahlreiche Firmen werben oft mit großen, teuren Kampagnen für ihre schnellen Komplettmahlzeiten. In Europa gibt es mehr als ein halbes Dutzend an Wettbewerbern: Nano, Veetal, Huel, Compleat, Mana, Joylent, Jake, Bertrand und Ambronite. Yfood zählt neben Trinkkost, Runtime, Completeorganics (und vielen mehr) zu den beliebtesten Complete-Food-Marken auf dem deu­t­schen Markt.

Viele Zahlen zum Complete-Food-Markt gibt es noch nicht. Im Februar 2015 schätzte das Unternehmen Keto One, selbst ein Anbieter eines Pulvernahrungs­produkts, das noch junge Segment auf ein Gesamtvolumen von 30 Mio. US-$; ein Jahr später bezifferte man den Markt bereits mit 80 bis 110 Mio. US-$ – mit einem Zukunfts­potenzial von über sieben Mrd. US-$. 200.000 Personen dürften mittlerweile regelmäßig auf Komplett­nahrung zurückgreifen.

Auch der US-amerikanische Markt boomt: Neben dem Vorreiter Soylent bieten große Namen wie Huel, Queal und sogar Whole Foods Komplettnahrung an. Letzteres Un­ternehmen ist eine der führenden US-amerikanischen Biosupermarkt-Ketten und gehört seit 2017 zu Jeff Bezos’ Unternehmen Amazon. Tat­sächlich wollen Ben Kremer und Noel Bollmann noch in diesem Jahr ihr Produkt auf den US-Markt bringen und sehen für sich gute Chancen: „Den ersten Mitarbeiter in den Staaten haben wir schon eingestellt“, so die Gründer.

Die beiden Münchner Ben Kremer und Noel Bollmann
...gründeten im Jahr 2017 in ihrer Heimatstadt das Foodtech-Unternehmen Yfood. Mittlerweile gehört das Start-up zu den beliebtesten Anbietern für Komplettnahrung
am deutschen Markt.

Am Hauptsitz in München beschäftigt das Start-up derzeit über 150 Mitarbeiter, davon forschen rund 15 zu Zukunftsthemen wie Hyperpersonalisierung. Yfood investiert jährlich siebenstellige Beträge in Forschung und Entwicklung, um wissenschaftliche Methoden und neue Technologien voranzutreiben, die individualisierte Produktinnovationen hervorbringen. Genauere Angaben zu der Summe möchte Yfood nicht machen; insgesamt konnte das Unternehmen schon 22,6 Mio. € an Investments aufnehmen.

Neben der Expansion in die USA plant Yfood für das Jahr 2022, auch auf Personalebene aufzu­stocken. Zudem möchte man mit neuen Produkten und zusätzlichen Kategorien mehr Bekanntheit erlangen. „Aktuell liegt unsere Markenbekanntheit bei 30 %, bis Jahresende wollen wir, dass jeder zweite Deutsche uns kennt“, so die Gründer. Neue Kategorien werden laut ihnen weiterhin vom Kern der Marke geprägt sein: „Zu den zukünftigen Produktideen können wir aktuell noch nicht viel verraten, klar ist aber: Das Kernversprechen von Yfood, alle essenziellen Makro- und Mikronährstoffe in einem Produkt anzubieten und dabei leistbar und einfach zugänglich zu sein, bleibt über alle Kate­gorien hinweg dasselbe.“

Text: Naila Baldwin
Fotos: Dirk Bruniecki

Dieser Artikel erschien in unserer Ausgabe 1–22 zum Thema „Ressourcen“.

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