FROM GUANGZHOU TO RIED IM INNKREIS

Die Zukunft rund um autonome Flugobjekte nimmt zunehmend Gestalt an. Einer der Pioniere in der Branche ist das chinesische Unternehmen Ehang. Mithilfe des österreichischen Industriekonzerns FACC soll dessen Technologie nun serienreif gemacht werden – doch auf dem Weg dorthin gilt es, noch einige Hürden zu überfliegen.

Anfang 2018 begab sich Felix Lee auf einen ausgedehnten Trip durch Europa. Sein Ziel war es im Gegensatz zu anderen Reisenden aber nicht, das Brandenburger Tor oder den Pariser Louvre zu besuchen – vielmehr war der Chinese auf Partnersuche: Lee ist als Overseas Managing Director für das ­chinesische Unternehmen Ehang tätig, einen der globalen Pioniere im Bereich des autonomen Fliegens. Mit seinen Autonomous Aerial Vehicles (AAV) will das von Huazhi Hu und Yifang Xiong – Zweiterer landete 2016 auf der Forbes-„Under 30“-­Liste in ­Asien – gegründete Unternehmen in Zukunft nicht nur Güter per Flugtaxi transportieren, sondern vor allem auch Menschen.

Um diese Zukunftsvision ­umzusetzen, brauchte Ehang einen Partner, der helfen kann, die eigene Technologie zu optimieren und in die Serienreife zu führen. Lee: „Wir wussten genau, was wir gut können, und auch, was wir noch brauchen – nämlich einen Partner, der Expertise in der Flugbranche hatte und mit uns gemeinsam den nächsten Schritt gehen wollte.“

Fündig wurde Lee letztendlich nicht in Berlin, London oder Paris, sondern in Ried im Innkreis – bei der österreichischen FACC AG. Die Expertise war da: Das Unternehmen hat sich seit 1989 zu einem der führenden Zulieferer von Komponenten, Innenausstattung und Triebwerken für die Flug- und Weltraumbranche entwickelt. Und auch den Anspruch, den ­nächsten Schritt zu machen, hatte Robert Machtlinger, CEO von FACC. Im Doppelinterview mit Lee auf dem digitalen TV-Kanal F15’ | by Forbes DACH sagte er: „Wir müssen uns überlegen, wie wir mit FACC bis 2030 ein relevanter Akteur bleiben können. Und aus dieser Perspektive ergibt der Schritt auf jeden Fall Sinn.“

Zudem schienen sich beide Parteien auch auf der zwischenmenschlichen Ebene gut zu verstehen. Machtlinger: „Wir haben vor 30 Jahren als Start-up begonnen und versucht, dieses Denken beizubehalten. Als wir uns im März 2018 erstmals mit Ehang trafen, merkten beide Seiten schnell, dass man auf einer Wellenlänge ist.“ Lee stimmt zu: „Wir sind uns sicher, mit FACC den richtigen Partner gefunden zu haben.“

Felix Lee
... ist Overseas Managing Director von Ehang, einem chinesischen Hersteller von autonomen Flugobjekten (Autonomous Aerial Vehicles – AAV). Lee ist seit 2015 bei Ehang tätig.

Robert Machtlinger
... ist seit Februar 2017 CEO des oberösterreichischen Industriekonzerns FACC AG.

Acht Monate später, im November 2018, wurde die Partnerschaft in Ehangs Sitz in Guangzhou unterzeichnet. Für FACC, das zuletzt einen Jahresumsatz von 767 Millionen € verzeichnete, ist Ehang nicht der erste Berührungspunkt mit China: Bereits 2009 wurden 91,25 % der Unternehmens­anteile vom chinesischen Flugzeug­bauer Xi’an Aircraft Industrial Corporation (XAC) übernommen; seit dem Börsengang sind noch 55,5 % im Besitz der Tochtergesellschaft FACC International in Hongkong, der Rest befindet sich in Streu­besitz.

Nun wird FACCs Konnex zu China aber noch einmal intensiviert. Denn gemeinsam wollen Ehang und FACC autonome Luftfahrzeuge zur Serienreife bringen und zudem gemeinsam an neuen Lösungen im Bereich des individuellen Luftverkehrs arbeiten. Aufgrund der Verbindung lässt sich Ehang auch in Österreich ­nieder: Der Europasitz des ­Unternehmens wird gerade in Wien aufgebaut, rund 30 Personen sollen bald dort arbeiten. Lee: „Wir bauen eine komplett neue Wertschöpfungskette in Europa – ein großer Fokus liegt ­dabei auf Österreich. Das Land hat gute Chancen, im Bereich der städtischen Flugmobilität der führende Standort in Europa zu werden.“ FACC hat mit dem Projekt Airlabs – das zudem auch die Frequentis AG, das Austrian Institute of Technology (AIT) und drei Hochschulen (FH Kärnten, FH Joanneum und TU Graz) als Gesellschafter hat – eine weitere Initiative gestartet, die helfen soll, den Standort attraktiv zu machen.

Das Potenzial ist jedenfalls gegeben: Auf 45 Milliarden US-$ könnte der Markt für autonome Flugobjekte bis 2025 wachsen, wobei hier auch die militärische Nutzung einfließt. Der Markt für urbane Flugmobilität wird von der Forschungsplattform Research and Markets wiederum auf 15 Milliarden US-$ Volumen im Jahr 2030 geschätzt – was ein jährliches Wachstum (CAGR) von 11 % bedeuten würde. Neben Ehang gibt es aber auch andere ambitionierte Start-ups, darunter Volocopter aus dem deutschen Bruchsal und das Münchner Unternehmen Lilium Aviation, das gerade erst eine Finanzierungsrunde über 240 Millionen US-$ (bei einer Bewertung von einer Milliarde US-$) abschloss.

Doch auch etablierte Kon­zerne mischen mit: Airbus und Boeing starteten eigene Initiativen, der Autokonzern Daimler ist bei Volocopter investiert, Porsche hat eine strategische Partnerschaft mit Boeing verkündet. Audi und Airbus hingegen beendeten eine Zusammen­arbeit überraschend, da das gemeinsame Projekt „Pop-Up Next“ – eine Kombination aus autonomen Elektroautos und autonomen Flugtaxis – zu teuer und komplex ist.

Robert Machtlinger (CEO, FACC, ganz links) und Felix Lee (Overseas Managing Director, EHang, 3.v.li) mit Vertretern der Stadt Linz und der Linz AG bei der Verkündung der Kooperation zwischen EHang und der oberösterreichischen Hauptstadt.

Machtlinger und FACC bringt das womöglich in eine ­schwierige Position. In gewisser Weise tritt das oberösterreichische Unternehmen nämlich mit seinen größten Kunden – darunter Airbus und Boeing – in Konkurrenz. Doch Machtlinger betont, dass FACC durch die Partnerschaft mit Ehang neue Komponenten erforschen, anwenden und optimieren kann. Das soll zu Erkenntnisgewinn auch in anderen Segmenten führen. „Ich denke nicht, dass wir mit Airbus und Boeing in Konkurrenz gehen. Vielmehr lernen wir Neues, das der gesamten Branche zugutekommen wird“, so der CEO von FACC.

Lee ist indes überzeugt, dass Ehang der Konkurrenz voraus ist: „Wir sind das einzige Unternehmen, das sich von Anfang an auf autonome Flugobjekte fokussierte. Zudem haben wir ein digitales Ökosystem gebaut, das neben der Produktion der Flugzeuge selbst auch Softwarelösungen umfasst, die Steuerung und Kontrolle ermöglichen.“ Tatsächlich gilt die Hardware – darunter das Vorzeigeobjekt Ehang 2016 – als technologisch weit fortgeschritten; bei der Geschwindigkeit ist Ehang Marktführer.

Doch am Weg zur breiten Akzeptanz autonomer Flugobjekte sind noch einige Hürden zu überwinden. Insbesondere der europäische Luftraum gilt als eng und viel beflogen, und Kollisionen müssen natürlich unbedingt verhindert werden – daher gibt es hier ­strenge Regulierung. Da Flugtaxis in der Regel auch vergleichsweise niedrig fliegen, kommt der Schutz der Privatsphäre von Anwohnern dazu.

Hinzu kommt die Technologie: Es ist bis dato unklar, welche Infrastruktur im städtischen Bereich benötigt wird, um AAV massentauglich zu machen. Ehang verkündete im Oktober 2019 eine ­Kooperation mit dem Telekomanbieter Vodafone – denn ohne flächendeckende 5G-Technologie könne der nötige Datenaustausch nicht gewährleistet werden. Auch die Batterieleistung gängiger Lösungen reicht oft nicht aus, um längere Flüge zu ermöglichen. Und drittens ist die Akzeptanz in der Gesellschaft nicht ganz so weit gediehen, wie es sich die Hersteller wünschen würden: Eine Befragung des Beratungs­hauses Bearing Point zeigte in Deutschland, dass 53 % der Befragten gegen einen Einsatz der revolutionären Transportform seien – die Angst vor Abstürzen ist zu groß.

Lee und Machtlinger kennen die Hürden, zeigen sich aber dennoch optimistisch. Machtlinger: „Technische Fragen sind ein Thema, die rechtlichen Rahmen­bedingungen werden aber die größte ­Herausforderung. Doch wir sehen viel Bewegung in Europa und den USA – die Behörden bringen sich aktiv ein. Das Thema nimmt Geschwindigkeit auf.“ Lee ergänzt: „Wir arbeiten intensiv daran, neue Regulierungsstandards für diese Technologie zu entwickeln.“

Laut Lee sollte die Europäische Weltraumagentur ESA die Ehang-Flugobjekte bis 2025 zertifizieren. In China könnte es wohl noch früher so weit sein: „Es gibt viel Grund zur Hoffnung“, so Lee.

Text: Klaus Fiala
Foto: Ehang, FACC AG

Der Artikel ist in unserer Juni-Ausgabe 2020 „Next“ erschienen.

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