Gamer als Unternehmer

Millionen Kinder spielen Videospiele auf Roblox. Nicht gerade ungewöhnlich für ein Social-Gaming-Einhorn. Das Einzigartige daran: Kinder lernen die Grundlagen des Programmierens – und werden wie Unternehmer bezahlt.

Als Alex Binello 13 Jahre alt war, begann er, Spiele auf der Website ­Roblox zu spielen. Es gefiel ihm sehr, seine Zeit mit Titeln wie „Work at a Pizza Place“ und „Down Hill Smash!“ zu verbringen – so sehr, dass er inspiriert wurde, seine eigenen Spiele zu bauen. Heute, elf Jahre später, ist er der Schöpfer von „MeepCity“, einem riesigen Rollenspiel, das im Juli (2018, Anm.) 15 Millionen Besucher auf der ­Roblox-Plattform hatte. Forbes schätzt, dass das karikaturistische Spiel Binello seit seiner Einführung im Jahr 2016 Millionen eingebracht hat. Der 23-Jährige, der noch nie ­einen einzigen Computerprogrammierkurs besucht hat, beschäftigt heute einen angestellten Kreativ­direktor und sechs weitere freie Mitarbeiter, um sein Spiel auf dem neuesten Stand zu halten. „Roblox war einfach Teil meines Lebens“, sagt er. „Ich fühle mich dadurch ein wenig privilegiert.“

Roblox mit Sitz in San ­Mateo, Kalifornien, ist eine ­kombinierte Spiele- und Social-Media-Plattform. Es gibt Millionen von Spielen, die die Gamer, meist junge Menschen, mit ihren Freunden erkunden ­können, indem sie chatten und interagieren.

Roblox
... Die Spiele- und Social-Media-Plattform Roblox wurde 2004 von David Baszucki (CEO) und Erik Cassel (verstarb 2013) gegründet. Roblox verzeichnet mehr als 70 Millionen Besucher pro Monat, monatlich werden fast eine Million Spiele von den Entwicklern erstellt.

Aber das Einzigartige an ­Roblox ist, dass die Spielfirma keine kommerziellen Spiele im eigentlichen Sinne produziert – ­Roblox bietet den Kindern nur die Werkzeuge und die Plattform, um ihre eigenen, einzigartigen Kreationen zu schaffen. Beeindruckend ist, dass Roblox aus seinen Nutzern eine ganze Armee von frischgebackenen Unternehmern gemacht hat. Entwickler können Robux, eine virtuelle Währung, für verschiedene Gegenstände und Spielerfahrungen verlangen; und sie können die Robux, die sie verdienen, gegen echtes Geld eintauschen: Für 100 Robux werden 35 Cent ausgezahlt (Spieler können 100 Robux für einen Dollar kaufen).

„Viele der Entwickler von Roblox sind mit der Plattform aufgewachsen“, sagt David Baszucki, Mitbegründer und CEO von Rob­lox, 55. „Und viele von ihnen beginnen jetzt, ihren Lebensunterhalt auf der Plattform zu verdienen.“ Kinder sind, wie sich herausstellt, ziemlich gut darin, Spiele zu entwickeln, die anderen Kindern gefallen. Weltweit verzeichnet Roblox mehr als 70 ­Millionen Besucher pro Monat. Laut Comscore verbringen Sechs- bis Zwölfjährige mehr Zeit auf ­Rob­lox als auf jeder anderen Seite im Web. Unter den Teenagern rangiert Roblox an zweiter Stelle, direkt hinter den Websites von ­Google, einschließlich YouTube.

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Dahinter stecken ­einige ­ziemlich beeindruckende ­Zahlen: ­Roblox ist cashflow-positiv bei einem geschätzten Umsatz von 100 ­Millionen US-$ im Jahr 2017 (im Jahr 2018 sollte dieser Wert über 200 ­Millionen US-$ liegen) und hat rund 185 Millionen US-$ an Risikokapital aufgenommen. Der Unternehmenswert wird auf rund 2,5 ­Milliarden US-$ geschätzt. ­Baszuckis Anteil ist schätzungsweise 300 Millionen US-$ wert (der andere Mitgründer von Roblox, Erik Cassel, starb im Februar 2013 an Krebs.)

Ein Teil des Wachstums ist auf die schiere Anzahl der produzierten Spiele zurückzuführen: Fast eine Million Spiele werden­ ­jeden ­Monat von mehr als vier Millionen Entwicklern auf der Plattform erstellt. Die Spiele decken eine Vielzahl von Genres ab, von traditionellen Renn- und Rollenspielen über das beliebte „Räuber und Gendarm“-Spiel ­„Jailbreak“ bis hin zu Alltags­simulationen wie „Snow Shoveling Simulator“ und „Work at a ­Pizza Place“. Die Plattform hat sogar ihre eigenen Genres hervorgebracht, wie beispielsweise „Obbys“, komplexe, schwer durchzunavigierende Hindernisparcours.

„Es ist fast so, als ob wir ­‚American Idol‘ (US-amerikanische Fernsehshow, Anm.) für aufstrebende Spieleentwickler betreiben würden“, sagt Baszucki. Roblox hat seinen Ursprung in einem 1989 von Baszucki gegründeten Unternehmen, einem Start-up für Bildungstechnologie namens Knowledge ­Revolution. Die Firma erstellte ein Programm, das als 2-D-Labor diente, in dem Schüler und Lehrer physikalische Probleme mit virtuellen Hebeln, Rampen, Riemenscheiben und Projektilen modellieren konnten. Als seine Software sich bei den Schülern immer größerer Beliebtheit erfreute, entdeckte Baszucki, dass Kinder das Programm benutzten, um Dinge zu tun, die weit über die Probleme der „Lehrbuchphysik“ hinausgehen. 1998 wurde Know­ledge Revolution für 20 Millionen US-$ vom Ingenieursoftwareunternehmen MSC Software gekauft, also beschloss Baszucki, sich eine Auszeit zu nehmen und herauszufinden, was er als Nächstes tun ­wollte.

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Inspiriert von den Welten, die die Kinder mit seinem interaktiven Physikprogramm gebaut hatten, gingen er und Erik Cassel, der ehemalige Vizepräsident für Ingenieurwesen bei Knowledge Revolution, „für über anderthalb Jahre in Klausur“, um die erste Version von Roblox zu bauen. „Gleich zu Beginn haben wir uns eine neue Kategorie von Menschen vorgestellt, die Dinge gemeinsam tun“, sagt ­Bas­zucki. „Eine Kategorie, die Freunde involvierte wie bei Social Networking, eine Kategorie, die immersives 3-D wie Gaming beinhaltet, eine Kategorie, die coole Inhalte wie ein Medien­unternehmen entwickelt, und schließlich eine Kategorie, die unbegrenzte Kreativität hatte wie bei einem Bauspielzeug.“

In den ersten Monaten nach der Betaphase von Roblox im Jahr 2005 war die Anwendercommunity winzig. Während der Spitzenzeiten spielten etwa 50 Personen gleichzeitig – heute sind es durchschnittlich über eine Million. Aber die geringe Größe der Community ermöglichte es Baszucki und Cassel damals, mit den Spielern Zeit zu verbringen und Feedback zu erhalten, während sie die Plattform weiterentwickelten. Als das Duo „Roblox Studio“ veröffentlichte – die App, die es ­Roblox-Anwendern ermöglicht, Spiele und Simulationen zu erstellen –, ­änderte sich alles. Bis zum Jahr 2012 hatte Roblox mehr als sieben Millionen Besucher pro Monat und wurde damit eine der beliebtesten Unterhaltungsseiten für Kinder.

Als das Unternehmen wuchs, experimentierte es auch mit verschiedenen Geschäftsmodellen. Ursprünglich stammten die Einnahmen aus Werbung und dem ­Premiummitgliedschaftsmodell ­„Builders Club“. Aber nach einigen Jahren stieg das Unternehmen auf sein aktuelles Modell um: den Verkauf von Robux. Dieses ermöglicht es jungen Entwicklern, einen Teil der Einnahmen ihrer Spiele zu erhalten. Im Jahr 2017 verdienten die Entwickler fast 40 ­Millionen US-$ auf der Plattform. Es wird erwartet, dass dieser Wert für das Jahr 2018 die 70-Millionen-Grenze übersteigt. Roblox hat auch damit begonnen, Spielzeug aus populären Spielen herzustellen, wie etwa Actionfiguren und Plastikautos. Die Plattform teilt das Geld, das sie mit diesen Spielzeugen verdient, mit den Entwicklern – diese konnten so 2017 zusätzlich eine Million US-$ an Lizenzgebühren verdienen. „Wir geben den Entwicklern einfach die Möglichkeit, das alles für sich selbst herauszufinden“, sagt Craig Donato, Chief Business Officer von Roblox. „Wenn ein Entwickler zu aggressiv mit der Monetarisierung umgeht, werden die Kinder nicht spielen. Wenn sie eine tolle Idee haben, wird sie kopiert.“

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Das Unternehmen hilft auch angehenden Programmierern, besser zu werden. Die jährliche Entwicklerkonferenz zieht Roblox-­Entwickler aus der ganzen Welt an, um sich zu treffen und Tipps und Tricks auszutauschen. Das Unternehmen verfügt auch über ein bezahltes Praktikumsprogramm, das als Inkubator oder ­Accelerator für junge Entwickler dient, um Spiele zu entwickeln und diese zu verbessern. Das Programm in der Zentrale des Unternehmens im Silicon Valley vermittelt Projektmanagement­fähigkeiten und macht die Praktikanten dafür verantwortlich, ihre Projekte fristgerecht zu liefern.

Die nächste Phase lautet Internationalisierung: Obwohl die Nutzer von Roblox aus mehr als drei Dutzend Ländern kommen, war die Plattform bisher nur auf Englisch und nur auf Dollarbasis verfügbar. Das änderte sich vor wenigen Monaten, als Roblox eine spanische Version auf den Markt brachte. Seitdem hat das Unternehmen durchschnittlich fünf Millionen Besucher pro Monat aus spanischsprachigen Ländern erreicht. Das Unternehmen hat auch brasilianische-portugiesische, französische und deutsche Versionen produziert.

„Es ist superaufregend, dass ein Kind in Jakarta ein Spiel programmieren kann, das sich ein Kind in Menlo Park nie vorstellen würde, aber das wirklich lustig und relevant für andere Kinder in Südostasien ist – und vielleicht auch für das Kind in Menlo Park“, sagt Chris Misner, Präsident von Roblox ­International. „Unsere Hoffnung ist, dass wir Menschen auf der ganzen Welt zusammenbringen“, ergänzt Baszucki. Trotz des enormen Wachstums der Plattform hält Baszucki immer noch Kontakt zu seinen Powerusern – auch wenn viele seinen Namen nicht kennen. Bei einer Firmenführung für Spieler an einem Freitagmorgen fragte eine Reiseleiterin die Kinder, ob sie jemals von Dave ­Baszucki gehört hätten – sie alle schüttelten den Kopf. Dann fragte sie, ob sie ­Builderman – Baszuckis Name in Roblox – kannten – und die Gruppe antwortete mit einem lauten „Ja!“.

Text: Alex Knapp / Forbes US
Fotos: Timothy Archibald / Forbes US
Übersetzung: Wolfgang Steinhauer

Dieser Artikel ist in unserer Februar-Ausgabe 2019 „Gaming – Wettbewerb“ erschienen.

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