GANZ LEGER ZUM ERFOLG

Lena Gercke kennt man – sei es als Model, Moderatorin oder Medienpersönlichkeit. Doch nun macht die Deutsche auch als Modeschöpferin und Unternehmerin auf sich aufmerksam. Mit „LeGer“ hat sie gemeinsam mit dem Online­versandhändler About You ein schnell wachsendes Modelabel gegründet.

Letztendlich ist es eine Rückkehr zum Ursprung für das imposante Eckhaus, das die Adressen Oranienplatz 2 und Oranienstraße 164 in Berlin-Kreuzberg umfasst. 1904 für den Kaufmann Reinhard-Moritz Maassen errichtet, diente das Gebäude in seinen Anfangszeiten als Produktions- und Verkaufsraum für Damenbekleidung und galt 1920 als das „größte Spezialhaus für Damenbekleidung“ in Deutschland. Es wirkt also nur ­passend, dass im fünften Stock des Gebäudes auch 100 Jahre ­später wieder Damenbekleidung kreiert wird.

Um die Geschichte des Hauses wissend oder nicht – der Online-Modeversandhändler About You hat die Adresse als Zuhause für ­seine Submarken ausgesucht. Neben Edited werden hier auch die Kreationen des Modelabels LeGer erdacht, das About You gemeinsam mit Model und Moderatorin Lena Gercke gründete.

Auch LeGer fokussiert sich übrigens auf Damenbekleidung – den Status als größtes Haus in Deutschland hat sich die Marke aber noch nicht erarbeitet. Mit LeGer haben About You und Gercke einen globalen Trend auch in die deutschsprachige Region geholt: Influencer-Brands. Dabei gründen bekannte Persönlichkeiten Marken und koppeln diese zumindest in der ­Startphase eng an ihre eigene öffentliche Präsenz, um die ­dahinterstehenden Unternehmen erfolgreich zu machen. Doch für Gercke spielte das geschäft­liche Kalkül eine untergeordnete Rolle – vielmehr wollte sie sich selbst verwirklichen.

Lena Gercke ist das Cover der Februar-Ausgabe 2020 „Space“

Denn als wir die 32-Jährige im ­Showroom von LeGer am Oranienplatz treffen, betont sie, dass sie mit LeGer endlich ihre schon immer vorhandene Leidenschaft für kreative Arbeit ausleben kann: „Als Model wird einem viel ­vorgegeben – ich wollte aber schon früh selbst ­etwas kreieren.“ Es sollte dennoch bis 2017 dauern, bis daraus Realität wurde. Gemeinsam mit About You startete Gercke „LeGer“ (der Marken­name ­leitet sich aus ihrem Namen ab). „Wir sind im Prinzip wie ein Start-up“, sagt Gercke. „Aus einer Idee und Leidenschaft ist ein festes Team entstanden.“

Dieses „Start-up“ ist derzeit im Expansions­modus. Die Marke zählt zu den 20 meistverkauften Marken bei About You, 2019 erzielte ­LeGer einen Bruttoumsatz irgendwo zwischen sechs und sieben Millionen € – wovon nach Abzug der Retouren netto noch drei Millionen € ­übrig bleiben. Mittelfristig will die Neounternehmerin ­LeGer so aufstellen, dass die Marke ohne ihr aktuell größtes Asset auskommt: Lena Gercke selbst. „Ich will, dass LeGer auch ohne mein ­Gesicht funktioniert. Das soll ein richtig großes Unternehmen werden.“

Zwei gegensätzliche Geschäftsmodelle: Air Jordan & Yeezy

Die Idee ist nicht unbedingt neu: Berühmte Persönlichkeiten verhelfen Marken seit Langem zu mehr Bekanntheit – und vice versa. Das vielleicht erfolgreichste Beispiel dafür ist Air Jordan, die von Nike und Michael Jordan kreierte Marke, mit der der US-Sportartikelhersteller 2019 satte 3,1 Milliarden US-$ Umsatz machte. Doch seit einigen Jahren fangen Stars an, umzudenken: Statt lediglich einer anderen Marke Auftrieb zu geben, gründen sie lieber eigene Unternehmen.

Lena Gercke
... wuchs in Cloppenburg in Niedersachsen auf. 2006 gewann sie die erste Staffel der Castingshow „Germany’s Next Topmodel“ und war anschließend als Model international tätig. 2009 begann sie mit Moderationen von Fernsehshows, heute ist sie etwa für „The Voice of Germany“ tätig. 2017 gründete sie in Kooperation mit dem Onlineversandhändler About You ihre eigene Marke „LeGer“.

Das Gegenbeispiel zu Air Jordan ist ­Kanye West mit seiner Sneakermarke Yeezy: Zwar nutzt West Adidas als Plattform, doch die Markenrechte liegen gänzlich bei dem Musiker, und auch die Lizenzgebühren sind deutlich höher als bei Jordan. Dadurch konnte West, dessen Sneaker­marke „nur“ rund eine Milliarde US-$ Umsatz machte, letztlich gleich hohe Einnahmen wie Jordan erzielen (Jordan und West verdienten mit ihren Deals 2019 rund 150 Millionen US-$). Dazu kommt der Wert der Marke, der gänzlich West zugute kommt. Andere Beispiele sind Musikproduzent Dr. Dre, der seine Kopfhörermarke Beats 2014 um drei Milliarden US-$ an Apple verkaufte, oder Kylie Jenner, die für 51 % ihres Unternehmens Kylie ­Cosmetics jüngst 600 Millionen US-$ vom Schönheits­konzern Coty bekam.

Einen ähnlichen Weg wählte auch Gercke mit About You. Und obwohl sie von den US-Vorbildern noch ein Stück entfernt ist und betont, dass die kreative Arbeit für sie im Vordergrund steht, hat Gercke klare Vorstellungen, wo die unternehmerische Reise hingehen soll: „Ich bin nicht in erster Linie ein Zahlenmensch. Was aber nicht heißt, dass ich mir nicht regelmäßig alle Abverkäufe und Dashboards von LeGer anschaue. Wir haben einen sehr ambitionierten Business Case und den gilt es natürlich zu erfüllen.“ Das funktioniert bisher: Von 2018 auf 2019 verfünffachte LeGer seinen Nettoumsatz von 600.000 € auf drei Millionen €. Die Marke ist in Sachen Verkäufe mittlerweile auch unter den Top 20-Marken auf About You. Gemessen am Bruttoumsatz (sechs bis sieben Millionen €) und einem konservativen Multiple hat die Modemarke damit schon heute einen Wert von rund zehn Millionen €. In den nächsten drei Jahren will Gercke einen stabilen achtstelligen Betrag beim (Brutto-)Umsatz erreichen, was den Marken- bzw. Unternehmenswert auf mindestens 15 Millionen € – und deutlich mehr – ansteigen lassen könnte.

 

Meilensteine Lena Gercke
(Quelle: Eigenrecherche)

Die Markenrechte von LeGer liegen gänzlich bei der Deutschen, zudem besitzt sie eine „Mehrheitsbeteiligung am Umsatz“, wie sie sagt. Eine konservative Schätzung ­der Beteiligung könnte bei rund 60 % liegen, ein ähnliches Verhältnis könnte auch bei den Unternehmensanteilen angestrebt werden, wenn Gercke und About You LeGer dieses Jahr offiziell als Unternehmen ausgründen. Bestätigen will Gercke diese Schätzungen vorerst jedoch nicht.

Obwohl sie mit Kooperationen mit Maybelline, Adidas, BMW oder Pro7 also gutes Geld verdient, ist das Asset, das sich Gercke aktuell mit LeGer aufbaut, sicherlich um ein Vielfaches ­wertvoller. Das liegt auch an der Starthilfe, die die Marke durch die Kooperation mit ­About You bekam. Denn das Team rund um Mitgründer und CMO Tarek Müller, der 2018 auf der Forbes-„Under 30“-Liste vertreten war, hat Erfahrung damit, Marketing neu zu denken. Im Forbes-Interview sagte Müller etwa: „Niemand merkt sich gerne stink­normale ­kommerzielle ­Marken. Menschen merken sich lieber Dinge, die Emotionen ­auslösen, weil sie besonders, berührend oder lustig sind, da sie sich mit ihnen identifizieren können oder sie einen Mehrwert liefern.“

Für Gercke war aber von Anfang an klar, dass LeGer eng mit ihrer Person verbunden sein muss. Einerseits, weil sie ihren Traum schon seit Jahren verfolgt: Bereits 2009, als sie fürs ­Modeln nach New York gezogen war, fertigte sie erste Skizzen mit Ideen für mögliche Kollektionen an („Ich hatte schon damals die Idee für ein eigenes Label“); andererseits aber auch, weil Authentizität eine der wichtigsten Währungen geworden ist. Doch eine Marke in dem lauten Getöse der Modebranche richtig zu positionieren ist nicht so einfach. Für Gercke war dennoch früh klar, was LeGer sein sollte – und was nicht: „Ich wollte Kleidung machen, die man sich leisten kann, die man auf der Straße sieht und die ich auch selbst tragen würde.“ Laut der Studie „Spotlight Influencer 4.0“ der Mediaagentur Wavemaker, in der Gercke für 2019 in Sachen Bekanntheit und aktiver Nutzung unter den deutschen Influencern den zweiten Platz erreichte (Platz eins belegte die Sängerin Lena Meyer-Landrut), nimmt die Glaubwürdigkeit von Influencern ab; gegenüber dem Vorjahr sogar um satte 13 Prozentpunkte. Einer der meistgenannten Gründe: fehlende Authentizität.

 

Bekannte Influencer Brands
(Quelle: Eigenrecherche)

Auch deshalb ist es hilfreich, LeGer aktuell noch eng an Gercke zu koppeln: Sie agiert als wichtigstes Testimonial, setzt auf den Zusatz-Slogan „By Lena Gercke“ und nutzt ihren privaten Instagram-Kanal mit seinen 2,6 Millionen Followern als wichtigstes Marketingtool. Das ist jedoch nicht nur geschäftliches Kalkül. Gercke: „LeGer muss zu 100 % ich und authentisch sein.“ In Zukunft soll LeGer jedoch auch ohne Gercke als Zugpferd funktionieren, so die Modemacherin.

Erstes „Germany’s Next Topmodel“ und erfolgreiche Laufsteg-Karriere

Lena Gercke wuchs im deutschen Cloppen­burg auf. Die Affinität zu Bühne und Scheinwerferlicht, vor allem aber auch zu kreativen Tätigkeiten, zeigte sich bei der Tochter zweier Lehrer schon früh. Sie tanzte in ihrer Jugend viel, kam dadurch zu ihren ersten Erfahrungen als Model. „Wenn man das Modeln nennen kann“, sagt Gercke lachend. „Meine Tanzlehrerin hat mich damals gefragt, ob ich nicht auf einer ihrer Modeshows laufen will.“ (Die Darstellung auf Wikipedia, wonach Gercke bei einem Casting für eine Fastfood-Kette entdeckt wurde, ist falsch, Anm.).

Früh war ihr klar, dass ihr das Leben im beschaulichen Cloppenburg, wo ihr Freundeskreis einen eher traditionellen Weg – Studium, Beruf, Hochzeit, Haus, Kind – anstrebte, zu eng war. „Ich wollte etwas erleben, die Welt entdecken.“ Gercke meldete sich zum Casting bei „Germany’s Next Topmodel“ an – was sie sich im ­Nachhinein nicht mehr ganz erklären kann. „Das wundert mich heute, denn ich war damals super­schüchtern“, sagt Gercke darüber. Ihre Hemmungen legte sie jedoch bald ab; nach ihrem Sieg in der ersten Staffel der Casting­show war Gercke schnell in der Modelbranche angekommen. Sie zog nach New York, merkte aber früh, dass ihr das Modeln alleine nicht reichen würde. „Das klassische Modeln wäre mir auf Dauer zu langweilig gewesen“, so die 32-Jährige. Gercke fing also 2009 an, den Österreich-Ableger „Austria’s Next Topmodel“ zu moderieren.

Bis heute ist Gercke regelmäßig im Fernsehen zu sehen, unter anderem als Jurorin bei der Show „Das Ding des Jahres“ oder als Moderatorin bei der Castingshow „The Voice of Germany“. Auch ihre Präsenz auf Social Media ist für Gercke heute eine wichtige Einnahmequelle – obwohl sie sich nicht als klassische Influencerin versteht: „Ich habe mit dem Modeln angefangen, als es noch gar kein Instagram gab.“ Ihren ersten Post veröffentlichte sie 2012 in New York. Dass LeGer sein Zuhause in Berlin gefunden hat, sei laut Gercke nur sinnvoll: „In Berlin ist unser Team, hier haben wir die kreativen Köpfe, die wir benötigen.“

In ihrer neuen Rolle hat sie einige Heraus­forderungen zu bewältigen. Neben ihrer Tätig­keit als Modemacherin und Unternehmerin ist Gercke erstmals auch Chefin. Vier Personen ­umfasst das Kreativteam von LeGer aktuell (inklusive Gercke selbst), weitere Funktionen wie Marketing oder Finance sind aktuell noch an ­About You ausgelagert. Gercke kann in ihrem Tun durchaus perfektionistisch sein. Denn die Deutsche ist bei ­LeGer stets Letztinstanz, egal, ob es sich um Ergänzungen im Sortiment, Werbespots (die Gerckes ­Lebensgefährte Dustin Schöne als Regisseur und Produzent verantwortet) oder das „Look and Feel“ der ­eigenen Fashionshows geht. Da gab es in der Vergangenheit durchaus auch Reibungen im Team: „Natürlich gab es auch Teammitglieder, die einen anderen Kleidungsstil hatten und ihre Ideen eingebracht haben. Letztendlich treffe ich aber die finale Entscheidung und entscheide, wie die Produkte aussehen“, schildert Gercke. Zwar sei sie als Chefin „wie eine Freundin“, sie sagt aber auch, dass ihr wichtig sei, dass „alles mit mir besprochen wird. Ich behalte die Oberhand.“

Trotz aller Herausforderungen sieht Gercke das Projekt jedenfalls jetzt schon als Erfolg. Gefragt, was denn die Highlights ihrer bisherigen Karriere waren, spricht sie nicht von Mode­deals oder TV-Aufzeichnungen, sondern über den Start von LeGer: „Der Erfolg hat mich total überrascht. Das war das erste Mal in meinem Leben, dass ich wirklich zutiefst stolz auf mich war.“

 

Wachstumsphase
(Quelle: Unternehmensangaben)

Rund 80 % des Umsatzes aus dem DACH-Raum

Mehr als 370 Artikel umfasst das LeGer-Sortiment aktuell, aufgeteilt auf verschiedene Kollektionen: Da­runter finden sich „Never Out Of Stock“-Teile (NOS) – also Artikel, die ­ganzjährig verfügbar sind und in der Regel den größten Umsatzbeitrag ausmachen, etwa Hoodies – und eine Trendkollektion, die schnell auf den Markt reagieren kann. Trotz des Erfolgs könnte das zukünftige Wachstum der Marke aus zwei Gründen schwieriger werden: Einerseits ist Gercke vorrangig in der DACH-Region bekannt – auch deshalb kommen heute (grob geschätzt) rund 80 % des Umsatzes aus Deutschland, Österreich und der Schweiz. Während About You also auch in Märkten wie Tschechien, den Niederlanden oder Großbritannien Erfolge feiert, kann Gerckes Strahlkraft in diesen Ländern wohl nicht den gleichen Auftrieb bieten wie hierzulande.

Zudem steigert die Expansion – seit Kurzem ist LeGer etwa bei Peek & Cloppenburg (P&C) erhältlich, weitere stationäre Verkaufspunkte sollen folgen – auch die Komplexität. Angesprochen auf die Expansion und die Kooperation mit P&C sagt sie etwa: „Da wird es mit Sicherheit noch die ein oder andere Veränderung geben.“ Zwar kann LeGer weiterhin Synergien mit About You nutzen, doch Gercke betont, dass LeGer als eigenes Unternehmen eigenständiger funktionieren wird. Das macht es natürlich auch schwieriger, komplexe Prozesse unter Kontrolle zu halten.

Aktuell beschäftigen beide Herausforderungen Gercke aber noch nicht zu sehr. Nun will sie LeGer beim Wachsen helfen und schrittweise neue Ideen umsetzen. Ein eigener Brandstore ist zwar (noch) nicht geplant, eine ähnliche Initiative könnte zu Jahresende aber auf die Fans warten: „Ich habe eine schöne Idee für Weihnachten, die wir dieses Jahr umsetzen möchten.“ Was genau das ist, soll laut Gercke eine Überraschung bleiben. Für die nähere Zukunft will sich die Wahlberlinerin – Gercke ist erst kürzlich für LeGer nach Berlin gezogen – jedenfalls auf ihr aktuelles Projekt fokussieren. „Ich habe früh erkannt, dass das hier die nächsten zehn Jahre meiner Zukunft sein werden.“

Die 32-Jährige ist so mit ihrem Projekt beschäftigt, dass sie an nächste Schritte noch gar nicht denken will. Auf die Frage, ob sie ihr Unternehmen ­irgendwann verkaufen könnte, zögert sie kurz: „Das kann ich aktuell nicht beant­worten. LeGer ist für mich wie ein Baby – ich ­mache das aus purer Leidenschaft.“

Text: Klaus Fiala
Fotos: Dirk Bruniecki

Der Artikel ist in unserer Februar-Ausgabe 2020 „Space“ erschienen.

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