GEN-HACKER

Unternehmer bringen Gentechnologie aus dem Labor in die Klinik – mit großen Ambitionen. Aber wem gehören die Patente?

Als Rachel Haurwitz ihren Biologie-­Ph. D. an der University of California, Berkeley, begann, schlug ihr die preisgekrönte Biochemikerin Jennifer Doudna vor, sich an einem Forschungs­projekt zu beteiligen, das an einem Teil eines bakteriellen ­Immunsystems forschte. Sie untersuchte, wie Mikroben ­genetische Erinnerungen über angreifende ­Viren speichern und diese wiedererkennen, um zukünftige Angriffe abzuwehren. Das System, auch als Crispr bekannt, wurde zu einer der größten Entdeckungen in der jüngeren Biologieforschung, mit dem Potenzial, Wissenschaftlern die Kon­trolle über die Bausteine des Lebens zu geben – und Investoren saftige Profite zu ­bescheren. Doudna, die für ihre Arbeit den Breakthrough Prize in Life Sciences erhielt, sowie andere Pioniere haben Wege gefunden, Crispr in ein Gen-Überarbeitungstool zu verwandeln. Haurwitz und ­Doudna gründeten Caribou Biosciences im Jahr 2011 mit, um von dieser Entdeckung zu profitieren. Haurwitz, noch in ihren 20ern, wurde im darauf­folgenden Jahr CEO.

Sie ist nicht die einzige Jungunternehmerin, die auf „Gene editing“ setzt. Doudna gründete Mammoth Biosciences mit einigen ihrer anderen Doktoranden, und zwei Stanford-Ph.-D.s, Omar Abudayyeh und Jonathan Gootenberg, gründeten Sherlock Biosciences gemeinsam mit einem anderen Crispr-Pionier, Feng Zhang vom Broad ­Institute of MIT and Harvard. Crispr ist ein ­Akronym für „Clustered Regularly Interspaced Short Palindromic Repeats“. Es bezieht sich auf die Art und Weise, wie Bakterien in ihren Genomen Ausschnitte der viralen DNA als „Fahndungsfotos“ abspeichern. Diese werden dann dazu verwendet, Eindringlinge, die zurückkehren, zu identifizieren.

Wenn ein solches eindringendes Virus mit einem gespeicherten „Fahndungsfoto“ übereinstimmt, brechen Crispr-nahe Enzyme die tödliche DNA des Virus in unschädliche Einzelteile auf. Doudna und andere fanden heraus, wie man diese Enzyme dazu verwendet, die DNA an bestimmten Stellen zu schneiden, um Gene einzubauen oder zu modifizieren. So hat Crispr das Potenzial, den bisher teuren und fehlerhaften Prozess des Umschreibens von DNA einfacher zu gestalten. Das eröffnet vollkommen neue Wege: um Krankheiten zu behandeln, die durch Genmutationen verursacht werden, billigere Diagnosetests zu schaffen und Krebszellen zu töten.

Rachel Haurwitz, Forbes 3

Rachel Haurwitz
... absolvierte ihren Bachelor in Biologie an der University of Harvard. Sie ist Gründerin und CEO des Biotech-Unternehmens Caribou Biosciences.

Acht Jahre nach der Gründung in Berkeley hat Caribou 41 Millionen $ eingesammelt und Lizenzverträge – potenziell im Wert von Hunderten von Millionen $ – mit DuPont Pioneer, Novartis und weiteren Unternehmen abgeschlossen. Caribou hat bereits begonnen, medizinische Therapien zu entwickeln. Haurwitz erwarb einen Bachelor-Abschluss in Biologie in Harvard. Sie hatte noch keinen klaren Plan, als sie zur UC Berkeley ging, aber sie dachte ernsthaft an eine Karriere als Patentanwältin. Dieser Plan wurde verworfen, als ihre Doktorarbeit spannender wurde. Haurwitz und Doudna verbrachten viel Zeit damit, darüber zu sinnieren, wie sie Crispr für die Modifikation von Genomen zur Heilung von Krankheiten umfunktionieren könnten. Die Lösung: das natürlich vorkommende Crispr-System umprogrammieren, um das ­benötigte Gen herauszuschneiden, das man modifizieren möchte. Dann wäre es theoretisch möglich, den genetischen Code zu ändern, um entweder „Rechtschreibfehler“ zu beheben, die Krankheiten verursachen, oder die Produktion eines unerwünschten Proteins zu unterbrechen. Caribou hatte sich zum Ziel gesetzt, die Crispr-Technologie für die DNA-Bearbeitung in Anwendungsbereichen wie Wirkstoff­entwicklung, Landwirtschaft und biologischer Grundlagenforschung zur Verfügung zu stellen. Haurwitz’ Mitgründerkollegen wollten die Universität nicht verlassen und waren „verrückt genug, einer 26-Jährigen, die in ihrem Leben noch nie für ein Unternehmen gearbeitet ­hatte, die Rolle der Präsidentin und der CEO zu überlassen“, sagt sie.

Haurwitz besuchte ­einige Businesskurse, bevor sie ihren Doktortitel erhielt, und gab dann Risiko­kapitalgebern Pitches zur Finanzierung einer Technologie, die diese nicht wirklich verstanden. ­Caribou sicherte sich eine ­exklusive Lizenz für einige Crispr-Patente, die vom System der University of California und der Universität Wien gehalten wurden. Dennoch „fand so ziemlich jeder VC, mit dem wir gesprochen haben, die Idee irgendwie unspektakulär“, erinnert sich Haurwitz. Das war 2012, und die Kapitalgeber dachten, Haurwitz überschätze Crisprs Potenzial.

Die wissenschaftlichen Arbeiten, die Crispr ins Rampenlicht rückten, erschienen im nächsten Jahr. Investoren und eine Gründungswelle neuer Unternehmen folgten: Editas Medicine, die neuartige Technologie auf medizinische Therapien anwendet, sammelte 43 Millionen US-$ ein. Als Nächstes kam Intellia Therapeutics, mitbegründet von Caribou, das bei der Markteinführung 2014 15 Millionen US-$ einsammeln konnte; und Crispr Therapeutics, gegründet von Crispr-Pionierin ­Emmanuelle Charpentier, sammelte 89 Millionen US-$ ein. Die drei Unternehmen gingen 2016 an die Börse und verfügen nun über eine vereinte Marktkapitalisierung von 3,8 Milliarden US-$. Caribou konnte sich von den Finanzierungsrunden und den Zahlungen aus Lizenz- und Partnerschaftsabkommen selbst ­erhalten. Haurwitz wird bald wieder Risikokapital suchen müssen, da ­Caribou die Medikamentenentwicklung im Fokus hat, die teuer, aber lukrativer ist. Ihr erster Schwerpunkt: Ver­besserung der bestehenden Krebstherapien. Crispr könnte laut Haurwitz dazu verwendet werden, die DNA von Immunzellen gesunder Spender so umzubauen, dass diese Zellen an jeden Krebspatienten weitergegeben werden können. Bereits im nächsten Jahr sollen schon Tests mit menschlichen Patienten begonnen ­werden. Mitbewerber in diesem Bereich sind Allogene Therapeutics und ­dessen Partner Cellectis, die zusammen eine Marktkapitalisierung von 3,9 Milliarden US-$ haben.

Darüber hinaus gibt es ­einen Konflikt um das geistige ­Eigentum. Überlappende Patentansprüche von der University of California und dem Broad Institute entstanden für die Grundlagentechnologie, die das Enzym Cas9 zum Schneiden von DNA beinhaltet. Eine Klage zwischen den Institutionen wurde zugunsten der Broad entschieden, aber das US-­Patentamt hat beiden Patente erteilt. Abgesehen von juristischen Scharmützeln droht dem neuen Feld eine heftige Gegenwehr seitens der Öffentlichkeit: Im November ­kündigte der chinesische Wissenschaftler He Jiankui an, mit Crispr an den Genomen menschlicher Embryonen zu basteln, die als Zwillingsmädchen geboren wurden, was den Druck auf die Crispr-Forscher erhöht, zu berücksichtigen, wie sie die lebensverändernde Technologie einsetzen. Die Lizenzverein­barungen von Caribou umfassen laut Haurwitz Punkte, welche die Verwendung an menschlichen Embryonen unterbinden. „Gibt es wirklich medizinischen ­Bedarf, welcher die Genveränderung legitimiert? Ich denke, das ist die Kernfrage“, sagt Doudna. Die Debatte über eine Antwort auf diese Frage wird Crisprs Weg zur Kommerzialisierung prägen, der ein immenses Potenzial für seine jungen Gründer birgt – und ­eines, das noch mehr Kontroversen und Konflikte mit sich bringt.

Text: Ellie Kincaid und Michaela Tindera / Forbes US
Foto: Timothy Archibald / Forbes US

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